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Autor Bruno Cathala
Serge Laget
Verlag Asmodée
erschienen 2008
Spielerzahl 3-6
Spieldauer 90 Minuten
Wertung red starred starred starred stargray stargray stargray stargray stargray stargray star

Senji

rezensiert von Walter Sorger

"Senji ist in seiner Gesamtheit in drei Teile geteilt" hätte der junge Caesar formuliert, wenn es das Spiel damals schon gegeben hätte. Es besteht aus den beiden gegenläufigen Verhaltenweisen von kriegerischer Eroberung und friedlicher Blumenkunst, die durch das dritte Element Diplomatie zusammengehalten werden.

Als Geographie sind die japanischen Inseln untergelegt. Wir sind Daimyos (Lokalfürsten) und legen uns Samurais (Krieger) zu, um damit am Ende das Shogunat (Militärherrschaft) zu erringen. Der Kaiser spielt nur eine Nebenrolle, er bestimmt lediglich die Reihenfolge, in der die Aktionen der Spieler ausgeführt werden. Und er bekommt eine richtige dicke Sanduhr, mit der er überwacht, daß die Denk- und Diplomatie-Phasen in jeder Runde nicht zu lange dauern. (Eine wohlweise Einrichtung, die wir schon bei vielen anderen Spielen vermißt haben.)

In der Startaufstellung werden alle Provinzen gleichmäßig unter die Spieler verteilt. Pro Provinz darf ein Spieler eine von drei verschiedenen Aktionen ausführen:

  1. zwei neue Krieger anwerben,

  2. beliebig viele Krieger zu einem Kriegszug in Bewegung setzen,

  3. zwei Blumenkarten ziehen.

Militarismus

Mit diesen Zugmöglichkeiten ist "Senji" zunächst mal ein traditionelles Kriegsspiel um territoriale Ausbreitung und Siegpunkte. Das Ergebnis eines Kriegszuges wird durch Würfeln bestimmt. Dieser Steinzeit-Totschlag-Mechanismus ist vom Prinzip her bereits seit "Risiko" bekannt; er ist über viele Empire-Varianten bis in die Neuzeit hin noch nicht wesentlich zivilisierter geworden.

board"Senji" hat für die Kämpfe eigene Hexawürfel gestaltet und raffinierte Entscheidungsregeln ausgeklügelt, in denen die Anzahl der operierenden Militäreinheiten, die eingesetzten Samurais, Militär-Allianzen und Sonderkarten einfließen. In jedem Kriegszug geht es um Alles oder Nichts. Unabhängig von der Würfeldifferenz muß der unterlegene Spieler alle seine eingesetzten Militäreinheiten vom Spielbrett nehmen und die umkämpfte Provinz seinem Gegner überlassen. Der Sieger erhält die Provinz und zusätzlich doppelt soviel Siegpunkte wie abgemurkste eigene und gegnerische Einheiten.

Diese Siegpunkte sind aber teuer erkauft, denn auch der Sieger muß genauso viele Militäreinheiten vom Brett nehmen wie der Unterlegene. Es sind also lauter Pyrrhus-Siege, die wir da erringen. Wir schwächen mit jedem Kriegzug unsere eigene Machtposition und werden dann umso leichter ein Opfer des lachenden dritten Spielers, der problemlos in die leeren Räume nachstößt.

Die Eroberung einer schwach verteidigten Provinz ist nahezu gefahrlos, sie bringt dafür auch keine unmittelbaren Siegpunkte, sondern sie zahlt sich erst in der Zukunft aus, wenn wir in späteren Runden unsere Aktionen dafür ausführen dürfen.

Flowerpower

Der zweite, friedliche Teil von "Senji" sind die Blumenkarten (Hanafuda). Dies sind Karten in verschiedenen Farben mit verschiedenen Zahlen und unterschiedlichen Motiven, von denen wir pro Runde und pro Provinz zwei Stück vom gemeinsamen verdeckten Stapel ziehen und auf die Hand nehmen dürfen. Bestimmte Kombinationen dieser Blumenkarten werden direkt in Siegpunkte umgetauscht, z. B. bringen vier verschiedene Blumenkarten vier Siegpunkte ein, acht verschiedene Blumenkarten bringen zwölf Siegpunkte ein, und zwölf verschiedene Blumenkarten bringen 24 Siegpunkte ein. Der relative Wert einer Blumenkarte steigt hier von einem Punkt pro Karte bis zum Maximum von zwei Punkten pro Karte.

