09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum

Im Vorfeld haben wir über die traurige Situation beim FC Bayern gesprochen. Innerhalb einer Woche drei wichtige Spiele verloren, und das mit den gleichen Spielern, die bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr einen grandiosen dritten Platz erreicht haben. Liegt es tatsächlich am Trainer, wenn eine Fußballmannschaft gute Ergebnisse erkickt? Oder liegt es am Geld? Dann aber müßte der FC Bayern unangefochten an der Spitze liegen.
Mein Neffe hat mit mir gewettet, dass von einer ausgewählten “Neuner-Liste“ von Bundesliga-Mannschaften (Bayern, Bremen, Dortmund, HSV, Hoffenheim, Leverkusen, Schalke, Stuttgart, Wolfsburg) in den nächsten fünf Jahren, d.h. bis zum Saison-Abschluß im Jahre 2015, jeweils mindestens 3 Mannschaften im Europapokal spielen, und dass der Meister lediglich aus dem Kreise dieser 9 Mannschaften stammt.
Wer wettet dagegen?
1. “Ad Astra”
Nach Moritz Aussage „kein „Freak-Game, sondern ein richtiges Euro“. Faidutti ist Coautor und es gibt in eine tadellose deutsche Spielanleitung dazu. Horst hatte sich vorbereitet und trug perfekt vor. Eine echte Konkurrenz zu … wem?
Wir sind immer noch Menschen, doch unsere Sonne ist uns zu langweilig geworden, wir besiedeln Planeten in fernen Sonnensystemen. Dazu benötigen wir natürlich Energie, Wasser, ein bißchen was zum Kauen und Baumaterial für Kolonien und Fabriken. Eine Grundmenge der benötigten Rohstoffe gehört zu unserer Startaufstellung, den Rest müssen wir auf den besuchten Planeten im All finden und exploitieren.
Für die Spielzüge steht jedem Spieler ein Satz von Aktionskarten zur Verfügung, gemäß dem wir Bewegungen, Resourcen-Produktion, Bautätigkeit oder Spiegpunkt-Ernten durchführen. Reihum plazieren wir drei unserer Aktionskarten verdeckt auf einem gemeinsamen „Planungsfeld“ und arbeiten den Stapel sequentiell ab. Bemerkenswert dabei ist, dass jede Aktionskarten für alle Spieler gilt. Wird also z.B. eine Bewegungskarte aufgedeckt, so dürfen alle Spieler mit ihren Raumschiffen von Planet zu Planet hüpfen, nicht nur derjenige, der diese Karte beigesteuert hat.
Wenn man aber gerade keine Energie mehr hat, dann nützt die fremde Bewegungskarte gar nichts. (Die eigene übrigens auch nicht.) Die Art der von den Mitspielern ausgewählten Karten ist eine Unbekannte und man sollte in seiner Zugplanung nicht damit spekulieren. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, und es ist eher selten, dass man von fremden Karten wirklich profitiert.
Nur ganz am Anfang zog Horst irrtümlich eine falsche Produktionskarte und setzte damit Walter’s statt seiner eigenen Produktion in Gang. Dieser Irrtum brachte Walter gleich in der ersten Runde eine gewisse materielle Dominanz auf den Spielbrett ein, die sich auch unverzüglich in einen Vorsprung von 10-15 Siegpunkten umsetzen ließ, ca. 25 % der Gesamtpunktzahl zum Sieg!
Alle waren sprachlos, wie das blinde Huhn mit dem irrtümlich geschenkten Korn seine Runden drehte und dabei seinen Vorsprung stetig und uneinholbar ausbaute. „Das Spiel ist nicht gut, wenn Walter gewinnt!“ Das Spiel war nicht gut!
Vor allem der Stapel mit den unberechenbaren und damit ziemlich chaotischen Aktionskarten erntete Kritik. Moritz forderte hierfür ein sequentielles offenes Auslegen der Karten. „Typisch Faidutti, gute Ideen aber nicht konsequent durchdacht.“
WPG-Wertung: Aaron: 5 („zu wenig planbar“), Günther: 5, Horst: 7 (mag diese Art von Spielen, war auch atmospärisch zufrieden), Moritz: 5 („es darf nicht sein, dass man auch ohne Aufbau allein mit Siegpunkt-Ernte-Karten das Spiel gewinnt“), Walter: 5 (einschließlich Siegerbonus).
2. “Escape from the Aliens in Outer Space”
Letzte Woche in einer Dreierrunde schon angespielt, sollte das Spiel heute in einer Fünferrunde seine volle Pracht entfalten. Im Prinzip funktioniert es ganz ähnlich wie Scotland Yard, einem Oldtimer aus dem Jahre 1983. Anstelle eines bösen Mister X gibt es 2 gute Menschen, anstelle von 4 guten Detektiven gibt es 3 böse Aliens. Alle bewegen sich auf wohldefinierten Strecken über das Spielbrett, bei Scotland Yard ist es der reale Stadtplan von London, bei „Escape“ eine abstrakte Ebene von Raumschiff-Hexagons. Als Spielziel muß in Scotland Yard der Mister X dingfest gemacht werden, bei „Escape“ müssen die Menschen gefressen werden, bevor sie sich in ihre Fluchtkapseln retten.
Absprachen sind erlaubt, aber nicht notwendig, da die Aliens praktisch bei jedem Zug mitteilen, wo sie sind und sich entsprechend aufeinander einstellen können. Die Menschen müssen das – mit zufälligen Schwankungen – etwa bei jedem zweiten Zug kundtun. Da die Aliens eine doppelt so große Reichweite haben, sind die Menschen mehr oder weniger chancenlos. Zumindest auf der Raumschiff-Struktur, die wir zugrunde gelegt haben. Noch aussichtsloser wäre es gewesen, wenn wir mit der optionalen Erweiterung gespielt hätten, dass die Fluchtkapsel mit 50% Wahrscheinlichkeit kaputt ist, wenn ein Mensch sie halb aufgefressen erreicht hat. Aber was ist schon die Hälfte von Null?
WPG-Wertung: Moritz: 9 („Originell, lustig, mir machte es Spaß“), Aaron: 5 („nicht lustiger als 5 Punkte“), Günther: 4 („hat mir es schon in der Dreierrunde nicht gefallen“), Horst: 4 (abhängig von der Spielrunde; nicht besser als „Ad Astra“), Walter: 3 (war einer der chancenlosen Menschen).
3. “Gisborne”
Gemäß Regelheft sind wir die ersten Seefahrer Europas, die in Neuseeland gelandet sind und anfangen, die Insel zu kartographieren. Stück für Stück wird ein neues unbekanntes Stück Land aufgedeckt, und wir bewegen unseren Kartographen-Pöppel entlang eines Trampelpfades in Richtung Ziel. Die Strecke, die wir pro Zug zurücklegen dürfen, ergibt sich aus der Summe der Schritte auf den Bewegungskarten, die wir dafür einsetzen. Die Bewegungskarten werden von einem verdeckten Stapel gezogen, und es ist natürlich einsichtig, dass hier Lady Fortuna einen erheblichen Einfluß ausübt.
Auf dem Trampelpfad gibt es in unregelmäßigen Abständen Sonderfelder: wer mit seinem Pöppel hier darauf zieht, bekommt einen Siegpunkt-Chip und löst eine Wertung auf. Der vorderste Spieler erhält eine Menge neuer Bewegungskarten, die nachfolgenden erhalten weniger. Den Letzten beißen die Hunde.
Zum Ausgleich beißen den Ersten die Wölfe, nämlich wenn er bei seinem Vorwärtsschreiten auf ein neues Stück Land kommt, auf dem zufällig und keinesfalls voraussehbar noch Wölfe leben. Der Erste kann auch ungewollt in einen Sumpf fallen, aus dem er nur mit erhöhtem Aufwand an Bewegungskarten wieder herauskommt.
So ist in „Gisborne“ einfach alles zufällig:

