Dichtung und Wahrheit in Sankt Petersburg
Jedes gute Brettspiel für uns Sterbliche braucht neben der selbstverständlichen strategischen Grundausrichtung eine unberechenbare Zufallskomponente, die etwas Wirbel in die ewige Besten-Rangliste bringt. Warum? Damit der Sieger mit geschwellter Brust nach Hause ziehen und dort stolz verkünden kann: „I am the Greatest!“ Und damit der Verlierer etwas Balsam auf die Wunden der geschlagenen Schlachten träufeln und sich und die Seinen damit trösten kann: „Heute habe ich Pech gehabt!“
Die Diskussion über die Gründe für die Plazierungen des Abends gehen dann weg von der schwächsten Stelle des Menschen, von seinem Verstand, und richten sich auf die tendenziell sachliche Erörterung von Planbarkeit und Glück in den Mechanismen der Spieles. Und das ist gut so!
In diesem Sinne ein gutes, wohl ausgewogenes Brettspiel ist Sankt Petersburg. Für hartgesottene Strategen wirkt es zunächst etwas brav und determiniert. Dann erkennt man, daß die Abläufe doch komplexer sind, als man es sich ursprünglich vorgestellt hat, und daß die Gründe für Sieg und Niederlage doch nicht so eindeutig feststellbar sind, wie es das auf den ersten Blick durchsichtige Design vermuten läßt. Und dann artikuliert sich ein Sieger mit der Überzeugung: „Ich bin der Beste“, gleichbedeutend mit der Aussage: „Ihr bin der Klügste“ und die Verlierer verteidigen sich mit: „Du hast Glück gehabt“, und meinen damit: „Bilde dir bloß nicht ein, uns intellektuell überlegen zu sein!“
Wie steht es nun diesbezüglich mit Peter und Sankt Petersburg? Vergleiche dazu auch den WPG Spielbericht vom 19.5.2004.
Der Grobablauf in „Sankt Petersburg“ sieht wie folgt aus:
1. Regelmäßig werden Karten unterschiedlicher Bedeutung (Handwerker, Bauwerke, Adelige und „Upgrader“) auf den Markt gebracht.
2. Die Spieler kaufen reihum und ohne „gegnerische Einwirkung“ jeweils eine Karten vom Markt und legen sie öffentlich vor sich aus. Das geht solange, bis alle Spieler passen.
3. Statt Karten zu kaufen, kann man sie auch „bunkern“, d.h. man nimmt sie ohne Bezahlung vom Markt und legt sie in seinen „Bunker“. Bezahlen muß man sie erst, wenn man sie wieder daraus hervorholt und auslegt.
4. Die Spieler sind in ihren Geldmitteln beschränkt. Sie können sich nur eine sehr begrenzte Anzahl von Karten leisten.
5. Genauso viele Karten, wie vom Markt genommen wurden, werden anschließend an neuen Karten wieder auf den Markt gebracht.
6. Karten die zu lange unverkauft auf dem Markt liegen, werden entfernt. Auch dafür werden neue Karten nachgezogen.
7. Der Startspieler für die erste Kaufmöglichkeit wechselt nach jeder Marktphase.
8. Die öffentlich ausliegenden Karten bringen Geldmittel und/oder Siegpunkte ein.
9. Am Ende zählen ausschließlich die Siegpunkte, nicht aber Geldbesitz oder Einnahmen, für den Sieg.
Im vorliegenden Artikel will ich auf Einzelheiten des Spielablaufes in „Sankt Petersburg“ näher eingehen und die grundsätzlichen Mechanismen darlegen, sowie die Einflußmöglichkeiten der Spieler analysieren. Die Aussagen beruhen einerseits auf eigener Spielpraxis, sind aber auch durch umfangreiche Rechnereien und eine Excel-basierte Simulation untermauert. Irrtümer sind nicht ausgeschlossen, Korrekturbeiträge erwünscht! Wer in meiner Darstellung Lücken oder Denkfehler findet, die zu wesentlich verfälschten Ergebnissen führen, ist herzlich eingeladen, die Sankt Petersburger Spielergemeinde auf den rechten Weg zurückzuführen.
Zum Verständnis wird eine gewisse Vertrautheit mit dem Spiel vorausgesetzt, für die man sich das Spiel am besten kauft und ein paar Runden durchspielt. Auch Mathematik kann ich dem Leser nicht ersparen. Über Formeln und Graphiken kann aber jeder hinweglesen, für den die Zeit dafür zu schade ist. Am Ende kommt noch einmal eine verständliche Zusammenfassung der Ergebnisse, die für jeden von Interesse ist, der in Sankt Petersburg gewinnen will.
Bei den angeführten Zahlen und Formeln wird davon ausgegangen, daß Karten und Gold beliebig gestückelt werden können, es gibt also z.B. 0,4 Bauwerke und 0,25 Adelige. In meiner Runde spielen 4 Mitspieler mit. Auf geht’s!
1. Handwerker
Ein paar Thesen und Tatsachen zum üblichen Spielablauf:
1. Das Spielbrett wird zu Beginn mit 8 Handwerker-Karten gefüllt.
2. Alle zur Verfügung stehenden Handwerker werden jeweils sofort gekauft. Jeder Spieler kauft dabei den billigsten zur Verfügung stehenden Handwerker. Am Ende hat jeder Spieler hat jeder 2 Karten in Besitz.
3. Alle gekauften Handwerker werden sofort offengelegt.
4. In den weiteren Runden kommen bedeutend weniger Handwerker auf den Markt, pro Spieler nur etwa 1 Karte.
5. Aber immer werden alle Handwerker-Karten unverzüglich gekauft und offen ausgelegt.
Warum ist das so? Warum soll das so sein?
Handwerker bringen den höchsten Geld-Ertrag ein. Sie haben bei Spielbeginn eine durchschnittliche Rendite von fast 59 %, die im Laufe des Spieles durch Rabatte noch wesentlich gesteigert werden kann. Investitionen in Handwerkern bringen mit Zins und Zinseszinsen wesentlich mehr ein, als Investitionen in Bauwerke, für die man immer nur den regelmäßigen Ertrag in Siegpunkten einsteckt.
