Wie immer bin ich in Essen auf der Suche nach Spielen, die es in unseren Münchener Spieleläden nie geben wird, ganz im Gegensatz zu den großen deutschen Neuerscheinungen, die einem dann in jedem Obletter um die Ohren gehauen werden. Und natürlich interessiert mich besonders alles, was mit SF, Fantasy, oder Horror zu tun hat. Hier also mein kleiner persönlicher Bericht...
Leider konnte ich nur einen einzigen Tag auf der Messe verbringen, und das war ausgerechnet noch der Sonntag, der schlimmste Tag bei dem schon alles ausverkauft ist, und sich Massen von LARP'ern und kreischende Kinder durch die Hallen drängen. Da mein Zug auch noch Verspätung hatte, verlor ich noch gut eine halbe Stunde, also versuchte ich erst mal im Schnelldurchgang einen Eindruck zu bekommen. Natürlich führte mich mein Weg sogleich in Halle 6 (wo die meisten ausländischen Spiele präsentiert werden, und sich vor allem die Fantasy Fans aufhalten), um mein alljährliches Ritual zu beginnen: Die Suche nach dem Spiel "7 Ages" der australischen Firma ADG, eine Art "Advanced History of the World" mit riesigem Spielplan und tollen Regeln, das schon seit Jahrzehnten angekündigt wird, aber nie erscheint. Diesmal waren noch nicht einmal die ADG'ler selber da, sie ließen sich von ein paar Kosimfreaks vertreten, die dann auch fröhlich verkündeten, das Spiel erscheine "ganz bestimmt" nächstes Jahr (so wie auch schon die letzten 20 Jahre- nun gut, ich übertreibe). Nachdem dieser wichtige rituelle Teil also über die Bühne gebracht war, hatte ich den Kopf frei für anderes, und konnte mich in Ruhe umsehen. Alte Bekannte wie "Kenzer & Company" ("Dwarven Dig" war schon ausverkauft, aber gut, es soll nicht spitzenmäßig sein...) und die Jungs von "Quest for the Dragonlords" waren natürlich wieder da. Letzte präsentierten stolz ihr neues Expansion-Set für "Quest for the...", und siehe da, da sind auch die "Westparkgamers" verewigt, als Spieltester!
Robert Johannesen (Spieldesigner) war über unsere detaillierten Spieleberichte immer noch so begeistert, dass er mich sofort zum Essen einlud, und dabei gleich so nebenbei fragte, ob ich nicht Lust hätte, einige Tausend Spiele für ihn zu lagern und in Deutschland zu vertreiben. Es könnte ja sein, dass ich Lust hätte, mich "beruflich zu verändern". Nun, vielleicht ein anderes Mal, lieber Robert ;-)
Aber im Ernst, ich freute mich zu hören, daß "Quest for the Dragonlords" so ein riesiger Erfolg ist, denn hier handelt es sich nicht um eine große anonyme Firma, sondern um ein echtes Freakprojekt, in das viel Liebe und privater Schweiß hinein geflossen ist. Tatsächlich war der Stand der "Dragonlords" geradezu umlagert von Fans, die Expansion-Set wie Basis-Spiel in Mengen kauften, und das nur wegen des positiven "Word of Mouth". Ich hatte Glück, überhaupt noch ein Spiel zu bekommen!
Insgesamt war ohnehin zu beobachten, dass nach den 2 letzten eher mageren Jahren wieder ein deutlicher Auftrieb im Spielgeschäft zu beobachten war, was mir auch alle Aussteller, mit denen ich sprach, bestätigten. Dieser Erfolg hängt natürlich auch mit vielen neuen innovativen Spielkonzepten zusammen, die sich erfolgreich vermarkten lassen, aber nicht notwendigerweise Sammelkartenspiele sind. Zwar dominierten letztere immer noch das Geschehen, vor allem "Yu-Gi-Oh" (das neue Pokémon) und "Lord of the Rings", weniger war dagegen vom Genre-Veteranen "Magic-The Gathering" zu sehen (und auch deutlich weniger Einzelhändler, die Karten zum Tausch anboten). "Lord of the Rings" allein hat wohl der Spielebranche zu dem jetzt spürbaren Aufwind verholfen, denn sicherlich sind viele über die Filme überhaupt erst in das Hobby eingestiegen.