  • die Wertigkeit der gezogenen Karten
  • die Struktur der neu entdeckten Landesteile
  • die Schrittweite der Mitspieler und deren sonstigen Ambitionen
  • Locker ist es auch. Zwangsweise.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („genauso gut wie Ad Astra“), Günther: 6 („schnelles Spiel mit Ärgerfaktor“), Horst: 7 (fand ein „Schluchten-Feeling“), Moritz: 7 („lockeres Glücksspiel“), Walter: 6 („einschließlich Enkelbonus“).
    4. “Bluff”
    Horst’s vor zwei Monaten noch als erfolgreiche Überraschung vorgetragene Sternenstrategie kann keinen Stich mehr machen. Er wird sich etwas Neues ausdenken müssen. Aaron, Günther und Walter waren mit 3, 2 und nochmals 2 Würfeln im Endspiel. Walter begann standardmäßig mit 1 mal die Vier und Aaron hob ohne Zögern auf 2 mal die Vier. Günther hatte 2 Vieren unter dem Becher und kämpfte mit den Setz-Alternativen 3 mal die Vier oder 4 mal die Vier.
    Was hatten die anderen mit ihren 5 Würfeln gewürfelt, als sich nach Walters Anzweifeln unverzüglich ein homerisches Gelächter erhob. Anders gefragt: Was hatten die anderen NICHT gewürfelt und wer stimmte nur unwillig in das Gelächter ein?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    PS: Die Katze kriegt immer noch am Westpark täglich ihre Milch. Und nach den Indizien im Katzenklo zu schließen, ist ihre Verdauung in Ordnung.
    PS2: Immerhin hat Schalke gewonnen und Mailand nur Unentschieden gespielt. Der dritte Champions-League-Platz für Deutschland scheint gesichert. Hallo FC Bayern, nochmals die Ärmel hoch gekrempelt!