Die folgende Rechnung bezieht sich auf ein Grundkapital K0 von 1 Rubel. Es werden folgende Bezeichnungen verwendet:
p = die aktuelle Verzinsung einer Karte. Bei Schäfern beträgt sie z.B. 0,75; bei Handwerkern insgesamt im Durchschnitt 0,589.
s0 = die erzielbare Siegpunkt-Quote für die siegpunkt-starken Karten des Marktes. Bei den Bauwerken insgesamt beträgt sie im Durchschnitt 0,265.
r = Anzahl der Runden, die (nach einer Aktion noch) gespielt werden.
Wenn ich meinen gekauften Handwerker bis zum Schluß arbeiten lasse (sowieso) und die daraus erzielten Zins-und-Zinseszinsen erst im letzten Augenblick mittels Siegpunktkarten in Siegpunkte verwandele, erhalte ich daraus in der ersten Runde mein Startkapital von p Rubeln, das sich noch (r-1) Runden lang verzinst, insgesamt also folgende Siegpunkte:
Wenn ich mein 1 Rubel Kapital dagegen sofort in Bauwerke umsetze und regelmäßig die Siegpunkte dafür kassiere, so erhalte ich r Runden lang je s0 Siegpunkte dafür, insgesamt also:
Der Unterschied der Handwerker-Politik gegenüber einer Bauwerks-Politik schlägt sich demgemäß in folgender Formel nieder:
Dazu kann man auch eine hübsche Kurve malen, um sich anzuschauen, wie die Siegpunkt-Differenz mit steigender Anzahl von Runden immer größer wird. Im Prinzip kommt folgender Kurvenform zustande:
Man sieht, daß bei einer genügen großen Anzahl noch zu spielender Runden der Handwerker jedem Bauwerk überlegen ist. Wenn es aber ans Spielende geht, dann zählen nur noch die Siegpunkte; da darf man keinen Cent mehr auf dem Geldmarkt verschwenden.
Das nächste Diagramm zeigt für jeden Handwerkertyp eine Kurve nach obiger Formel. Hieraus kann man ablesen, bis zu wieviel Runden vor Schluß sich eine solche Karte (gegenüber einer reinen Siegpunkte-Politik) noch lohnt:
Man sieht: Holzfäller lohnen sich immer, Schiffbauer nur dann, wenn noch mindestens 5 Runden zu spielen sind.
Die nachfolgende Tabelle drückt die Erkenntnisse aus obigem Diagramm in Zahlen aus. Es ist aufgezeigt, bis zu wieviel Runden vor Schluß ein Handwerker lukrativ ist:
Handwerkertyp |
Kosten |
Ertrag
|
Zinsrate
|
Kauf bis Runde r
|
Holzfäller |
3,0 |
3 |
1,00 |
1 |
Goldgräber |
4,0 |
3 |
0,75 |
2 |
Schäfer |
5,0 |
3 |
0,60 |
3 |
Pelzjäger |
6,0 |
3 |
0,50 |
4 |
Schiffbauer |
7,0 |
3 |
0,43 |
5 |
Gegen Ende des Spiels ändern sich Zinsverhältnisse. Durch den Rabatt werden die Handwerker billiger, ihre Zinsrate kann über 100 % steigen. Jetzt interessiert die Frage, welchem Rabatt muß man für eine Handwerkerkarte bekommen, bzw. welchen Zinssatz p muß ich erzielen können, damit die Karte auch in den letzten Runden noch lohnenswert ist. In der folgenden Grafik ist festgehalten, wie viele Runden noch mindestens zu spielen sind, damit sich eine Handwerkerkarte vom Markt zu kaufen lohnt. Es ist eine Kurvenschar für verschiedene Werte von p dargestellt.
Man kann darin z.B. ablesen, daß eine Karte mindestens einen Zinsertrag von 0,75 erbringen muß, damit sie sich in der vorletzten Runde noch lohnt. Nachfolgende Tabelle listet auf, welchen Rabatt ein Handwerker benötigt, damit er in den Vorschlußrunden noch attraktiv bleibt. Die Zahl 2 in der Spalte „Rest-Runden“ bedeutet, daß ein Handwerker noch 2 Runden lang Gewinn abwerfen muß, damit er sich in der Endphase des Spieles rentiert.
|
Kein Rabatt |
Rabatt = 1 |
Rabatt = 2 |
Rabatt = 3 |
||||
Handwerkertyp |
Zinsrate
|
Rest-
|
Zinsrate
|
Rest-
|
Zinsrate
|
Rest-
|
Zinsrate
|
Rest-
|
Holzfäller |
1,00 |
1 |
1,50 |
1 |
3,00 |
1 |
3,0 |
1 |
Goldgräber |
0,75 |
2 |
1,00 |
1 |
1,50 |
1 |
3,0 |
1 |
Schäfer |
0,60 |
3 |
0,75 |
2 |
1,00 |
1 |
1,50 |
1 |
Pelzjäger |
0,50 |
4 |
0,60 |
3 |
0,75 |
2 |
1,00 |
1 |
Schiffbauer |
0,43 |
5 |
0,50 |
4 |
0,60 |
3 |
0,75 |
2 |
Man sieht, daß sich Handwerker meist bis zur vorletzten Runde lohnen, insbesondere dann, wenn man sie mit Rabatt kaufen kann. Das beantwortet jetzt die Frage, warum Handwerker in Sankt Petersburg immer weggehen wie warme Semmeln. Erst gegen Ende des Spiels, wenn abzusehen ist, daß die Handwerker nur noch 1-2 Runden ihren Ertrag abwerfen können, bleiben sie liegen. Aber zu diesem Zeitpunkt gibt es sowieso nur noch so wenige auf dem Markt, daß ihre Unverkäuflichkeit kaum mehr auffällt.
2. Bauwerke
Wenden wir uns jetzt den Bauwerken zu. Zunächst wieder ein paar Fakten zum Spiel:
1. Alle Bauwerke haben etwa die gleiche Bedeutung, sie bringen keine Geld-Einnahmen, dafür aber Siegpunkte.
2. Teure Bauwerke haben eine höhere Siegpunkt-Quote, aber in den ersten Runden ist nicht genügend Geld für den Kauf vorhanden.
