07.09.2016: Mein Dorf in Karuba

Unser Aaron ist unter die Komparsen gegangen. Heute hatte er den letzten Drehtag für einen süßen, kleinen Reklamefilm. Anstatt sich in Rüdiger Dorns „Karuba“ Wege durch Wald und Flur zu bahnen, führte er reifere Damen auf verschlungenen Waldwegen durch die Niederungen des Memminger Flughafens. „Der Dreh heute dauert länger als geplant. Ich werde vermutlich erst so gegen 20:30 am Westpark sein“ lautete seine Hiobsbotschaft. Das Rest-Trio konnte nur hoffen, dass eine sechsstündige Vorausplanung am Filmset realistisch ist.

1. “Karuba”

Eigentlich wollte Horst gleich zu Beginn ein abendfüllendes „My Village“ auflegen. Von seiner Familie hatte er sich freigeben lassen, und mit seiner Anreise per Drahtesel hatte er sich auch von der vorletzten U-Bahn unabhängig gemacht. Aarons Komparserei machte jetzt einen Strich durch diese Rechnung. Schnelle, lockere Warming-Ups waren angesagt. Da kam „Karuba“ gerade recht.

Bis die Endausscheidung zum „Spiel des Jahres 2016“ hat es dieses leicht zu erklärende und locker ablaufende Spiel gebracht. Bei uns wurde es sogar „Spiel des Monats 2016“. Im Report vom 27.05.2016 habe wir es beschrieben.

40 Minuten soll die Spieldauer sein. Wobei wir am Westpark in der Regel noch 50% drauflegen müssen. In „Karuba“ aber nicht. Einschließlich Vorgeplänkel und Erklärung waren wir in der angegeben Zeit durch. Horst war so begeistert, dass wir mit allseitigem Einverständnis gleich noch einen zweiten Durchgang anfügten.

WPG-Wertung: Zum bisherigen Schnitt von 7,3 vergab Horst 8 Punkte (mit einer Tendenz für 9, „so eine Spannung in einer so kurzen Zeit!“ Er wird es sich umgehend für seine eigene Spielrunde zulegen)

2. “My Village”

Großer Platzbedarf für „My Village“
Großer Platzbedarf für „My Village”, kontemplative Mitspieler

Aaron war noch nicht da, hatte aber auch nichts darüber verlauten lassen, dass seine Dreharbeiten noch länger dauern würden. Volles Risiko bauten wir schon einmal „My Village“ auf; das nimmt ja schon mal zehn Minuten in Anspruch. Als erstes brauchten wir einen Zusatztisch für Getränke und Gummibärchen, die Menge an Landschafts-, Produktions- und Verwaltungskarten, mit denen jeder Spieler in „My Village“ seine eigene Kolchose aufbaut, nimmt eine gewöhnliche Tischfläche voll in Anspruch.

In diesem üppigen Aufbau-Optimierungsspiel erweitern wir pro Zug unseren Betrieb um eine neue Wirtschaftsfläche, oder wir nutzen die vorhandene Produktionskapazität für die Erzeugung von Gütern, Geld oder direkten Siegpunkte.

  • Kornfelder produzieren Geld. Wofür wir das brauchen, das kriegen wir später.
  • Handwerkliche Betriebe produzieren fünf verschiedenen Güter, mit denen wir später Kunden oder Kirche bedienen können.
  • Kundenaufträge listen die Güter auf, für deren Produktion und Ablieferung wir Siegpunkte erhalten.
  • Reisen bildet! Für Reisekarten erhalten wir direkte Siegpunkte, sonst allerdings nichts.
  • Geld- und Güter-Investitionen in den kirchlichen Bereich liefern überproportional wachsende Siegpunkte und weitere kleine Vergünstigungen im dörflichen Leben.
  • Rathäuser generieren Geld, indirekte Siegpunkte oder Joker-Güter.
  • Versammlungsplätze erzeugen W-Potenz. Was das ist, das kriegen wir gleich.

Für jeden der verschiedenen Züge, den wir tun wollen, müssen wir eine vorgeschriebene Zweier-Kombination von Würfeln vorweisen, von zweimal die Eins bis zweimal die Zwölf. Damit kommen wir zum Knackpunkt des Spiels. Pro Zug würfelt der Startspieler elf Würfel aus. Reihum reserviert sich dann jeder Spieler zwei davon aus, mit denen er seinen Zug bestreiten will. Eine hübsche Konstruktion.

