Goa cover
Autor Rüdiger Dorn
Verlag Hans im Glück
erschienen 2004
Spielerzahl 2 - 4
Spielzeit 60 Minuten

Goa

"Ganz nett" war Peters erste Stellungnahme zu Goa. Ein von ihm absolut ungewohntes Understatement, er hatte dafür gerade die Traumnote 10 vergeben.

Goa ist ein Spiel mit zwei Gesichtern. Zum einen hat es stark den Charakter eines gut ausbalancierten Versteigerungsspiels mit allen Vor- und Nachteilen. Zum anderen ist es ein sehr vielseitiges und komplexes Aufbauspiel mit einem enormen komplexen Handlungsspielraum für die Spieler.

Versteigert werden Plantagen, Schiffe, Kolonisten und eine Reihe von anderen Elementen, die dem Ausbau eines Gewürzhandels förderlich sind. Schon allein in der Art und Weise, wie diese Dinge zur Versteigerung gelangen, steckt eine neue gute Spielidee: Ausgehend vom Startspieler, der die Startposition der Versteigerungsobjekte willkürlich bestimmt, sucht sich jeder Mitspieler genau eines der direkt benachbarten Plättchen heraus, das er unter seiner Regie auf den Markt bringen will. Entweder erwirbt er es für sich selbst, indem der den gebotenen Höchstpreis an die Bank zahlt, oder er überläßt es dem höchstbietenden Mitspieler und steckt dafür den gebotenen Preis in seine eigene Tasche.

Hier erhebt sich bereits die erste kniffelige Frage: Suche ich mir eine Plättchen aus, für das ich selber eine bestimmte Neigung empfinde, oder lieber eines, das eher für die Konkurrenten eine erhöhte Bedeutung besitzt? Im ersten Fall hoffe ich, es für billiges Geld selber erstehen zu können, im zweiten Fall möchte ich einen besonders hohen Versteigerungserlös erzielen.

Es gibt hierauf wohl keine schlüssige Antwort. Sofern bei allen Spielern genügend Geld auf dem Markt ist, wird es wohl besser sein, ein für alle interessante Stück auszusuchen um damit beim Verkauf ein erkleckliches Sümmchen einzustreichen. Ist man selber aber einer der reicheren Zeitgenossen und ziemlich vorne in der Reihenfolge der Versteigerer, dann lohnt es sich, ein Objekt der eigenen Neigung zu wählen und es in der anschließenden Versteigerung für sich selbst zu erwerben.

Kommen wir jetzt zum schöpferischen Teil des Spieles. Nach jeder Versteigerung stehen jedem Spieler drei oder mehr Aktionen pro Runde zur Verfügung, in denen er seine unternehmerischen Fähigkeiten als Gewürzbaron unter Beweis stellen kann. Hier entfaltet Goa seinen vollen Reichtum an neuen Ideen und spielerischen Schönheiten:

Goa

Kommen wir zu ein paar Details. Im Prinzip kann man die Aktionen jedes Spieler in zwei Klassen einteilen: Er kann alternativ seine Produktionsmittel entweder erweitern oder sie nutzen. Als Produktionsmittel stehen fünf Kategorien zur Verfügung:

Jedes einzelne Produktionsmittel kann in Einerschritten von der Anfangsstufe 1 bis zur Maximalstufe 5 ausgebaut werden. Je höher die Ausbaustufe, desto höher der Ertag bei einer Ernte-Aktion. Für jede Erweiterung benötigt man eine Anzahl von Schiffen und bestimmte Gewürze, und zwar um so mehr, je höher die Entwicklungsstufe ist. Die Erhöhung von Stufe 1 zu Stufe 2 kostet eine Einheit, und je Stufe steigt dieser Preis um 1 nach oben. Von Stufe 4 zu Stufe 5 kostet sie bereits 4 Einheiten. In der Summe wären also 10 Schiffe und 10 genau vorgegebene Gewürze nötig, um ein Produktionsmittel von Stufe 1 auf die Maximalstufe 5 zu heben.