3. Bauwerke werden immer genügend aufgedeckt oder bleiben aus vorherigen Runden unverkauft liegen.
4. Bauwerke sind zu keiner Zeit Mangelware. (Eine Ausnahme davon ist allenfalls die letzten Runde, wenn alle Spieler ihr überflüssiges Kapitel investieren müssen.)
Wie sieht nun die obige Handwerker-Rechnerei sinngemäß für die Bauwerke aus?
Schauen wir uns erst einmal ihre Wirkung an. Bis auf die Sonderkarten, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, bringen sie einen Ertrag zwischen 0,25 und 0,3 Siegpunkten pro eingesetztem Rubel. Kaufen oder Nicht-Kaufen, das ist hier die Frage. Was sind die Alternativen zum Kauf von Bauwerken?
a) Wir können das Geld sparen und in der nächsten Runde dafür lieber Handwerker erwerben.
b) Wir können Adelige kaufen
c) Wir können Upgrader kaufen
Handwerker haben die bereits erwähnte hohe durchschnittliche Ertragsquote. Dafür wirtschaften sie im Vergleich zu den Bauwerken eine Runde weniger, denn für mein gutes Geld kann ich die Handwerker erst in der nächsten Runde anwerben und arbeiten lassen, die gekauften Bauwerke bringen dagegen sofort Siegpunkte ein.
Kommen wir gleich zur Formel. Wir gehen wieder von einem Grundkapital K0 aus. Wir führen die neue Variable s für die aktuelle Siegpunkt-Quote einer Bauwerke-Karte ein und erhalten die Formel:
In einer Graphik dargestellt ergibt das folgendes Bild:
Das Bild sagt uns nichts Neues. Es gibt nur wieder, daß sich Bauwerke gegenüber den Handwerkerkarten erst in der zweiten Spielhälfte Runden lohnen. Und das gilt unisono für alle Bauwerke. Wir sollten in der ersten Spielhälfte jeweils soviel Geld zurückbehalten, daß wir damit die nächsten uns angebotenen Handwerker sofort kaufen und offen auslegen können.
Aber ist diese Alternative überhaupt das Gegenstück zu den Bauwerken? Nein, ganz klar nein. In der Regel haben wir in der nächsten Runde ohnehin genügend Geld, alle Handwerker zu kaufen, die sich uns anbieten. Das Geld, das wir für Bauwerke NICHT einsetzen, können wir mangels Masse auf dem Markt in Handwerkern gar nicht anlegen; wir müssen zweifellos einen Großteil davon in Adelige und Upgrader investieren. Die wesentliche Frage an diesem Punkt des Spieles lautet darum: In welche Objekte wird am günstigsten investiert. Dazu müssen wir uns erst einmal einen Überblick darüber verschafften, was sich sonst noch alles auf dem Markt abspielt.
3. Adelige
Zunächst wieder ein paar Fakten zum allgemeinen Ablauf:
1. Adeligen sind immer Mangelware. Da wir nicht über genügend Geldmittel verfügen, um alle Bauwerke vom Spielbrett aufzukaufen, blockieren diese die freien Plätze dort. Nach der Startphase kommen jeweils nur etwa 2-4 neue Adelige auf den Markt.
2. In den ersten Runden haben alle Spieler zu wenig Geld, teuren Adel zu kaufen und gleich offenzulegen. Jeder kann sich nur billigen Adel leisten.
3. Alle Adelskarten, die nicht gekauft werden können, werden von allen Spielern umgehend eingebunkert.
4. Für das Bestreben VERSCHIEDENE Adelige zu kaufen gibt es ab der Mitte des Spieles höchstens 1-2 Adelige, die zu diesen Plänen passen. Wenn dann die anderen Mitspieler vor mir am Zug sind, kann ich meist gar keinen einzigen davon ergattern.
Die Adeligen insgesamt bringen einen durchschnittlichen Zins von 0,303 pro Rubel und eine durchschnittliche Siegpunkt-Quote von 0,049 Punkten pro Rubel. Damit können sie in ihren Erträgen weder mit den Handwerkern noch mit den Bauwerken konkurrieren. Wenn es nur um die primären Siegpunkte ginge, könnte man den Adel getrost links liegen lassen.
Das entscheidende Kriterium aber, warum Adelige eine echte Alternative darstellen, ist der Adels-Bonus am Ende des Spieles. Dieser steigt quadratisch mit der Anzahl der erworbenen VERSCHIEDENEN Adeligen. Die Formel dafür lautet:
Wenn ein normal veranlagter Spieler bei Spielende etwa 4 Adelige erworben hat, bekommt er dafür 10 Siegpunkte. Wenn er sie zum Durchschnittspreis gekauft hat, dann haben sie ihn etwa 39 Rubel gekostet und bescheren ihm damit eine Quote von 0,253 Siegpunkten pro investiertem Rubel. Wohlgemerkt, die Quote bezieht sich auf das gesamte Spiel, und nicht auf eine einzelne Runde wie bei den Bauwerken. Die gleiche Summe von 39 Rubel in stinknormale Bauwerke angelegt und 2 Runden lang dafür Siegpunkte kassiert, bringt bereits 39 × 2 × 0,26 = 20,28 Siegpunkte ein. Hinter dieser Zahl kann man die 10 Bonus-Punkte glatt vergessen.
Hat sich ein Adels-geiler Spieler aber 8 Adelige zugelegt hat, so bekommt er dafür 36 Siegpunkte. Zum Durchschnittspreis kosten sie ihn in Summe etwa 79 Rubel. Das entspricht dann einer Siegpunkt-Quote von 0,455 pro Rubel und Spiel. Zusammen mit den Basis-Quoten an Siegpunkten und Ertrag für Adelige, ist das schon ein recht ansehnliches Ergebnis.
