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Autor Richard Sivél
Verlag histogame
erschienen 2004
Spielerzahl 2-4
Spielzeit 150 Minuten

Friedrich

rezensiert von Walter Sorger

Das Spiel simuliert den historischen Überlebenskampf der Preußen unter Friedrich dem Großen gegen den Rest der Welt. Das Spielbrett zeigt eine politisch eingefärbte Landkarte von Zentraleuropa aus dem 18. Jahrhundert; die beiden blauen Flächen in der Mitte sind die Staatsgebiete von Preußen und Hannover. Die Flächen darum sind die Aufmarschgebiete der Gegner, im Uhrzeigersinn geht das über Schweden und Russland, Österreich und das Reichsgebiet bis zu Frankreich. Viel Feind viel Ehr.

Die Landkarte zeigt nur das Kerngebiet des Konfliktes, es erstreckt sind von Warschau bis Frankfurt am Main. Die Russen stehen schon in Polen, die Österreicher in Böhmen und Frankreich in den rechtsrheinischen Gebieten des deutschen Reiches. Der Sonnenkönig hat gerade die Pfalz verwüstet, Friedrich gerade seinen Erbteil Schlesien eingenommen.

Ein Spieler darf den großen Preußen mit seinem Verbündeten spielen, alle anderen Mitspieler bilden eine lose Allianz gehen ihn. Jeder von ihnen hat sein eigenes Spiel- bzw. Kriegsziel: er muss eine bestimmte Anzahl von Städten im Grenzgebiet unter Kontrolle bekommen. Untereinander dürfen sie sich nicht bekämpfen; sie sind auch froh, wenn jeder einen Teil der Streitkräfte des gemeinsamen Gegners in Scharmützel verwickelt, so dass jeder einzelne von dem zunächst übermächtigen Preußen nicht in die Pfanne gehauen werden kann.

Der Preußen-Spieler kann das Spiel nicht direkt gewinnen. Er muss nur verhindern, dass einer der Gegner sein Kriegsziel erreicht. Wenn ihm das lange genug gelingt, ist er der Sieger.

Gekämpft wird mit Armeen, die auf der Landkarte herumspazieren, sich an den Gegner heranmachen und ihm bei passender Gelegenheit eine Schlacht liefern. Die Kämpfe werden anhand von "Taktik-Karten" entschieden, von denen jeder pro Runde eine definierte Anzahl zugewiesen bekommt. Die Karten haben eine Spannweite von 2 bis 13 und die Verteilung ist zufällig. Hieran ist leicht zu abzulesen, dass ein vom Zufall begünstigter Spieler leicht 3-4 mal so stark ausgestattet werden kann wie sein gegnerischer Pechvogel. Dieses Ungleichgewicht wird noch dadurch verstärkt, dass die Preußen nahezu doppelt so viele Karten bekommen wie ihr stärkster Gegner, insgesamt knapp mehr als die Hälfte wie alle Gegner zusammen.

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Mit der geballten Kraft seiner Taktikkarten könnte Preußen jeden Gegner unmittelbar vernichten, doch da schieben die Spielregeln einen Riegel vor: Das Spielfeld ist in die Sektoren der Kartenfarben Kreuz, Pik, Herz, und Karo eingeteilt und jede Karte darf nur verwendet werden, wenn die kämpfende Armee in einem Sektor dieser Kartenfarbe steht. Bei schwachem Material an Taktik-Karten kann sich jeder Spieler noch in einen Sektor zurückziehen, wo er wenigstens relativ gut bestückt ist und gute Chancen zum Durchhalten hat. Irgendwann sollte die Begünstigung bei der Kartenverteilung doch kippen. Dann kann man wieder aus seinem Schneckenhaus herauskriechen und versuchen, irgendwo auf dem Felde der Ehre seine Meriten zu verdienen.

Dieses Verhalten bei starken und schwachen Kartenhänden gilt natürlich nicht nur auf der Flucht vor den Preußen, es gilt auch beim Angriff gegen sie. Irgendwann einmal haben die Preußen ihr Pulver verschossen und werden von einem gut bestückten Gegner bedrängt. Dann müssen sie selber nach Sektoren Ausschau halten, wo sie für die Zeit ihrer nächsten Durststrecke möglichst wenig Federn lassen müssen.

Im Angriff und Verteilung besitzt "Friedrich" ein sehr schönes stabilisierendes Element: den "Tross"; das sind Klötzchen, die jeder Spieler unabhängig von den kämpfenden Armeen auf dem Spielbrett bewegt. Jede im Ausland kämpfende Armee muss einen Tross immer in greifbarer Nähe haben, damit sie nicht unversorgt ist und hungern muss. Der Krieg ernährt keineswegs den Krieg. Eine Armee, die zwei Spielrunden lang unversorgt ist, wird kampflos vom Spielbrett genommen. Dies ist ein starker Heimvorteil für jede Verteidigung. Wenn ein Gegner sich zu weit von seiner Heimatbasis entfernt hat, muss man nur versuchen, seinen Tross zu zerstören, und schon ist die feindliche Armee innerhalb von zwei Runden spurlos verschwunden.