Die Leistungsfähigkeit der verschiedenen Produktionsmittel steigen von der Anfangsstufe bis zur Maximalstufe nach ganz unterschiedlichen Zahlenreihen. Der Schiffsbau steigt ziemlich langsam in Einerschritten von 1 auf 5, der Ernteertrag auf den Plantagen steigt dagegen in (fast durchwegs) Zweierschritten von 1 auf 8 deutlich schneller an.

Goa

In der Endabrechung bekommt man für jedes Produktionsmittel genau soviel Siegespunkte, wie man insgesamt dafür Schiffe eingesetzt hat. Ein Produktionsmittel der Stufe 5 bringt demnach 10 Siegpunkte. Wenn man alle fünf verschiedenen Produktionsmittel maximal ausgebaut hat, kann man damit insgesamt 50 Siegpunkte auf seinem Konto verbuchen. (Goa bietet noch weitere Möglichkeiten, an Siegpunkte heranzukommen; auf diese sekundären Erwerbsquellen will ich jetzt aber nicht näher eingehen.)

In der Regel sind am Ende eines Spieles nur wenige Produktionsmittel bis zur höchsten Stufe entfaltet. Als grober Daumenwert für ein gutes Ergebnis bei vier Mitspielern gilt: Zwei Produktionsmittel sind auf Stufe 5, ein Produktionsmittel auf Stufe 4 und zwei Produktionsmittel auf Stufe 3.

Die zweite kniffelige Frage ist nun, in welcher Reihenfolge soll ich meine Produktionsmittel entwickeln. Dies ist der entscheidende Knackpunkt, wie ich mehr Effizienz in meine Aktionen bringen kann und mir damit einen Vorteil vor meinen Konkurrenten verschaffen kann.

Die Antwort ist einerseits natürlich abhängig von der Art von Gewürzen, die ich auf meinen Plantagen erzeuge und die für den Entwicklungsfortschritt erforderlich sind. Andererseits muß es in einem solchen Spiel aber auch eine theoretisch beste Reihenfolge geben, und ich sollte versuchen, meine Entwicklung so nahe wie möglich gemäß dieser optimierten Linie anzunähern.

Hierzu eine kleine Überschlagsrechnung:

Für den oben definierten Endstand benötigt man insgesamt 32 (beliebige) Schiffe und 32 (definierte) Gewürze. 5 Schiffe sind mein Startkapital und etwa 3 Schiffe kann ich auf Versteigerungen erwerben. Bleiben also noch 24 Schiffe, die ich irgendwann, irgendwie auf meinen Werften zusammenbasteln muß. Wenn meine Werften pro Aktion nur jeweils 1 Schiff produzieren, dann brauche ich 24 Aktionen, um den besagten Endstand zu erreichen. Schaffe ich aber 2 Schiffe pro Aktion, dann kostet es mich nur noch 12 Aktionen, und bei einer durchschnittlichen Produktionsrate von 3 Schiffen sind es sogar nur 8 Aktionen. Bei keinem anderen Produktionsmittel ist der Bedarf so groß, die anfängliche Produktionsrate so klein und die erzielbare Steigerungsrate innerhalb der Effizienz so augenfällig.

Betrachten wir dagegen mal die anderen Produktionsmittel:

  1. Steuereinnahmen (Geldmittel)
    werden im Prinzip überhaupt nicht gebraucht. Sie sind ein notwendiger und selbstverständlicher Bestandteil der Versteigerungen. In Normalfall besitzt ein Spieler aber auch ohne Zusatzeinnahmen über Steuern genügend pekuniären Spielraum, um in seinem Entwicklungsfortschritt nicht gehemmt zu sein.