Wir müssen uns vor Augen halten, daß der Durchschnittswert für die zu erwerbenden Adelkarten steigt, je mehr verschiedene Adelige ich erstehen will. Ich muß ja alles kaufen was im Angebot liegt, und die billigen Karten werden mir garantiert von meinen mißgünstigen Mitspielern weggeschnappt.
Da die Bürgerlichen aber grundsätzlich nur in den unteren Preiskategorien einsteigen, ist es durchaus noch realistisch, daß ich für alle Adeligen tatsächlich nur den Durchschnittspreis bezahlen muß. Wir berechnen daraus die Adels-Bonus-Quote, das ist die Anzahl an Siegpunkten, die ich pro Rubel erhalte, den ich in den Adel investiert habe:
Anzahl Adelige |
Gesamt-Kosten (Rubel) |
Adels-Bonus (Siegpunkte) |
Adels-Bonus-Quote (Siegpunkte pro Rubel pro Spiel) |
1 |
9,9 |
1 |
0,101 |
2 |
19,8 |
3 |
0,152 |
3 |
29,7 |
6 |
0,202 |
4 |
39,6 |
10 |
0,253 |
5 |
49,4 |
15 |
0,303 |
6 |
59,3 |
21 |
0,354 |
7 |
69,2 |
28 |
0,404 |
8 |
79,1 |
36 |
0,455 |
Um diese Bonus-Quote, die einmal pro Spiel gezahlt wird, mit den Geld- und Siegpunkt-Erträgen zu vergleichen, die bei Bauern und Handwerkern für jede Runde bezahlt werden, wollen wir jetzt einmal alles über einen Kamm scheren und folgendes Modell entwickeln:
Eine Karte bringt pro Runde einen bestimmten Geldbetrag und eine bestimmte Anzahl von Siegpunkten. Den Geldbetrag lege ich zu den Bedingungen des Marktes sofort in ertragsstarke Karten an und wandele sie gegen Ende des Spiel, wiederum zu den Bedingungen des Marktes, in Siegpunkte. Bei Adelskarten addiere ich die Bonus-Punkte hinzu. Dann normiere ich das Ganze, indem ich es durch die Summe der investierten Rubel und durch die gespielte Rundenzahl dividiere. Die folgende Formel drückt diese Überlegungen aus; sie zeigt die Ertragskraft einer Karte eines bestimmten Types pro Runde und pro investiertem Rubel:
Nach den bisherigen Ermittlungen haben wir für die aufgeführten Variablen folgende Zahlenwerte einzusetzen (die sich auch nach der Untersuchung der weiteren Karten nicht wesentlich ändern werden):
s0 |
Siegpunkt-Quote des Marktes: |
0,250 |
s |
Durchschnittliche Siegpunkt-Quote eines Kartentyps: |
|
|
s Handwerker |
0 |
|
s Bauwerke |
0,265 |
|
s Adelige |
0,049 |
p0 |
Geldertrags-Quote des Marktes |
0,60 |
b |
Bonus-Quote für den Adel, abängig von der Anzahl erworbener Adeliger |
siehe Tabelle oben |
r |
noch zu spielende Rundenzahl |
variabel |
Zeichnen wir jetzt die dazugehörigen Kurven für die Ertragskraft von Handwerkern, Bauwerken und Adeligen (letztere werden noch über die Gesamtzahl aller erworbenen Exemplare unterschieden), so erhalten wir daraus folgendes Diagramm:
Was können wir daraus entnehmen?
1. Durchschnittliche Handwerker lohnen sich nur, wenn man sie frühzeitig, d.h. mindestens 5 Runden vor Schluß erwirbt, (das wußten wir schon).
2. Bauwerke haben eine konstante Ertragskraft (das ist trivial). Ihr Wert liegt höher als der von 4 durchschnittlichen Adeligen.
3. Adelige lohnen sich erst dann, wenn man mindestens 5 verschiedene davon erwirbt.
4. ERTRAGSSTARKE Adelige lohnen sich auch in den ersten Runden. Hier übersteigt ihre per Zins erzielbare Ertragskraft leicht die konstante Quote der Bauwerke.
Die Schlußfolgerung 4 beantwortet auch die Frage: „In welcher Reihenfolge soll ich mir Adelige aussuchen, wenn mehrere zur Verfügung stehen.“ In den ersten 2-3 Runden spielt der Geld-Ertrag die größte Rolle. Je höher der Ertrag, desto besser. In der späteren Spielphase wird diese Entscheidung ausschließlich durch die aktuellen Karten in meinem Besitz und in dem meiner Mitspieler bestimmt. Betreibe ich Adelspolitik, muß ich mir (irgend)einen der ganz wenigen passenden Adeligen vom Markt aussuchen. Stehe ich auf Bauwerke, so muß ich versuchen, einem adligen Konkurrenten den besten oder gar einzigen Brocken wegzuschnappen. Eine generelle Antwort dazu kann ich hier nicht geben.
Ob die erwähnten 5 Adeligen aus Schlußfolgerung 3 aber schon zum Sieg reichen, ist natürlich nicht gewährleistet. Glückliche Erwerbungen bei lukrativen Handwerken und gekonntes Umsetzen in Siegpunkt-Karten können die Basislinie schnell um ein paar Hundertstel nach oben schieben. Als Anhaltspunkt für eine erfolgreiche Adelspolitik ist diese Zahl auf jeden Fall aber gut zu gebrauchen.
Dagegen ist keineswegs sichergestellt, daß ich die erstrebte Anzahl überhaupt erwerben kann. Das hängt von zwei Randbedingungen ab:
1. Wird die erstrebte Anzahl von Adelige insgesamt angeboten?
2. Kommen überhaupt genügend VERSCHIEDENE Adelige auf den Markt?
Die Antwort zur Frage 1 bestimmen sehr stark meine Mitspieler durch ihr Kaufverhalten. In der Regel kann man hier ein sicheres „Nein“ anbringen. Meine Mitspieler werden mit Vorliebe alle Adeligen aufkaufen, die mir viele Punkte einbringen können. Durch „taktisches Kaufen“, d.h. durch gewolltes Erwerben von zusätzlichen (ansonsten bedeutungslosen) Karten vom Markt, bevor die neuen Adeligen ausgelegt werden, kann ich allerdings die Anzahl neu-ausgelegter Adelskarten erhöhen und damit die Erfolgeschancen meiner Adelspolitik verbessern.