Klar ist, dass der Startspieler bei der Würfelauswahl erhebliche Vorteile hat; deswegen darf jeder Spieler auch einen Zug opfern, um in der nächsten Runde selber Startspieler zu werden. Doch dieser Vorteil wird durch eine ganze Reihe von Möglichkeiten entwertet.

  1. Es gibt oft mehrere gute Züge, die man auch noch in verschiedenen Reihenfolgen durchführen kann, so dass man nicht streng von einer einzigen vorgegebenen Kombinationen abhängig ist.
  2. Der letzte Spieler eine Runde kann immer noch aus fünf Würfeln wählen; damit stehen oft genug noch ausreichend viele „natürlich gute“ Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung.
  3. Es gibt auch einen durchaus akzeptablen Zug, nämlich die Bewegung des Oberhauptes, den man mit jeder beliebigen Würfelkombination ausführen darf.
  4. Mit Geld, der Frucht unserer Kornfelder (siehe oben) können wir einzelne Würfel modifizieren, d.h. die Augenzahl um eins nach oben oder unten drehen.
  5. Mit W-Potenz (siehe Versammlungsplätze) können wir gar einen Würfel auf eine frei wählbare Zahl drehen.

Fazit, wenn man bei der Übernahme der Startspielerposition nicht noch weitere Vorteile einheimsen könnte, würde sich dieser Zug nicht lohnen.

Was lohnt sich dann? Das ist die Crux des Spiels. Es lohnt sich zuviel! Zuerst muss man sich natürlich die “richtige” Produktionsmaschine zurechtlegen. Ein bißchen W-Potenz, ein bißchen Geld-Potenz, dann aber eine optimale Anzahl von Produktionsfeldern mit der gleichen Würfelkombination. Mit einer bestimmen Würfel-Kombination darf man nämlich nicht nur ein einziges seiner Felder aktivieren, sondern alle Felder, für die diese Kombination vorgeschrieben ist.

Da steht der Startspieler vor geschlagenen elf Würfeln, von denen er nur zwei braucht, die er aber ggf. noch modizifieren bzw. auf beliebige Werte drehen darf. Er hat eine Menge zu denken. Vor allem am Anfang, wenn er beim Aufbau seiner Maschine noch als dem Vollen schöpfen kann. Jeder Spieler darf dabei auch noch überlegen, ob er mit bestimmten Würfeln, die er für sich reserviert, seinen Mitspieler die Kombinierbarkeit unter den Restwürfeln erschwert. Kurz und gut: es muss gedacht werden. Leider viel zu lange. Eine überschlägige Rechnung zeigt: Wir haben in drei Stunden Spielzeit (ohne Erklärung) das Spiel über die Runden gebracht; dabei war jeder Spieler etwa 20 mal an der Reihe. Alle langen und breiten 9 Minuten durfte ein Spieler also einen Zug ausführen. Ziemlich kontemplativ!

Günther baute sich eine hübsche Handwerkersiedlung, über die er später am laufenden Band (d.h. immer wenn er dran war) Kundenaufträge realisierte. Mit 68 Siegpunkten (Erster) bekam er ein Drittel mehr als Walter (Letzter), der nach ca. 60 Minuten resigniert hatte und mit seinen W-potenten Zügen lediglich Bier braute, neue W-Potenz erzeugte, und sich um Fürbitter bemühte. Dafür war Günthers Vorsprung doch noch recht erträglich.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel dauert doppelt so lang, wie ich diese Art von Spiel ertragen kann), Günther: 6 (kürzer wäre besser), Horst: 7 (die Spieldauer ist für diese Art von Spiel angemessen; wenn ich mit Würfeln optimieren kann, möchte ich dazu Zeit bekommen; ich liebe Würfel-Aufbau-Optimierungsspiele), Walter: 5 (saubere Konstruktion, gute Balance, leider ohne jegliche Interaktion, nicht einmal beim Zugriff auf die Felder gibt es eine nennenswerte Konkurrenz; zu lange Wartezeit; als Solitärspiel würde ich ihm 8 Punkte geben).