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von Walter Sorger
So vergeht der Ruhm der Welt. Zu meiner Generation zählte "Thurn und Taxis" noch zu den glänzendsten Adelshäusern Deutschlands; in der Generation meiner Kinder konzentrierte sich der Glanz auf eine einzige schrille Fürstin, auf die Halbungarin Gloria; meine Enkel-Generation muss schon bei Google nachsehen, um hierzu etwas aussagen zu können. Immerhin findet man dort auf Anhieb noch 2,6 Millionen Einträge zu diesem Suchbegriff. Schon bei der Nummer 9 stoßen wir hier auf das neue Spiel "Thurn und Taxis" von Hans-im-Glück, und wir können auf Anhieb nicht sagen, ob sich demnächst das Spiel im Glanz des edlen Fürstenhauses oder ob sich das Fürstenhaus im Glanz dieses Spiel-des-Jahres-Kandidaten sonnen wird.
Auf jedem Fall haben beide Institutionen konstruktiv zusammengearbeitet: Das Thurn und Taxis Archiv in Regensburg hat für die Spielanleitung die Biographie des Dynastie-Gründers mitgeliefert und der Hans-im-Glück Verlag hat erfolgreich versucht, in seiner Spiel-Aufmachung das Umfeld der Reichspostmeister-Vergangenheit wieder lebendig werden zu lassen.
Grundgedanke des Spieles ist es, den Aufbau des Postkutschennetzes nachzustellen. Die Spieler errichten Postverbindungen zwischen Städten im erweiterten süddeutschen Raum und werden dafür honoriert, wenn sie dabei bestimmte Kriterien erfüllen, z.B. wenn sie alle Städte einer geographischen Region in ihr Streckennetz aufgenommen haben oder wenn sie 5, 6 oder gar 7 Städte in eine einzige Poststrecke integriert haben.
Wer solche Bedingungen als erster erfüllt, erhält dafür die meisten Siegpunkte, die anderen bekommen abgestuft immer weniger Punkte dafür. Es muss daher das Ziel eines jeden Spieler sein, seine Strecken so zu bauen, dass er dabei die höchste noch zu vergebenden Siegprämie einstreicht. Doch es gibt sehr viele verschiedene solcher Prämien und wie im richtigen Leben kann man nicht überall der erste sein.
Das Problem beim Streckenbau besteht darin, dass man nicht beliebig jede Stadt auf dem Spielplan an sein Streckennetz anschließen darf, sondern dass man dazu vorher quasi eine "Postlizenz" erwerben muss: Auf einer offenen Auslage liegen Karten mit den Namen der gerade verfügbaren Städte. Wenn ein Spieler am Zug ist, darf er eine Karte davon aufnehmen und erwirbt sich so das Recht, diese Stadt bei seiner nächsten Neubaustrecke anzufahren. 6 Karten liegen jeweils in der Auslage, 22 Städte gibt es insgesamt, jede Stadtkarte kommt drei mal vor, es ist also keineswegs eine Selbstverständlichkeit, eine konkret gewünschte Stadtkarte in der Auslage auch vorzufinden.
Damit hier die Erfolgsaussichten etwas größer werden, darf ein Spieler zu Beginn seines Zuges alle 6 Karten der Auslage abräumen und durch neue Karten vom Nachschubstapel ersetzen. Aber auch diese Möglichkeit ist noch längst keine Garantie dafür, eine anvisierte Strecke jetzt vollenden zu können.
Das ist überhaupt das Geheimnis des Spieles: Bei der Streckenplanung die Karten in der Hand, die Karten in der Auslage und die noch verbliebenen Karten im verdeckten Nachschubstapel in Einklang zu bringen mit den Strecken, die die meisten Siegpunkte einbringen. Alles auf eine einzige Karte zu setzen ist ein höchst risikoreiches Unterfangen und führt bei den vielen Strecken, die im Laufe eines Spieles gebaut werden müssen, früher oder später zum Scheitern. Scheitern heißt in "Thurn und Taxis": Spielzüge zu verlieren, im Streckenbau zurückzubleiben, den Mitspielern die höchsten Prämien, die meisten Siegpunkte und am Ende auch den Gesamtsieg zu überlassen.
Das nachfolgende Diagramm führt das statistische Risiko vor Augen, sich beim Streckenbau von einer ganz bestimmten Stadt abhängig zu machen. Es zeigt die Wahrscheinlichkeit an, eine entsprechende Stadtkarte in der offenen Auslage zu finden, wenn man vor seinem Zug die 6 ausliegenden Karten austauscht.
Die drei markierten Punkte darin sagen folgendes aus:
Diese Zahlen sind natürlich mehr eine mathematische Spielerei als eine Empfehlung, wie man an "Thurn und Taxis" herangehen sollte. Sie deuten aber auch an, dass eine gewisse Gedächtnisleistung, nämlich das Merken der bereits verbrauchten Stadtkarten, für eine erfolgreiche Streckenplanung durchaus von Nutzen sein kann.
Ansonsten darf man sein geistiges Genie in "Thurn und Taxis" unbesorgt auf Sparflamme kochen lassen. Es sind keine gewieften Jäger gefragt, die mit Gewalt und Raffinesse ihren Konkurrenten die Butter vom Brot nehmen, sondern tüchtige Sammler, die in geduldiger Kleinarbeit ihr Streckennetz aufbauen und dabei konsequent die Möglichkeiten zu maximaler Siegpunktausbeute erkennen und verfolgen. Denn die meisten Punkte werden nicht im Wettlauf mit den Mitspielern vergeben, sondern sind eine konkurrenzlos vergebene Prämie für gelungene Streckenführung und für das größte Gesamtnetz. Allein die Summe der Punkte für die Städte, in denen man eine "Postlizenz " erworben hat, bedeuten mehr als die halbe Miete zum Sieg. Hier eine einzige Stadt mehr zu erschließen ist genauso viel wert, wie der Vorteil, in einer Region der Erste anstelle des Zweiten zu sein. Insofern ist "Thurn und Taxis" ein ruhiges Sammel- und Aufbauspiel, in der eine konstruktiv ausgerichtete Spielerfamilie sehr viel Freude haben kann.
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