    Wer hier eine Finanz-Dominanz anstrebt, der bewirkt nur eine Inflation der Geldmittel, so daß als Folge davon seine relativen Einnahmen entsprechend immer geringer werden. Nach jeder Versteigerungsrunde ist das Geld ohnehin wieder gut verteilt in jedermanns Händen.

  2. Expeditionsfähigkeiten
    nützen zwar in bezug auf einem sekundären Spieleffekt, der bei Monopoly unter dem Begriff "Ereigniskarten" bekannt ist: Zufallsgesteuert gerät der Spieler an verschiedene Arten von Bonusse (oder Boni). Diese haben aber nur einen äußerst geringen Einfluß auf den Fortschritt innerhalb der Produktionsmittel. Ich behaupte, eine Gewürzpolitik, die sich überwiegend an Expeditionen orientiert, ist jeder soliden Grund- und Bodenpolitik unterlegen. Vielleicht irre ich mir hier, ich werde aber nur widerrufen, wenn ich durch klare Aussagen aus der heiligen Schrift diesbezüglich widerlegt werde.

  3. Kolonisten
    werden benötigt, um gezielt neue Plantagen zu bewirtschaften. Die freien Plantagen kann man ohnehin ganz ohne Kolonisten ersteigern und bewirtschaften. Weiterhin können einige der zugeordneten Plantagen allein mit der ausgeteilten Grundausstattung bei Spielbeginn in Besitz genommen und abgeerntet werden. Es bleibt also nicht viel an möglichen Vorteilen, die zusätzliche Kolonisten dem Besitzer einbringen können. Ich würde diese Kategorie nur ausbauen, wenn ich wirklich keine bessere Aktion ausführen kann.

  4. Plantagen
    werden natürlich gebraucht. Insgesamt stehen ja immer noch die oben erwähnten 32 Gewürze im Raum, die ich für das Erreichen meines Entwicklungs-Endstandes benötige. Problemlos kann ich zirka 12 davon per Versteigerung erwerben. Wenn meine Plantagen einen Entwicklungsstand der Stufe 3 besitzen, dann produzieren sie bereits 4 Gewürze pro Aktion. Für die ausstehenden 20 Gewürze brauche ich also bloß noch 5 Aktionen der Ausbaustufe 3, um alles unter Dach und Fach zu bringen. Das ist bedeutend weniger als der Bedarf an Aktionen für den Bau der benötigten Schiffe.

Fazit: Leute, baut Schiffe! Goas Zukunft liegt auf dem Meer!

Natürlich kann man die favorisierte Linie nicht ungehindert einschlagen. Das ist ja schon (ein bißchen) davon abhängig, ob die notwendigen Plantagen überhaupt auf den Markt gekommen sind, und ob ich sie mir ersteigern konnte. Und wenn alle Spieler diese Goa-Gewinnstrategie anwenden, dann werden sie sich zwangsweise um die Ressourcen prügeln, die auf dieser Gewinnlinie die Engpässe darstellen. Prügeln? Der Verlag spricht sogar von einem "gnadenlosen Wettstreit", aber das ist maßlos übertrieben. Der eigentliche Motor für den Sieg in Goa liegt in diesem Fall in der Versteigerungstechnik. Hier wird dann Fingerspitzengefühl, Erfahrung und auch ein Quentchen Glück den Ausschlag geben.

Ansonsten baut jeder stillvergnügt und unbehelligt von den Konkurrenten an seiner eigenen heilen Welt. Jeder ist mit seiner Produktion genauso zufrieden wie ein Vater mit seinem Kind. Und nur wenn man über den Tellerrand schaut - das passiert gewöhnlich aber erst in der Schlußabrechnung - kann man erkennen, ob die Brut des Nachbarn nicht doch besser gelungen ist als die eigene. Das ganze entspricht eher einer "friedlichen Koexistenz" aus den Zeiten, als die Sowjetunion schon längst die Hoffnung aufgegeben hatte, den Kapitalismus links überholen zu können.

WPG-Gesamtnote: 8,4

©2004, Walter Sorger