Weiterhin gibt es unter den Bauwerken eine Karte, die „Sternwarte“, mit der ich mir verdeckt aus einem beliebigen Stapel (Handwerker, Bauwerke, Adel, Upgrader) eine Karte ziehen und bei Gefallen erwerben kann. Wenn ich diese Karte konsequent auf den Stapel mit den Adelskarten anwende, kann ich damit die Gesamtzahl von Adeligen, die ich erweben kann, mit großer Wahrscheinlichkeit in die notwendige Größenordnung bringen. Ich behaupte sogar (ohne Beweis), daß diese Karte für eine erfolgreiche Adelspolitik unerläßlich ist.
Die Antwort zur Frage 2 ist abhängig von zufälligen Streuungen beim Aufdecken von Karten und ebenfalls von den Ambitionen meiner Mitspieler. Durch das Spielelement Upgrader kann ich hier aber der Mißgunst von Schicksal und Konkurrenz ein gutes Stück entgegenwirken. Damit kommen wir zur letzten Karten-Kategorie.
4. Upgrader
Bei den Upgradern muß man zwischen den 3 verschiedenen Typen unterscheiden, auf die sie angewendet werden.
a) Handwerker-Upgrader
Sie haben ausschließlich die Wirkung, Geldquoten oder Siegpunkt-Quoten unter den Handwerkern zu verschieben. Es gelten die bereits bekannten Formeln, die besagen, mit ab welcher Runde und bei welchem Zinssatz vom Geld auf Siegpunkte umgestiegen werden sollte. Das zugehörige Diagramm sieht wie folgt aus:
Ohne große Überraschung können wir feststellen, daß sich die Kürschnerei mit ihrer Siegpunkt-Quote von 0,5 bis zur letzte Runde (einschließlich) lohnt. Die geld-orientierten Gewerbe wie Schreinerei und Goldschmiede muß man bis spätestens 3 bzw. 5 Runden vor Schluß erworben haben. Danach sollte man besser die Finger davon lassen.
b) Bauwerke-Upgrader
Eine analoge Betrachtung ergibt sich bei den Bauwerken. Hier besitzt man zusätzlich noch die Freiheit, das Basis-Objekt, gegen das man aufrüstet, unter allen erworbenen Bauwerken aussuchen zu können.
Im Endergebnis der Analyse sollte eine Matrix zustande kommen, in der für jede Bauwerke-Upgrader-Karte gegenüber jeder Bauwerke-Basiskarte die Anzahl von Rest-Runden angegeben wird, bis zu der sich ein Upgrade noch lohnt. Als Norm-Alternative zum Upgrade bietet sich eine Investition in Standard-Bauwerken an. Ich habe mir diese Fleißarbeit erspart. Für viele Kartenpaare ist diese Aussage direkt offensichtlich.
Es ist klar, daß die ertragsstarken, aber siegpunkt-schwachen Upgrader wie Mariinskij-Theater, Bank und Hafen am Ende total abfallen und Defizite produzieren. Ein Austausch lohnt höchstenfalls in den ersten 3 Runden. Bei den andern Upgradern fallen noch die siegpunkt-starken Karten wie die beiden Paläste und die Erlöserkirche auf. Sie bringen bis zum Spielende leichte Vorteile mit sich. Eine nennenswerte Verbesserung der Siegpunkt-Bilanz ist mit ihnen aber keineswegs verbunden. Das folgende Diagramm zeigt die Gesamt-Bilanz der Bauwerke-Upgrader gegenüber einem Bauwerke-Durchschnitt:
Es bleibt die Erkenntnis, daß Bauwerke-Upgrader kleine besonders lukrativen Investition darstellen. Damit wird auch meine obige Behauptung untermauert, daß die Ertragskraft der siegpunkt-starken Karten sich im Laufe des Spieles nicht wesentlich ändert.
c) Adels-Upgrader
Beim Adel kann ich wie bei den Bauwerken eine beliebige offen ausliegende Adelskarte durch einen Upgrader ersetzen. Wie auch bei den Bauwerken gibt es ertragsstarke Upgrader, die unbedingt in den ersten 3-4 Runden aufgedeckt werden müssen, damit sie sich überhaupt lohnen. Dies sind vor allem der Heroldmeister und der Baumeister. Die übrigen haben lediglich einen minmalen Einfluß auf die Siegpunkt-Quote und verschieben sie um einige Bruchteile nach oben oder unten. Das folgende Diagramm zeigt die Gesamt-Effekte der Adels-Upgrader gegenüber einem Durchschnitts-Adeligen:
Bemerkenswert an diesen Kurven ist, daß sie bei 4 Runden vor Schluß alle im Minus liegen, d.h. der Upgrade eines Adeligen bringt an Siegpunkten letztendlich weniger ein, als wenn ich die gleiche Summe in Bauwerke investiere. Warum sollte ich dann überhaupt einen Upgrader ausspielen?
Es gibt drei wichtige Gründe dafür:
1. Ich kann Geld investieren, das sonst vielleicht nutzlos herumliegen würde. In der Schlußabrechung geht es ja nicht um die Quoten, sondern um die Absolutwerte der Punkte. Lieber ein schlechter Upgrader als überhaupt keinen Punkt.
2. Durch den Upgrade einer Adelskategorie, von der ich zwei Karten habe, und die beim Adels-Bonus nur einmal gezählt würde, kann ich daraus zwei verschiedene Adelige machen und dadurch beim Adels-Bonus ganz erheblich dazugewinnen. Deswegen kann ich es mir mit einer Adelspolitik auch leisten, einige Adelige gleichen Typs zu kaufen. Ich muß die berechtigte Hoffnung haben, einen davon am Spielende durch Upgrader zu einem für den Adels-Bonus zählenden verschiedenen Adeligen zu machen.