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Mit Siegpunkten werden auch Sammlungen von Blumenkarten einer bestimmten Farbe oder bestimmter Motive honoriert. Wer das Glück hat, sich vier von den acht Sonnenkarten aus den insgesamt 96 Karten herauszufischen, bekommt sogar drei Siegpunkte pro Karte.

Die Saulusse unter den Paulussen können sich erst friedlich eine Reihe von Blumenkarten mit blauen Schleifen zulegen, um sie dann plötzlich in Samurais zu verwandeln und damit einen Krieg vom Zaun zu brechen.

Will man Blumenkarten in Siegpunkte umtauschen, sollte man sie natürlich auf den Maximalwert hin ansparen. Das ist nicht allzu schwer, denn die Zahl der Karten in unserer Hand ist nicht begrenzt. Wir können von Anfang bis Ende alle gezogenen Blumenkarten auf der Hand behalten und sie erst im allerletzten Augenblick in Siegpunkte umsetzen. Dies ist mit Sicherheit ein vernünftiges Vorgehen. Zwei Serien von 12 verschiedenen Blumenkarten bedeuten so gut wie den Sieg, denn sobald der erste Spieler 60 Siegpunkte erreicht hat, ist die letzte Runde eingeläutet. Zweimal 24 Punkte sind aber bereits 48 Punkte und zusammen mit den mehr oder weniger nachgeworfenen Kleckerlespunkten aus anderen Spieleffekten hat man damit spielend das vorgeschriebene Limit überschritten.

Fügen wir hier mal eine kurze Betrachtung der Effizienz von FlowerPower gegenüber dem Kriegshandwerk ein. Einen Kriegszug sollte man (als Angsthase) nur mit einer militärischen Überlegenheit von etwa 2:1 beginnen. Um eine Einheit eines Gegners zu vernichten benötigt man demnach zwei Einheiten. Dafür verbraucht man insgesamt zwei Aktionen: eine um die beiden Krieger zur Welt zu bringen und eine Aktion, um sie in Bewegung zu setzen. Als Ergebnis springen ganze vier Siegpunkte heraus. Unter der Berücksichtigung, daß nach der Schlacht noch ein Krieger (= ½ Aktion) übrigbleibt, bringt die Kriegführung etwa 2,7 Siegpunkte pro Aktion ein.

Dagegen ist eine Blumenkarte grob geschätzt durchschnittlich etwa 1,75 Siegpunkte wert. Pro Aktion erwirbt man zwei Blumenkarten, eine Blumen-Aktion bringt demnach ca. 3,5 Siegpunkte ein. Lohnt sich demgegenüber da noch der Krieg? Das ist die große Frage von "Senji"! Zurzeit neige ich dazu, diese Frage zu verneinen. Damit wäre "Senji" aber nur noch ein besseres Quartett-Spiel.

Diplomatie

Der dritte und zweifellos bemerkenswerteste Charakter von "Senji" ist die Diplomatie. Jeder Spieler bekommt zu Spielbeginn einen Satz von Diplomatiekarten, mit denen er seine Aktionen unterstützen kann:

Sanduhr

  1. Tauschkarten veranlassen einen Mitspieler, eine beliebige Blumenkarte aus seiner Hand herzugeben. Tauscht man wechselseitig miteinander Tauschkarten aus, so entspricht das einem Versprechen zum gegenseitigen Tausch von Blumenkarten. Man darf nicht exakt fordern, welche Art von Blumenkarte man vom Mitspieler haben möchte, man darf nur Wünsche dazu äußern. Ein gutmütiger Mitspieler wird vielleicht - zu gegenseitigem Vorteil - darauf eingehen, ein bösartiger wird einen geäußerten Wunsch aber eher dazu nutzen, diese Kartenart gerade nicht herzugeben. Der ganz normale diplomatische Wahnsinn. In jedem Fall wird es mittels Tauschaktionen leichter, die nötige Vielfalt von Kartenkombinationen zu erzielen.

