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rezensiert von Walter Sorger
Die Spieler bewegen sich durch ein Netz von Wegen auf frei wählbaren Routen von einem Knotenpunkt zum anderen und sammeln an jeder Station verschiedenste Arten von Bonus-Plättchen auf. Einige Plättchen bringen Siegpunkte, die einem Spieler unmittelbar gutgeschrieben werden. Andere Siegpunkt-Prämien werden erst dann gültig, wenn der Spieler einen zweiten, korrespondierenden Knotenpunkt aufgesucht hat. An wieder anderen Stellen stehen gleich mehrere Bonus-Plättchen zur Verteilung bereit, die unter den interessierten Mitspielern ausgewürfelt werden. Manche Knotenpunkte verbessern die Chancen beim Würfelglück: hier werden Bonus-Plättchen ausgeteilt, die in einem Würfelwettbewerb das Nachwürfeln erlauben. Andere Stationen erhöhen die Reichweite, die einem Spieler pro Runde zur Verfügung steht. Sie entsprechen einer Investition in die Zukunft, in der man um so mehr Siegpunkte einzustreichen hofft.
"Um Ru(h)m und Ehre" ist aber kein Solitärspiel, bei dem jeder Spieler für sich allein die optimale Route durch das Wegenetz sucht. Alle verfolgen einen einzigen gemeinsamen Weg: Genau an dem Punkt, wo ein Spieler seine Reiseroute beendet hat, muss der nächste Spieler fortfahren. Dabei darf keine Verbindungsstrecke doppelt benutzt werden. Außer dem Abgrasen der lukrativsten Knotenpunkte geht es also auch darum, dem Nachfolger den Brotkorb möglichst hoch zu hängen.
Das bemerkenswerteste Spielelement in "Um Ru(h)m und Ehre" ist die Art und Weise, wie sich die Spieler über das Wegenetz bewegen dürfen. Die Strecken zwischen den einzelnen Knotenpunkten müssen in jeweils einem einzigen Zug bewältigt werden. Ein Zug kostet 1 bis 4 Bewegungspunkte. Zu Beginn einer Runde bekommt jeder Spieler 10 Bewegungspunkte, mit denen er beliebig sparsam oder verschwenderisch umgehen kann. So kann er z.B. drei Züge in einem einzigen Satz machen, dabei drei verschiedene Knotenpunkte anlaufen und drei Bonus-Plättchen kassieren. Dabei hat er sich allerdings für den Rest der Runde verausgabt und muss den nachfolgenden Bewegungen seiner Mitspieler tatenlos zusehen. Ein Spieler kann aber auch jeweils nur einen einzigen, winzigen Zug für wenige Bewegungspunkte machen, ja er kann sogar freiwillig aussetzen und seine Mitspieler ziehen und Bewegungspunkte verbrauchen lassen, mit dem Ziel, am Ende alleine unterwegs zu sein und ungestört seine Kreise ziehen zu können.
Wo steckt der Sinn zwischen schnellen und langsamen Vorgehen? Wann soll sich ein Spieler beeilen und wann soll er sich Zeit lassen? Das ist alles sehr gut durchkonstruiert. Wer mehrere Züge hintereinander ausführt, hat freie Streckenwahl und kann sich schnell ein paar ertragreiche Bonus-Plättchen aneignen. Dafür muss er aber für jeden Zug bezahlen, und zwar mit einer Münze, die im ganzen Spiel sehr knapp ist. Wer als erster seine Bewegungspunkte verbraucht hat, handelt sich noch dazu den Nachteil ein, dass er mit dem Rest seiner Mannschaft als erster auf den "Rangelplatz" gehen muss. Hier werden am Ende jeder Runde noch ein paar weitere Siegpunkte ausgewürfelt, und wer sich erster auf dem Rangelplatz einfindet, bekommt beim Würfeln einen Malus.
Neben dosierten Würfelentscheidungen sind in "Um Ru(h)m und Ehre" noch andere Zufallseinflüsse eingebaut: z.B. besitzen die Bonus-Plättchen schwankende Punktwerte, die erst unmittelbar beim Erwerben bekannt werden. Somit kann ein Spieler nicht bereits vorher wissen, ob am nächsten Knoten 3 oder 5 Siegpunkte auf ihn warten. Doch diese Unsicherheit fördert den spielerischen Charakter und erspart eine allzu trockene Rechnerei. Meist lohnt es sich nur, beim gerade aktuellen Zug auf maximalen Profit zu achten; die weitere Reise hängt dann sehr von den Aktionen der Mitspieler aus. Doch mit Gasgeben und Bremsen, im rechtzeitigen Abfahren der besten Strecken auf dem Netzplan und im Auswählen von möglichst schwierigem Gelände für das Übergeben des Kommandos enthält "Um Ru(h)m und Ehre" noch reichlich taktische Möglichkeiten, die das Spiel zu einem wohlgelungenen gehobenen Familienspiel machen.
Als Thema ist eine Seeräuberhorde untergelegt, die durch die Gassen eines Piratennestes zieht. Als eine gelungene "Synthese zwischen ausgereiftem deutschem Spiel-Design und dem Themenwitz amerikanischer Spiele" empfindet es Frankreichs Kritiker-König Faidutti. Wir von den Westpark-Gamers schauen naturgemäß über die Thematik etwas großzügiger hinweg, das Wichtigste an einem Spiel sind für uns funktionierende Spielmechanismen. Was "Um Ru(h)m und Ehre" hier bietet, genügt in Vielfalt, Komposition und Ausgewogenheit hohen Ansprüchen.
Positiv erwähnenswert sei auf jeden Fall noch das gefällige Spielmaterial. Die Bewegungspunkte eines Spielers sind durch hübsch ausgearbeitete Plastik-Figuren realisiert. Vorzüglich ist auch der mitgelieferte Sortierkasten, in dem die vielen verschiedenen Bonus-Plättchen wohlgeordnet untergebracht sind. Hier muss man nicht jedes Mal vor einem Spiel die 181 (!) verschiedenen Einzelplättchen auseinander sortieren. Mit einem einzigen Griff steht das gesamte Material gebrauchsfertig auf dem Tisch und ebenso schnell ist es wieder in der Schachtel verstaut. Es gibt keinen Grund, nicht sofort mit "Um Ru(h)m und Ehre" loszulegen.
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