3. Taktische Kaufen: Durch Kaufen von Karten des Marktes kann ich freie Plätze auf dem Spielbrett schaffen, auf die in der nächsten Phase neue Karten gelegt werden können. Besonders als Startspieler kann ich mir dadurch eine größere Auswahl verschaffen. Und als Spieler weiter hinten in der Reihenfolge kann ich dafür sorgen, daß auch für mich eine Karte des neuen Typs zum Kauf übrig bleibt. Diese Überlegungen sind ein wichtiges taktisches Element in Sankt Petersburg und bringen eine gehörige Portion Interaktion mit sich.
d) Gesamtschau der Upgrader
In der Upgrader-Analyse bleibt jetzt noch die Frage offen „Falls mehrere Upgrader aus dem Markt angeboten sind, und ich für keinen eine natürliche Neigung entwickelt habe, welchen soll ich dann kaufen, wenn ich mein Geld unbedingt investieren will.“ Die Antwort ist natürlich abhängig von den Runden, die noch gespielt werden müssen. Das Modell dazu sieht wie folgt aus:
Ich führe einen Ugrade durch und bekomme dadurch regelmäßig neue Siegpunkte und einen neuen Zinsertrag. Das gewonnene Geld lege ich umgehend wieder auf dem Markt in siegpunkt-starken Karten an. Als Verlust muß ich das abbuchen, was mir die ausgetauschte Karte eingebracht hätte. Weiterhin kostet das Upgraden Geld, das ich sonst anderweitig hätte anlegen können. Ergebnis dieser Abläufe ist eine Formel, die die relative Ertragskraft einer Upgrader-Karte ausdrückt:
Hierbei bedeuten:
S = Anzahl der Siegpunkte, die mein Upgrader pro Runde einbringt.
Sv = Anzahl der Siegpunkte für die Karte, gegen die ich ihn austausche (=Vorgänger)
K = Preis meines Upgraders (brutto)
Kv = Ursprungspreis der Vorgänger-Karte
E = Geldbetrag, den mein Upgrader pro Runde einbringt.
Ev = Geldbetrag, den der Vorgänger pro Runde eingebracht hat.
s0 = Siegpunkt-Quote, mit der ich all mein Kapital kurz vor Spielende in Siegpunkte verwandeln kann.
p0 = Standard-Zinssatz des Marktes, mit dem ich mein Geld investieren kann.
r = Anzahl von Runden, die noch gespielt werden.
Für jeden Upgrader berechnen wir jetzt die zugehörigen Parameter für ihn und für seine passenden Vorgänger. Für Bauwerke und Adel wird dabei der Durchschnitt aller Basis-Karten, die für den jeweiligen Upgrade möglich sind, herangezogen. Wir setzen die Werte in obige Formel für die Ertragskragt ein und erhalten eine schöne Kurve über seinen wechselnden Nutzeffekt im Laufe des Spiels. Das nachfolgende Diagramm enthält alle diese Kurven für alle Upgrader. Ich gestehe, das Bild wirkt ein bißchen unübersichtlich. Schließlich wollten aber 25 verschiedene Upgrader-Karten darin berücksichtigt werden.
Wer mit dieser Graphik nicht zurecht kommt und lieber genaueres Zahlenmaterial gesehen hätte, der möge sich bitte schriftlich an mich (WPG) wenden. Ich werde ihm dann die Zahlenkolonnen schicken, aus denen Excel diese Kurven gezeichnet hat.
Verlassen wir jetzt die Kartenanalyse und schauen wir uns an, was an taktischen Elementen in Sankt Petersburg noch übrig bleibt. Ein Punkt wurde schon häufiger angesprochen, jetzt will ich meine Erkenntnisse dazu noch mal zusammenfassen: die Startspieler.
5. Vorteile der Startspieler
Der Startspieler bei den Handwerkern hat keinen nennenswerten Vorteil. Er kann sich beim Kaufen von Handwerker-Karten gegenüber den Mitspielern bestenfalls 3 Rubel sparen. Dieser minimale Preisvorteil gleicht sich in den nächsten Runden sofort wieder aus. Er ist kein Grund, auf dem Markt besonders tätig zu werden. (Es sei denn, man wäre in der Zugreihenfolge Letzter und bekäme in der nächsten Phase u.U.. überhaupt keinen Handwerker angeboten. Diese Situation sollte man in den ersten beiden Runden vermeiden und dann lieber doch noch eine Karte vom Markt nehmen.)
Der Startspieler in der Bauwerke-Phase hat ebenfalls keinen nennenswerten Vorteil. Die Bauwerke unterscheiden sich kaum voneinander und normalerweise gibt es immer genügend davon auf dem Spielbrett. Meist sogar auf der zweiten Stufe, wo sie noch um einen Rubel billiger zu haben sind. Ich würde für ein Bauwerk unter keinen Umständen taktisches Kaufen einsetzen.
Der Startspieler in der Adeligen-Phase hat dagegen einen ganz erheblichen Vorteil vor seinen Mitspielern. Hier ist in der Regel die Auswahl geeigneter Karten auf dem Markt sehr gering und gerade bei fortgeschrittenem Spiel passen zu einer Adelspolitik immer weniger der ausgelegten neuen Karten. Manchmal nur eine einzige davon. Nur der Startspieler kann seine Bedürfnisse damit befriedigen – selbst der nicht immer. Dies spitzt sich besonders in der letzten Runde zu. Eine einzige Karte kann da schon mal 6 oder 7 Siegpunkte wert sein.
Wenn ich dagegen keine Adelspolitik betreibe, dann kann ich diese Startspieler-Position nicht zu meinem Vorteil einsetzen, aber wenigstens zum Schaden meiner Konkurrenten. Gerade in der Schlußphase muß ich ausrechnen, welcher Mitspieler von einer neuen Karte am meisten profitieren könnte. Diese muß ich dann – sofern ich keine eigenen lukrativen Alternativen verfolgen kann – unbedingt an mich nehmen. Das kann zwar einen Kingmaker-Effekt nach sich ziehen, aber damit müssen wir in Sankt Petersburg leben. (Ich würde dies dem phantastisch gut ausbalancierten Spiel insgesamt auch nicht negativ anrechnen.)