Gestiegen war auch die Zahl der "Verramscher" - an einem Stand wurde das zugegebenermaßen üble Sammelkartenspiel "Star Trek - TOS" sogar zum Preis von 2,-EUR pro Boosterschachtel angeboten (also zu ca. 2% des alten Preises). Manche etwas älteren Spiele waren sogar überhaupt nicht mehr existent, noch nicht einmal bei den Sammlern und Privatverkäufern!
Am interessantesten unter den neuen Sammelkartenspielen wirkte das Spiel "Cnihee", das sich auf den zweiten Blick als ein extrem textlich überdesigntes "Behind" (fishtank games) entpuppte (falsch rum von mir gelesen).
Die "andere" Sammelszene dominieren dagegen momentan eindeutig die "Wiz-Kids" mit ihren inzwischen 4 Sammelfigurenreihen "Mage Knight", "HeroClix" etc., aber diese Spielidee bekommt auch Konkurrenz vom "Lord of the Rings Collectable Miniatures Game" und dem neuen "Dungeons & Dragons Collectable Miniatures Game", die beide allerdings noch eher bescheiden auftraten. Von ersterem ließ ich mir ein paar Packungen aufschwätzen, leider sehen die Figuren toll aus!
Das groß gehypte "Shadowrun"-Figurenspiel war dagegen nur mit der Lupe zu finden (obwohl die Figuren riesig sind).
Tiefpunkt des Sammelwahns war irgendein doofes Spiel mit Plastikschlüsseln, die man ineinander schraubt, und dann ist einer der Schlüssel kaputt. Den Namen habe ich Gott sei Dank vergessen.
Zu bemerken war weiterhin der Vormarsch der "LARP"er, also der Live-Rollenspieler, selten sah ich so viele Plastikschwerter und selbst gemachte Kettenhemden wie diesmal! Irgendwann wird ganz Deutschland nur noch damit beschäftigt sein, Fantasywelten zu "leben", das ist sicher. Ich hab das ja früher auch gemacht, aber irgendwann ist man zu alt dafür.
Was gab es nun spielerisch zu entdecken? Am meisten fiel "Rückkehr der Helden" von "Pegasus Press" auf, eine Art Versuch, ein neues "Talisman" zu kreieren. Auf einem modularen Board versuchen Spieler Abenteuer zu bestehen und Unholde zu besiegen, mit dem Ziel, so stark zu werden, dass die "Namenlosen" besiegt werden können, die den Spielsieg bringen. Das ganze klingt bekannt, ist aber hier wohl mit Liebe umgesetzt worden, und sieht gut aus, Erinnerungen an "Magic Realm" werden wach (obwohl das Spiel sicher nicht so kompliziert ist ist, und sich eher an ein junges Publikum wendet). Auf der Messe schien es sich gut zu verkaufen (es gab verschieden teure Versionen zu erstehen, manche sogar mit bemalten Figuren), und Pegasus sei der Erfolg gegönnt, denn viele gute Spiele dieser speziellen Gattung gibt es leider nicht.
Ähnlich sah das Spiel eines mir bisher unbekannten Kleinverlages aus ("Giochi Rari" aus Italien), das Spiel "Mamoonia", scheinbar eine Art Wiederbelebung des legendären "Wizards" von Avalon Hill, wurde in einer gigantischen Schachtel mit reichhaltigem Spielmaterial zum erstaunlich billigen Preis von 39,-EUR angeboten. Der recht große Stand war aber stets wie ausgestorben - die beiden Spieledesigner saßen grummelnd und unkommunikativ in der Ecke - ob sie wohl was verkauft haben? Ich musste natürlich auch hiervon eine Exemplar haben, vielleicht war ich der Einzige, der was kaufte....
Komplett ausverkauft war dagegen "Warcraft - The Boardgame" (Fantasy Flight), das zweite von gleich drei neuen Computerspiellizenzen (die anderen zwei waren eine Brettversion von "Age of Mythology", und Klaus Teubers (!) "Anno 1503"). Seltsam auch, dass man von allen 3 Spielen fast nur Gutes hört!