    6 Gedanken zu „09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum“

    1. Die 50%-Karten kommen nur in Verbindung mit den Gegenstandskarten (die nur die Menschen benutzen können) ins Spiel. Das gleichts wieder aus. Ich hab schon gewonnen als Mensch, aber es ist sicherlich schwerer…

    2. Hallo Peer,
      etwas bösartig könnte ich sagen: Die 50%-Karten zeigen, wes Geistes Kind die Autoren sind: Chaoten. Erst lassen sie die Menschen mit Taktik, Bluff und Glück darum kämpfen, den Aliens zu entkommen und das rettende Raumschiff zu erreichen, und dann ist – rein zufallsgesteuert – das Raumschiff unbrauchbar. Aus die Maus! Egal wie grandios ihr bisheriger Kampf war. Denn das nächste Raumschiff ist garantiert nicht mehr zu erreichen. (Gutartige Einschränkung: Vielleicht sind die Autoren selbst keine Chaoten; sie haben nur ihr Spiel in diese Richtung ausgearbeitet.)
      Um gegen die doppelte Geschwindigkeit der Aliens eine Chance zu haben, dürften die Aliens gerade in den ersten paar Zügen nicht wissen, wohin man sich bewegt. Und genau dafür gibt es kein planbares Mittel. Die Pflicht, seinen Standort preiszugeben, ist rein zufällig, und das bei jedem einzelnen Schritt.
      In „Scotland Yard“ ist es für das Überleben des Mister X unabdingbar, die Linie der Detektive mehrmals zu durchbrechen. Und dazu gehört es zu den hervorragenden Strategien, kurz vor dem pflichtgemäßen Auftauchen-Müssen nahe bei einem Detektiv zu sein, um dann in den nächsten fünf verdeckten Schritten ganz dicht an ihm vorbei auf die „andere“ Seite überzuwechseln. Das ist spannend und absolut taktisch. Und die Gegenspieler sind hierbei nicht machtlos, sondern sie können ihrerseits strategisch (weiträumig abdecken, langsam einengen) dagegen vorgehen. Von all diesen schönen Planungen und Winkelzügen kennt „Escape“ gar nichts.
      Es ist richtig, dass von zwei Menschen gegen drei Aliens einer davon vielleicht die Chance hat durchzukommen. Ist der erste Mensch aber gefressen – der zugehörige Spieler darf dann für den Rest des Spiels zuschauen!! – , so kann der zweite sich sofort ausrechnen, wieviele Runden er noch leben wird: Maximal so viele, wie sein durchschnittlicher Abstand zu den Aliens ist. Innerhalb dieses Radiuses wird er normalerweise kein Raumschiff finden. Nur manchmal findet eine blinde Henne auch wohl ein Korn.
      Gruß Walter

    3. Hallo Walter,

      euere Katze ist wirklich zuckersüß. Wir würden sie nehmen, wenn wir keine Nymphensittiche hätten.
      Was ich vergessen habe zu sagen: Es ist gar nicht gut Katzen normale Kuhmilch zu geben! Besser wäre Wasser!