Der Startspieler bei den Upgradern ist in einer ähnlichen Position wie der bei den Adeligen. Besonders wichtig ist es, wenn man doppelte Adlige im Blatt hat, für die man unbedingt einen Austausch braucht. Bei erfolgreichem Austausch kann man sein Punktekonto schnell noch mal um 7 Punkte nach oben heben. Und das meist sogar fast kostenlos, da beim Upgraden ja nur die Differnz gezahlt werden muß. Als Nicht-Adeliger Startspieler muß man versuchen, seiner adeligen Konkurrenz gerade dieses Geschäft zu vermasseln.
6. Der Markt in Sankt Petersburg
Ich habe bisher eine ganze Reihe von Aussagen zur Marktlage in Sankt Petersburg getroffen, ohne sie im einzelnen durch Analysen gestützt zu haben. Dazu zählen:
1. Nach der Einschwungphase kommen pro Runde nur etwas 1 Handwerker pro Spieler auf den Markt.
2. Es gibt immer genügend Bauwerke auf dem Markt.
3. Es gibt immer zu wenig Adelige und Upgrader auf dem Markt.
4. Ein Spiel führt in der Regel über 7 Runden
Voraussetzung für diese Abläufe ist natürlich, daß sich alle Spieler „vernünftig“, d.h. marktgerecht verhalten. Dazu zählt:
1. Jeder kauft alle angebotenen Handwerker-Karten
2. Jeder kauft Bauwerke-Karten, solange seine Geldmittel ausreichen.
3. Die Spieler verfolgen unterschiedliche Adels-Strategien. Der eine kauft alles, was auf dem Markt ist, der andere läßt alles links liegen.
4. Jeder bunkert ein paar Karten, wenn er dafür gerade nicht genug Geld hat.
Wenn man dieses „vernünftige“ Verhalten in Abrede stellen will, kann in Sankt Petersburg jede beliebige andere Marktsituation auftreten. Wenn z.B. kein einziger Spieler jemals eine Karte kauft, dann ist das Spiel nach 7 Runden zu Ende, weil alle Handwerker-Karten vom Spielbrett verworfen wurden; keine andere Karte war jeweils auf dem Markt. Solche Verhaltensweisen sind natürlich absurd und wir brauchen darauf nicht Rücksicht zu nehmen. Wer hier gegen den (unsinnigen) Strom schwimmt, wird sowieso Sieger.
Gehen wir also zurück zu verschiedenen Ausprägungen „vernüntigen“ Verhaltens. Wenn in den ersten Runden alle Handwerker-Karten gekauft werden, dann kommen jeweils gleich viele neue Bauwerke-Karten auf den Markt, also 8 Stück. Da alle Spieler zusammen mit der Summe ihrer Geldmittel nicht alle Bauwerke bezahlen oder in ihren Bunker bringen können, ist es unvermeidlich, daß ein paar Bauwerke auf dem Spielplan liegen bleiben. Diese nicht verkauften Bauwerke blockieren die Anzahl der nachzuziehende Adeligen und im gleichen Maße die Anzahl der nachzuziehenden Upgrader. Entsprechend weniger Handwerker werden in der nächsten Runde aufgedeckt.
In ein Simulationsmodell eingetragen, führt das „vernünftige“ Kaufverhalten etwa zu folgendem Marktverlauf:
Man sieht: Handwerker und Bauwerke pendeln sich auf 3 bis 5 neue Karten pro Runde ein. Der Zugang beim Adel sinkt schnell auf Werte unter 3 und von den Upgradern kommen in der zweiten Spielhälfte überhaupt keine nennenswerten Zahlen auf den Markt. Der Bunker ist nach der 3. Runde bereits voll und wird erst am Ende wieder geleert.
Die übrig bleibenden Karten im Stapel zeigen folgenden Verlauf: Bis auf die Upgrader gehen alle Kartentypen gleichmäßig zu Ende, nach der 7. Runde ist Spielschluß.
Wird dagegen von der strategischen Kaufeinstellung her bei den Bauwerken Zurückhaltung geübt, dann kommt pro Runde eine gleichmäßige Anzahl von Bauwerken, Adeligen und Upgradern ins Spiel. Zudem verfügt jeder über genügend Geld, alle angebotenen Karten sofort zu kaufen und offenzulegen. Der Bunker wird deutlich weniger gefüllt. Dieser Marktverlauf wird im folgenden Diagramm wiedergegeben.
Die Anzahl der Restkarten im Stapel sinkt für alle Kartentypen gleichmäßig herab. Von der Bauwerken wurde einige verworfen, so daß diese Kartenart am schnellsten zu Ende geht. Das Spiel ist nach der 6. Runde beendet. Zurückhaltung beim Bauwerken ist demnach eine brauchbare Methode, die Anzahl von Spielrunden zu verkürzen.
Nach dieser ausführlichen Analyse der Spielmechanismen jetzt eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu Spieltips im Klartext:
Spieltips zu St. Petersburg
1. Kaufe (zumindest in den ersten 5 Runden) jeden Handwerker, den du kriegen kannst.
2. Lege alle gekauften Handwerkerkarten sofort offen.
3. Spare in den ersten 4 Runden soviel Geld ein, daß du in der nächsten Handwerkerrunde die dir zustehende Karte kaufen und sofort offenlegen kannst.
4. In der letzten beiden Runde lohnen sich Handwerkerkarten nur noch, wenn sie pro Runde gleich oder mehr Geld einbringen, als sie kosten.
5. Ansonsten: Keep fully invested. Lege all dein Geld an und decke alle Karten auf, die du dir leisten kannst.
6. Gegen Spielende gehen die verfügbaren Karten für Bauwerke und Adelige aus. Achte darauf, daß du dein Geld rechtzeitig in diese Karten investierst, damit es am Ende nicht ersatzlos verfällt.
7. Wenn du Bauwerke kaufen willst, kaufe das teuerste Gebäude, das du dir leisten kannst. Die Rendite pro Gebäude steigt mit dem Preis.
