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rezensiert von Moritz Eggert
"Britannia", das klassische Spieldesign von Lew Pulsipher, ist eines der einflussreichsten Spiele der jüngeren Spielegeschichte. Anders als bei den üblichen territorialen Wargames spielt hier jeder Spieler den Aufstieg und Fall mehrerer Völker der Geschichte nach, wobei die Historie quasi die Macht der Völker in den verschiedenen Runden vorgibt (=Anzahl der Spielsteine, besondere Fähigkeiten). Die Spieler versuchen mit den jeweiligen Völkern (jeder Spieler spielt meistens mehrere) bestimmte historische Ziele zu erfüllen, oder sogar zu übertreffen. Der Vorteil eines solchen Systems liegt in der Tatsache begründet, dass jeder Spieler automatisch zu bestimmten Zeitpunkten dominant ins Spielgeschehen eingreifen darf, egal wie viele Felder er gerade besitzt (bei territorialen Spielen wie "Risiko" geht mit dem Verlust von Feldern meistens auch ein Verlust von Macht einher). Der Nachteil des Systems ist es, dass man das jeweilige historische Szenario schon sehr gut kennen muss, um zu begreifen wer wo was und wann will. Die relativ einfachen Regeln von "Britannia" laden aber auch Nicht-Wargamer ein, mehrere Stunden die Geschichte nachzuspielen.
Da das System leicht auf verschiedene Weltgebiete übertragbar ist, gibt es inzwischen zahllose "Britannia"-Klone, darunter sind vor allem "Chariot Lords" (auf diesen Seiten von Peter ausführlich beschrieben), "Hispania" (die komplexeste aller Britannia-Varianten, ebenfalls von Peter beschrieben) und das leider misslungene (weil unvollendete) "Maharaja" von AH zu nennen.
Nun hat sich auch Sven Andressen des Themas angenommen, diesmal spielt das Szenario im antiken Griechenland, sicherlich ein reizvolles Thema. "Hegemonia" ist ein "Desktop Publishing" Spiel, das nur auf Bestellung vom Autor persönlich hergestellt wird (und sogar persönlich signiert wird). Natürlich darf man bei einem solchen Spiel kein Hochglanzdesign und modellierte Plastikfiguren erwarten, aber was Sven Andressen hier für relativ wenig Geld in die (stabile) Schachtel packt, ist schon beeindruckend. Alle Spielhilfen, die man erwarten könnte, sind vorhanden, einzig die sehr harten Counter müssen per Hand ausgeschnitten werden. Die Karte ist nicht nur funktional und sogar mehrfarbig gehalten, sie ist auch künstlerisch hübsch gestaltet.
Auch die Regeln sind mehrfarbig, und äußerst ausführlich, tatsächlich sind sie verständlicher und logischer als die ursprünglichen "Britannia"-Regeln (die voller legendärer Unklarheiten sind), so dass man das Spiel auch "Britannia"-Neulingen empfehlen kann.
Die Regeln halten sich sehr eng an das Original-"Britannia", daher möchte ich hier nur kurz die wichtigsten Unterschiede erwähnen:
Das Spiel ist von 3, 4 oder 5 Spielern gut spielbar (die Regeln empfehlen auch das Solitärspiel zum Studium der einzelnen Völker, hierfür gibt es aber leider keine gesonderten Regeln), sicherlich ideal mit 4 Spielern. Der Spielverlauf erstreckt sich über 16 Runden 1600 vor Christus bis 146 nach Christus, dem endgültigen Sieg der Römer. Als besonderen Bonus kann man auch ohne Probleme die "Kurzspielvariante" wählen (oder sich bei einem zu lange werdenden Spiel mittendrin dafür entscheiden), diese dauert nur 10 Runden. Der rote Spieler ist allerdings hier ziemlich benachteiligt, denn er darf es nie richtig "krachen lassen". Auch im langem Spiel kommt dem roten Spieler eine Sonderrolle zu, denn wenn er die Trojaner zu sehr aufbaut (was nicht allzu schwer ist), kommt es eventuell nicht ihm selber, sondern den Nachfolgern der Trojaner, den Lydern zugute, und die werden von einem anderen Spieler gespielt.
In unserer Runde machte das Spiel aber einen ausgewogenen Eindruck, und die Völker sind alle interessant zu spielen. Es ist deutlich, dass sich Sven Andressen intensiv bemüht hat, nicht nur historisch sondern auch spieltechnisch sehr an seinem Spiel zu feilen. Nicht zuletzt deswegen ist "Hegemonia" sicherlich eine der ausgereiftesten und spielbarsten Varianten von "Britannia" geworden, und daher jedem Fan dieses Systems uneingeschränkt wegen seines Themas und der rundum gelungenen Umsetzung zu empfehlen.
Sicherlich wird dieses Spiel schon wegen seiner Herstellungsweise nie ein Massenerfolg werden, aber ich prophezeie ihm schon jetzt einen festen Platz im Pantheon der "Britannia"-Spiele. Ich habe auf jeden Fall den Kauf nicht bereut!
Zu bestellen ist das Spiel bei:
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Spieldauer: für Neulinge 8-9 Stunden für das komplette Spiel, 5-6 Stunden für die Kurzversion, Profis kommen schneller durch, sollten sich aber auf jeden Fall 7 Stunden Zeit für das volle Spiel nehmen. Es gibt einige kleinere Namensverwirrungen zwischen den Countern und Spielhilfen, diese können aber leicht überwunden werden.
Last Minute Addendum: Der Autor Sven Andressen weist darauf hin, dass die englischen Regeln bald fertig sein werden und auf Anfrage verfügbar sind. Das Spielmaterial wird außerdem eine Überarbeitung erfahren, die die Herstellung vereinfachen wird. Außerdem werden bald gegen Aufpreis passende Countertrays erhältlich sein, die beim Sortieren der Pöppel helfen werden.
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