      Außerdem: Der dritte Champions-League Startplatz ist bereits seit einer Woche gesichert, selbst wenn deutsche Mannschaften in dieser Saison alle ihre Spiele verlieren sollten.

      Werde mich für das nächste Mal auf “Constantinopolis” genauso gut vorbereiten.

      Gruß

      Horst

    4. Walter,

      eine Situation, in der Menschen in einem Raumschiff von einer Überzahl Aliens bedroht werden und versuchen zur rettenden Escape-Kapsel zu kommen ist m.E. grundsätzlich chaotisch. Insoweit ist das Spiel eine gute Simulation! Ob jede gute Simulation ein gutes Spiel für die Westpark gamers ausmacht, sei mal dahin gestellt.

      Eine Anmerkung noch zur Pflicht der Standortpreisgabe: es gibt viele verschiedene Raumschiffpläne und wir haben gerade einen derjenigen genommen, die fast ausschließlich graue Gefahrfelder haben. Beim ersten Spiel eine Woche vorher sah das ganz anders aus: dort gab es viel weniger Gefahrfelder und die Aliens hatten es entsprechend schwerer, die Menschen ausfindig zu machen. So gesehen bietet das Spiel sehr viel Varianz und Anpassbarkeit an die Präferenzen der Spielgruppe: einfacher oder schwieriger Plan des Raumschiffs und optionale zusätzliche “Chaoselemente” (Gegenstände, defekte Rettungskapseln).

      Alles in allem ist “Escape…” kein Strategie-Euro-Game und adressiert sicherlich nicht die Westpark Gamers als Zielgruppe.

      Gruß

      Aaron

    5. Hallo Aaron,

      so sieht die Sache ja gleich viel besser aus. Wenn es deutlich mehr weiße Felder gibt, auf denen ich immer wieder mal Fluchtwege finde, wo ich mich – mit ein bisschen Glück – unentdeckt von meinen Verfolgern entfernen kann, dann bekäme das Ganze mehr Gesicht (für mich). Doch für die 50%-Karten gibt es kein Pardon. Die sind einfach krank. Kein Punkt mehr für ein unstimmiges Spiel!

      Wenn ich andererseits an die Szenerie von „Scotland Yard“ denke, wo doch auch ein Spieler auf der Flucht vor seinen Gegenspielern ist, da ist der Spielablauf doch an keiner Stelle chaotisch. Das ist ein Superspiel und zu Recht „Spiel des Jahres 1983“ geworden.
      Deshalb verstehe ich nicht, warum eine Fluchtsituation „grundsätzlich chaotisch“ sein soll. Ich sehe bei „Escape“ und „Scotland Yard“ einfach nicht den Unterschied zwischen Äpfeln und Birnen.

      Gruß Walter

    6. Ich habs jetzt ein paar Mal gespielt und ich denke auch, dass die 50%-Karten nicht glücklich sind. Allerdings ist das Spiel unendlich skalierbar – nicht nur mit Karten oder den recht unterschiedlichen Plänen (die in ihrer Ausgeglichenheit sehr schwanken), sondern auch mit Regeln. Auf der Homepage werden tausende von Variationsmöglichkeiten angeboten.
      Nun kann man gut argumentieren, dass das keine Entschuldigung ist – Variationsmglichkeiten einzudämmen ist ja die Aufgabe des Autoren, nicht der Spieler – aber das ist ja geschehen. Und so kann man mit 50%-Karten spielen, wären sie nicht dabei, ginge das nicht.

    Kommentare sind geschlossen.