8. Taktisches Kaufen (Kaufen oder Bunkern von zusätzlichen Karten, nur damit in der nächsten Markt-Phase mehr Karten aufgedeckt werden) lohnt sich nur für den Startspieler, der Adelspolitik betreibt und nur dann, wenn gerade Adeligen- resp. Upgrader auf den Markt kommen sollen.
9. Taktisches Kaufen lohnt sich bedeutend weniger für die nachfolgenden Spieler. Um die eigenen Kauf-Chancen zu erhöhen, müssen sie notwendigerweise die Auswahlmöglichkeiten aller Spieler vor ihnen verbessern.
10. Wenn du in der Zugreihenfolge am Ende stehst, überlege dir, ob es sich nicht lohnt, statt vom Markt lieber von deinem Bunker zu kaufen. Dann hast du später wieder mehr Luft für taktischen Kaufen, wenn du Startspieler geworden bist.
11. Es gibt eine Geld-Taktik und eine Punkte-Taktik. Geld-Taktik bestimmt den Anfang, am Ende muß du auf die Punkte-Taktik umgeschwenkt sein. Der richtige Zeitpunkt für den Umstieg liegt nach der dritten Runde.
12.
Es gibt eine
Bauwerke-Strategie und eine Adels-Strategie.
Definition: Bei einer Adels-Strategie kaufst du möglichst viele, verschiedene Adelige
ein. Du versuchst auch, durch taktisches Kaufen das Adelsangebot zu vergrößern. Bei jeder
Gelegenheit (z.B. mittels Sonderkarten) versuchst du, deinen Adeligen-Besitz zu
erweitern. Du kannst auch Adelige gleichen Typs kaufen. Aber du mußt rechtzeitig dafür
sorgen, daß du entsprechend viele Adels-Upgrader bekommst, um die doppelten Adeligen in
verschiedene umzuwandeln.
Bei einer BauwerkeStrategie kümmerst du dich nicht besonders um Adelskarten. Du
investierst lieber in siegpunkt-starke Karten. Adelskarten kaufst du nur, wenn du
überflüssiges Geld investieren muß. Dann kaufst du die billigsten und beliebig viele
gleiche Adelige. Eine Ausnahme davon gibt es nur, wenn du zufälig mal einem adligen
Mitspieler eine gute Karte vor der Nase wegschnappen kannst.
13. Die Bauwerke-Strategie funktioniert immer. Es gibt immer genügend Bauwerke auf dem Markt. Du bist nicht davon abhängig, daß bestimmte Bauwerke in bestimmen Runden aufgedeckt werden.
14. Die Adels-Strategie funktioniert nur, wenn
· du in der Zugreihenfolge richtig liegst.
· du frühzeitig die „Sternwarte“ erwerben kannst.
· deine Mitspieler dir nicht zuviel Konkurrenz machen.
· zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Adeligen und Upgrader aufgedeckt werden. (Das ist absolut zufallsabhängig.)
· du in der LETZTEN Runde für den Kauf Adeliger / Upgrader eine günstige Start-Position hast.
15. Entsprechend bist du bei einer Adels-Strategie viel deutlicher vom Glück und von deinen Mitspielern abhängig. Wenn dir das Schicksal nicht gewogen ist, scheitert diese Taktik
16. Jedes Spiel dauert etwa 7 Runden. Durch gezieltes Kaufen oder Nicht-Kaufen kann man das Spiel um maximal 1 Runde verlängern oder verkürzen.
17. Achte bereits beim Start darauf, in welcher Startposition du in der voraussichtlich letzten Runde sein wirst und versuche das Spiel entsprechend zu verlangsamen oder zu beschleunigen, damit du in der Endphase diesbezüglich richtig liegst.
18. Als Bauwerker versuche in der letzten Runde, den Adeligen den goldenen Fisch von der Angel zu holen. Als Adeliger bete darum, daß zum Schluß noch ein ordentlicher Brocken auf den Markt kommt, der dein Siegpunkt-Konto fast kostenlos nach oben schnellen läßt.
19. Die „Sternwarte“ ist für eine erfolgreiche Adels-Strategie unabdingbar. Dabei muß du diese Karte unbedingt in den ersten beiden Runden erwerben können. Bekommst du sie in diesen Runden nicht, dann verzichte auf den Adel.
20. Wenn du die Sternwarte erworben hast, dann suche dir konsequent Adelige aus. Hast du bereits – mehr oder weniger freiwillig – mehrere gleiche Adelige ohne eine passende Anzahl von Upgradern, dann greife mit der Sternwarte konsequent nach den Upgradern.
21. Lege alle mit der Sternwarte gezogenen Adels-Karten zunächst in deinen Bunker. Kaufe für dein Geld lieber offen ausliegende Karten. Deine Mitspieler können schlechter gegen dich operieren, wenn sie nicht wissen, welche Adeligen du auf der Hand hast.
22. Jede der beiden Strategie KANN zum Erfolg führen. Halte aber stets alle Möglichkeiten als Alternativen offen und bewerte, ob die zufällig gezogenen neuen Karten dir eine davon nahelegen.
Nach all diesen vielen Worten kommen wir zurück zur Ausgangsituation. Zeigt ein Sieg in Sankt Petersburg, daß man ein kluger Kopf ist, klüger als alle anderen? Auch wenn man nicht alle hier aufgeführten Zahlen und Kurven im Kopf behalten kann, die großen Linien der kommenden Entwicklung muß man kennen und entsprechend handeln, um zu gewinnen. Wer hier nicht aufpaßt, kann seine Sieges-Chancen mit einem einzigen Fehler zu Grabe tragen. Und wer sich durchsetzt, hat garantiert keinen, oder zumindest die wenigsten Fehler gemacht. Das beweist doch Verstand!
Es gehört aber auch eine gute Portion Glück dazu. Welche Karten werden mir angeboten, wenn ich Startspieler bin? Gerade die Adels-Strategie ist davon abhängig. Ich muß diese Strategie zwar nicht einschlagen, aber sie ist zweifellos erfolgreich, wenn das Glück es gut, oder wenigstens durchschnittlich mit mir meint. Ja, wenn …
Im Übrigen bin ich der Meinung, daß Peter ein Spitzen-Petersburger ist.