Ein weiterer Blickfang bei "Fantasy Flight" war auch "A Game Of Thrones" (nach einer in Deutschland nicht ganz so wie in Amerika bekannten Fantasybuchserie), das einen sehr guten Eindruck machte. Auch hiervon musste ich eins mitnehmen, ist doch klar, hat doch "Fantasy Flight" in letzter Zeit doch sehr an Qualität zugenommen, immerhin ist sogar ein Reiner Knizia mit mehreren Spielen im Verlag vertreten (die er in Deutschland, immer noch Fantasyentwicklungsland, vielleicht nicht ganz so leicht raus gebracht hätte, basieren sie doch auf recht liebevoll ausgearbeiteten Fantasywelten).
"The Hell Game" (veröffentlicht bei "Udo Grebe Game Design") ist wiederum ein Fanprodukt - das Spiel war in den letzten Jahren als Prototyp beworben, man bemühte sich um 1000 potentielle Käufer, und voilà, hier war es. Erfreulich war zu bemerken, daß sich der Autor sehr viel Mühe mit der Gestaltung der Karten gegeben hat, auf das Spiel darf man auch wegen seiner dämonischen Thematik gespannt sein. Kritik folgt in Bälde!
Dass ich mich auch dazu hinreißen ließ, "Zombie 3.5" ("Twilight Creations Inc.") zu kaufen - mehr Ereigniskarten für ein Spiel, das gerade wegen seinen Ereigniskarten nicht funktioniert, mag hier kontrovers diskutiert werden, ich tat's trotzdem. Immerhin hatte "Twilight Creations" einer Art Messepremiere, die wohl auch nicht erfolglos war.
Auffällig war, dass Wargames im Kommen sind - Es gab erstaunlich viele und äußerst professionelle Neuerscheinungen in diesem Gebiet, und man bemüht sich wohl auch, immer mehr von den altbekannten Regeltextwüsten und Hexfeldorgien wegzukommen. Auffällig waren aber auch "Zwitterspiele" wie "Nero" oder "Das Zeitalter Napoleons", die neue Konzepte umsetzen, und auch politische und wirtschaftliche Simulationen sind. Großer Trend sind einfache, aktionsreiche Kartenspiele zum Zweiten Weltkrieg - und das auch aus Deutschland! Vor einigen Jahren wäre das noch als extrem "politisch unkorrekt" empfunden worden.
An einem skurrilen japanischen Stand redeten zwei rührende Japaner in vollkommen unverständlichem Englisch auf mich ein, doch ihre tollen Fantasy-Kartenspiele anzuschauen (die mit üblicher Manga-Graphik daherkamen). Das eine war allen ernstes auf Japanisch, "but with English translation of cards on shit of paper" - Die Vorstellung, dieses Spiel zu spielen, und irgendwelche Hieroglyphen mit denen auf zahllosen kopierten Blättern zu vergleichen, schreckte mich aber doch etwas ab. Das andere Spiel war allerdings zweisprachig auch auf den Karten selber, das erstand ich dann auch: "Masquerade" von "Yuhodo". Die beiden Japaner hörten gar nicht mehr auf, vor Freude mit dem Kopf zu nicken über diesen Verkauf. So kann man Menschen leicht glücklich machen!
Überall stark beworben wurde "King Arthur" von Knizia (das "sprechende" Ravensburgerspiel mit Computerstimmengimmick), aber das Teil war mir doch zu grosse zum Schleppen. Und es wird eh bald überall zu haben sein. Genauso wie wohl auch Martin Wallace's "Der Fluch des Pharaohs" von Kosmos. Sein neues Spiel "Princes of the Renaissance" (Warfrog) dagegen wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Wallace wird immer mehr zum fleißigsten Designer neben Knizia, und seine Spiele können mit dem "Meister" auch sehr gut mithalten (und es sind auch schon erstaunlich viele "Klassiker" dabei). Wallace war wie immer erstaunlich uneitel als Spieleerklärer am Warfrogstand tätig.