"Friedrich" ist ein faszinierendes historischen Kriegsspiel, das selbst friedlichen Lämmern unter den Spielerseelen (mir) gefällt. Natürlich spielt die schillernde Figur Friedrich des Großen von Preußen eine große Rolle. Kaum ein geschichtlich interessierter Deutscher kann ihm emotionslos entgegentreten. Wer nicht gegen ihn ist, muss für ihn sein. Auch wenn seine Spielposition zunächst sehr aggressiv anmutet, ist nicht zu übersehen, dass es ihm in der dargestellten Situation eigentlich nur (noch) ums Überleben geht. Selbst als Gegner kann man sich einer gewissen Achtung bei gekonnten taktischen Verteidigungszügen (Angriff ist die beste Verteidigung) nicht erwehren.

Unwillkürlich wird jeder Spieler von den Kampfelementen Abwarten, Sich Entwickeln, Aufmarschieren, Zuschlagen, Fliehen und dabei die Versorgung nicht Verlieren in Spannung gehalten. Knappe Siege und Niederlagen wechseln mit hohen Verlusten bis zur totalen Vernichtung ab. In jedem Fall wartet aus der Heimatfront schon die nächste Armee auf ihre Aushebung und ihren Einsatz.

Auch die Dreierallianz gegen Preußen schafft neue, hübsche psychische Spieler-Konstellationen. Man gönnt jedem Mitspieler den Sieg in der Schlacht, eigentlich uneingeschränkt. Jede Taktik-Karte, die der Preußenkönig verliert, kann nicht gegen mich eingesetzt werden, jede Armee, die der Preuße verliert, macht mein eigenes Vordringen und Erreichen meiner Kriegsziele leichter. Allerdings sollte sich ein verbündeter Mitspieler nicht allzu schnell und allzu üppig seine Vorteile erringen können. Dann gönnt man ihm schon mal, dass auch er einen Kampf verliert oder zumindest jede Menge Taktik-Karten verbuttern muss.

Nach gut 3 Stunden ist das Spiel über die Bühne. Wenn wir Glück hatten, haben wir die Geschichte neu geschrieben und können darüber ein ganz geiles Selbstwertgefühl ableiten. Wenn wir Pech hatten, zieht sich Russland per Ereigniskarte aus dem Schlachtengetümmel zurück, Frankreich leckt seine nord-amerikanischen Wunden und Österreich wendet sich wieder seinen böhmischen Knödeln zu. Dann hat Friedrich gewonnen und alle Spieler dürfen eine Nacht darüber schlafen und träumen, was sie in ihrem nächsten Leben besser machen werden.

Zum Schluss noch ein paar kritische Bemerkungen zum Spielverlauf:

  1. Der Preußenkönig sollte kein Denker sein. Er hat viele Armeen, 8 Generäle, lange Grenzen und viele Gegner. Wenn er sich gemüßigt fühlt, bei jedem Zug sein absolutes Optimum auszurechnen, dann ist seine Denk- und Spielzeit länger als die aller seiner Gegner zusammen. Am Anfang macht das Zuschauen vielleicht noch Spaß. Nach 3 Stunden nicht mehr. (Mir nicht.) Hier würde ich unbedingt den Einsatz einer Schachuhr vorschlagen. (Werde ich mir unbedingt zulegen.) Wer mehr als 1 Minute für seinen Zug braucht, verliert alle 30 Sekunden eine Armee!

  2. Das Spiel ist extrem asymmetrisch und bietet dementsprechend sehr unterschiedlichen Handlungsspielraum für die einzelnen Spieler. Während Friedrich der Große in der Vielfalt seiner Aktionsmöglichkeiten nur so schwelgen kann, hat der große Richelieu gerade mal 3 Armeen, die ohne reichlich Pique-Damen den Hannoveraner nicht einmal unter die Augen treten dürfen. Er ist gut beraten, sich auf die lieblichen Weinhänge am Rhein zu konzentrieren und seinen Frust im fruchtigen Riesling zu ertränken. Für geborene Alkoholiker ein befriedigender Ersatz, für ambitionierte Clausewitze aber nicht.

  3. Jeder Staat notiert die Verteilung seiner Armeen auf seine Generäle geheim auf einem Notizblatt. Das ist absolut überflüssig. Die Kampfstärke eines Generals wird nach dem ersten Kampf ohnehin offenbar und damit jedermann bekannt. Ausserdem ist die Wirkung der Taktik-Karten um ein Vielfaches größer als die Anzahl der zugeteilten Armeen; die geheim gehaltene Zahl hat nur einen marginalen Einfluss. Dagegen ist das richtige Eintrage der Armeen auf dem Notizzettel beim Nachrüsten und Umverteilen einerseits umständlich und andererseits eine ständige Quelle von Fehlern und Misstrauen. Ich würde diese Verteilung öffentlich machen und damit alle Probleme beseitigen.

Und ganz zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu Preußens Militarismus:

Madame de Stael schreibt (1810) in "De l'Allemagne": "Kriegerischer Geist und Vaterlandsliebe existieren gegenwärtig kaum noch für die Deutschen als ganzes gesehen. Vom militärischen Geiste kennen sie kaum noch mehr als eine pedantische Taktik, in der sie mit Recht und Fug nach allen Regeln geschlagen zu werden." (Hierbei kann ich nicht genau beurteilen, ob der Satzteil mit dem "Recht" und den "Regeln" richtig übersetzt ist.)

Der Alliierte Kontrollrat entscheidet (1947) in einem Gesetz: "Der Staat Preußen ist seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist. Geleitet von dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker wird er, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden aufgelöst."

Dank dieser klugen Tat ist die Welt sein mehr als einem halben Jahrhundert ohne Krieg. Fast.

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