16.12.2015: Mobiles vom Eisenstein und Immobiles aus New York

Es war einmal eine Familie, die gern in den Urlaub fuhr und immer in denselben hübschen Hotels abstieg. Irgendwann fing die Familie gag-halber an, für ein Hotelbewertungsportal Bewertungen zu schreiben. Das kam gut an.
Dann fuhr sie nicht mehr in die paar guten Hotels, sondern klapperte jede Absteige ab, “denn man muss ja alle mal gesehen haben, und wir müssen Bewertungen schreiben”.
(Anfangskapitel aus Peters „Die Tragik der Westpark-Gamers“.)

1. “Phalanxx”

Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann
Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann

Als Vorweihnachtsgeschenk hat uns Bernd Eisenstein sein neuestes Produkt zum Testen übergeben. Seit 2003 sind Bernds Spiele bei Luding registiert. Am Anfang hat er noch „gesündigt“ und dafür Namen quer durchs Alphabet vergeben („Maya“ war sein erstes Spiel, „Zack & Pack“ kam 2008, später „Alea Iacta Est“ und „Artifact“ zusammen mit Jeffrey D. Allers). Seitdem er unabhängig ist, und die Spiele im Eigenverlag herausbringt, fangen die Namen seiner Spiele alle mit „P“ an (z.B. „PAX“, „Porto Carthago“ „Palmyra“, „Peloponnes“ und „Pergamemnon“.) Das ist sicher kein Zufall und vielleicht eine von FF abgeschaute Marotte, auch wenn Bernd nicht Pernd Peisenstein heißt. Vielleicht wird er mal den Algorithmus zu seiner Namensvergabe verraten. Vielleicht hat er ja eine heimliche Liebe Penelope. Seine VOR-Lieben liegen zumindest alle im griechisch-antiken Raum.

In „Phalanxx“ breiten sich alle Spieler von gegebenen Startpunkten in die kleinasiatische (bzw. in irgend eine abstrakte Hexagon-) Landschaft aus. Die ersten Züge sind friedlich, dann kommen sich die Spieler gegenseitig in die Quere und verdrängen sich. Wer stärker ist kann seinen Gegner jederzeit ohne irgendwelche Kampfenscheidungen nach Hause schicken. Der eigentliche Kampf geht darum, rechtzeitig stärker zu sein als der Nachbar, dessen Felder man sich unter den Nagel reißen möchte.

Eigentlich kriegerisch, aber doch nicht so tödlich-peinlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn die Anzahl der Krieger eines jeden Spielers ist stark begrenzt. Wer seine Soldaten alle verschossen hat, kann sich nur noch zahnlos auf den Feldern der Siegpunkt-Ehren tummeln und warten, bis das Spielende eintritt. Für die nach Hause geschickten Pöppel der Mitspieler dagegen gibt es nahezu bis zur Schlussrunde unbegrenzt neue Betätigungsfelder.

Die Stärke eines Spielers ist gleichzeitig die Anzahl seiner Siegpunkte, mit denen er am Ende aufs Treppchen steigt. Zum Siegpunkte-Sammeln muss man sich aus einer angebotenen Auslage von Stärke-Karten, die in sich eine Menge Abhängigkeiten in Bezug auf Zulässigkeit und Wirkung besitzen, in der richtigen Reihenfolge die besten heraussuchen. Hier hat Bernd in seiner bekannten, gekonnten Manier die weitsichtige Planbarkeit mit kurzsichtigem Zufall verheiratet. Vor allem aber sein aus Würfeln basierter Zugmechanismus ist neu, elegant, und in sehr interessanten Aspekten antagonistisch.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “New York 1901”

Dreimal im Monat Dezember lag dieses Spiel jetzt bei uns auf dem Tisch. (Siehe frühere Reports.) Wenn man es spielerisch und GAAANZ locker nimmt, ist es eine hübsche Entspannungsübung nach einem schweren Tobak. Doch wer will, kann dabei auch denken! Hoffentlich nur wohldosiert denken, sagte doch schon der alte Paracelus, dass es die Dosis macht, ob etwas Gift oder kein Gift ist.

Zwei erfahrene New Yorker wollten ohne die Kinkerlitzchen von Aktionskarten spielen. Sie stören nur innerhalb der Lockerungsübungen und geben den mutwilligen Denkern auch noch unnötigen Stoff zur Ablaufverlangsamung. Tonkünstler Moritz hingegen wollte „puristisch“ nach den Regeln spielen und die Aktionskarten auf jeden Fall dabei haben. Er mag es auch nicht, wenn man an seinem „Hämmerklavier“ herumoptimiert und bewusst einzelne Takte weglässt. Das Genie setzte sich durch.

Am Ende gingen die Grundstückskarten nicht auf! Es gab noch zwei Stück in der Auslage ohne passende Bauplätze auf dem Spielbrett! Wer hat hier falsch gespielt? – Wen interessierte das auch schon? – Unser Genie natürlich! Glücklicherweise kann man in „New York 1901“ anhand der gesammelten Grundstückskarten eines Spielers und in Relation zu seinem Immobilienbesitz rekonstruieren, bei wem etwas falsch gelaufen ist. Walter, dem häufiger so ein Unglück passiert, und dem von Elitespielern sogar unterstellt wird, dass das nicht immer ohne Absicht geschieht, war froh, dass nicht er der Schuldige war.

Moritz gewann mit Günthers Siegstrategie als „Bronze-Baron“. Es gehört ein gewisse Selbstbeherrschung dazu, seine bronzenen Basis-Gebäude nicht zu überbauen und für seine höherwertigen Gebäude jeweils neue Bauplätze zu erwerben und zu warten, bis sie groß genug sind. Moritz nahm sich das vor und er schaffte es auch. Die dafür ausgelobte Prämie von 15 Siegpunkten brachte ihm – wie auch letzte Woche unserem Günther – den Sieg.

Aaron, der für das Spiel immerhin 6 gute Punkte vergeben hat, gab kund: „Ich brauche das Spiel kein viertes Mal zu spielen!“

Und noch eine allgemeine Kritik: Die Farbgebung für die Grundstücke in den Karten und auf dem Spielbrett ist äußerst unglücklich: gelb, orange und pink sind im Lichterschein vom Westpark nur schwer voneinander zu unterscheiden. Außerdem sind die gestrichelten Linien auf den Grundstücken absolut kontraproduktiv: sie erschweren ganz klar das Erkennen der Grundstücksgrenzen. Absicht oder nicht: es ist schlecht und unterstützt die Verwechslungsgefahr.

WPG-Wertung: Zum bisherigen WPG-Schnitt von 6 Punkten vergab Horst deren 7 (das Spiel hat einen gewissen Wiederspielreiz. [Er hat das Spiel heute zum ersten Mal gespielt.])

Wir wünschen allen unseren Mitgliedern, Freunden und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Spielejahr!