  2. Geiselkarten sind ein Druckmittel gegen den Krieg. Hat mir ein Mitspieler eine Geiselkarte gegeben und greift er mich später trotzdem an, kann ich seine Geisel vernichten und dafür eine festgelegte Anzahl von Siegpunkten gutgeschrieben bekommen, und mein Kriegsverbrecher erhält eine entsprechende Anzahl von Siegpunkten abgezogen. Unter welchen Umständen ich freiwillig eine Geiselkarte weitergeben soll, daß muß noch erforscht werden.

  3. Allianzkarten haben einen Einfluß auf das Kampfwürfeln. Sie bewirken ein Verschieben des Würfelergebnisses zu Gunsten des Kartenbesitzers und können die knappe materielle Mehrheit eines Angreifers schon mal zum Scheitern bringen.

Wie funktioniert die Diplomatie in "Senji"? Können Spieler, die notgedrungen aufeinander einschlagen sollen, gleichzeitig in friedlicher Koexistenz Blumen austauschen? Welches ist der Motor für eine blühende Diplomatie? WARUM soll ich mich WIE diplomatisch betätigen? Hier empfinde ich einen erheblichen Aufklärungsbedarf.

  1. Über Sinn und Unsinn von Tauschaktionen haben wir im Zusammenhang mit der Rezension zu "Kathai" hier auf unserer Internetseite schon einmal ausführlich diskutiert. Ein Tausch ist meistens ungleich, ein Spieler profitiert davon mehr als der andere, und selbst wenn man als unterlegener Tauscher immer noch besser steht als ein Nicht-Tauscher, so fragt man sich doch, warum man u.U. einem Konkurrenten die zwölfte Karte für seinen 24-Punkte-Profit hergeben soll, wenn man selber höchstenfalls 16 Punkte zusammenkratzen kann. Nur mit einer Loser-Mentalität, wenn man schon mit einer simplen Platz-Verbesserung zufriedengestellt werden kann, wird man freiwillig einem Mitspieler den größeren Profit überlassen.

  2. Unter welcher Voraussetzung gebe ich einem Mitspieler eine Geiselkarte? Ich werde dadurch in meiner Kriegführung einschränkt und erhalte im Gegenzug dafür nichts. Es sei denn, ich bekomme vom gleichen Spieler eine Geiselkarte in der gleichen Höhe. Doch welchen Sinn macht ein symmetrischer Tausch, wenn jeder von jedem den gleichen Bonus bekommt? Liegt das Geheimnis der Geiselkarten etwas in einer dunklen Asymmetrie? Sollen mit den Geiselkarten vielleicht gleich zu Beginn des Spieles die Jäger von den Sammlern getrennt werden können, und die Jäger unter sich einen gesicherten Nichtangriffspakt abschließen, während die Sammler von Natur aus nicht wissen, wozu man Geiseln braucht?

  3. Allianzkarten zu erwerben ist wohl grundsätzlich von Vorteil. Aber warum sollte ich dann eine hergeben? Höchstens doch wohl nur auf Gegenseitigkeit. Auch hier gilt: Wenn das alle tun, dann hat keiner einen signifikanten Vorteil davon. Dann hätte man die Allianzen mit erheblicher Zeitersparnis auch bei Spielbeginn gleich per Zufallsentscheidung unter den Spielern verteilen können.

Sollen etwa die Diplomatiekarten zusammen mit Blumenkarten und Versprechungen und Drohungen und sonstiger Verhandlungsmasse in ganz individuelle Pakete verschnürt werden und diplomatisch unter den beteiligten Parteien ausgehandelt werden? Beispielsweise: "Gib mir eine blaue Acht und eine Dreier-Tauschkarte, dann bekommst Du eine Vierer Geisel und mache Dir drei Runden lang den Kaiser!" Zweifellos tut sich hier ein unerschöpfliches Betätigungsfeld auf. Geborene Diplomaten können schwelgen in ihren Fähigkeiten zu Manipulation und Eigennutz. Einfachere Gemüter sind hier schnell überfordert und übervorteilt! Wie segensreich, daß es einen guten Kaiser gibt, der im Interesse seiner Schäfchen mit seiner Sanduhr die Möglichkeiten der Wölfe in Grenzen hält.

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