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Autor Emanuele Ornella
Verlag Mind the Move
erschienen 2006
Spielerzahl 2-5
Spieldauer 120 Minuten
Wertung pic pic pic pic pic pic pic pic pic pic

Hermagor

rezensiert von Walter Sorger

Ein neues Spiel von Emanuele Ornella, der schon oft als Spielautor hervorgetreten ist und sich nicht zuletzt mit "Il Principe" und "Oltre Mare" einen guten Namen gemacht hat. Dem Werk ist ein Wirtschaftsthema unterlegt, das man am besten mit dem Motto "Handle und wandle" charakterisieren kann. Die Spieler kaufen an einer Warenbörse ihre Handelsware ein, tragen sie in das weite Land und verkaufen sie dort in den einzelnen Dörfern. Die günstigsten Einkaufspreise zu bezahlen, die kürzesten Transportwege zu finden, die Märkte als erster zu besetzen und insgesamt das lukrativste Vertriebsnetz aufzubauen und damit zu punkten, das sind die Ziele des Spiels.

Emanuele Ornella hat all sein Autoren-Genie zusammengekratzt und eine Komposition geschaffen, die in ihrer Substanz weniger einem lockeren italienischen Canzone, sondern eher einer schweren teutonischen Symphonie entspricht.

Der erste Satz mit der Bezeichnung "Scherzo in Auctione" umfasst das Ersteigern der angebotenen Waren. Die Börse besteht aus einem schachbrettartigen Muster, bei dem in jeder Spielrunde auf jedes Feld nach einer zufälligen Verteilung eine Ware ausgelegt wird. Jeder Spieler besitzt vier "Einkäufer", die er auf die Linien und Kreuzungspunkte zwischen den Feldern positioniert. Wer besondere Ambitionen besitzt, kann einen Einkäufer auch mal direkt auf ein Feld legen. Jeder Einkäufer übt einen Einfluss auf die Ware in allen unmittelbar angrenzenden Feldern aus; ein Einkäufer auf einem Kreuzungspunkt kontrolliert vier Felder, ein Einkäufer auf einer Linie kontrolliert zwei, und ein Einkäufer direkt auf einem Feld kontrolliert nur das eine Feld, auf dem er steht.

Wenn alle Einkäufer gesetzt sind, wird Bilanz gezogen. Jede Ware geht an den Spieler, der die meisten Einkäufer um sie herum platziert hat. Bei Gleichheit, was in Hermagor an der Tagesordnung ist, bekommt sie der Spieler, der mit seinen Einkäufern näher am Feld dran steht: Wer direkt auf einem Feld steht, hat oberste Priorität, als nächstes zählen die Einkäufer an der Seite und zuletzt die Einkäufer an den vier Ecken.

Für das Setzen seiner Einkäufer muss ein Spieler Geld bezahlen. Dabei kosten die verschiedenen Positionen unterschiedliche viel: je mehr Felder eine Position kontrolliert, desto höher ist ihr Preis.

Am Ende wird noch die Gesamt-Platzierung alle Einkäufer eines jeden Spielers bewertet und dafür eine Geldprämie bezahlt: Für jede horizontale oder vertikale Linie, in der ein Spieler Einkäufer stehen hat, bekommt er Geld, und zwar quadratisch wachsend mit der Zahl der Einkäufer: Für einen einzelnen Einkäufer gibt es nur eine Geldeinheit, für alle vier Einkäufer auf einer einzigen Linie gleich 10 Einheiten.

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Beim Verteilen der Einkäufer sind also mehrere ganz verschiedene Optimierungskriterien zu beachten:

  1. Man muss sich eine Mehrheit bei denjenigen Warenfeldern sichern, die man für sein späteres Vertriebsnetz unbedingt braucht. Methode: Konzentriertes Setzen auf und um ein einziges Feld.
  2. Man möchte an möglichst vielen Warenfeldern beteiligt sein. Methode: Setzen auf möglichst viele weit verstreute Eckpunkte.
  3. Man möchte möglichst wenig Geld für das Setzen der Einkäufer bezahlen. Methode: Setzen auf die billig dotierten Linienpositionen im Zentrum, die allerdings einer großen Konkurrenz ausgesetzt sind.
  4. Man möchte für die Gesamtplatzierung seiner Einkäufer möglichst hohe Prämien kassieren. Methode: Konzentrieren seiner Einkäufer auf nur eine oder zwei Linien.

Allein diese Optimierungsaufgaben des ersten Satzes der Hermagor-Symphonie ergeben für sich allein betrachtet schon ein überzeugendes Spielgeschehen mit vielen taktischen und strategischen Winkelzügen. Wenn schlussendlich lediglich die ersteigerten Waren nach einem simplen Schema in Siegpunkte umgesetzt würden, würde das Spiel schon funktionieren. Als Ornella's "Unvollendete" könnte es in die Geschichte eingehen. Und genauso wie bei Schuberts Achter würde man nach dem letzten Takt sagen: "Schön war's, schade dass es schon zu Ende ist."

Doch Ornella hat seine große schöpferische Kraft mit dieser Komposition noch nicht verausgabt. Im zweiten Satz "Andante con moto" bringen die Spieler ihre erhandelten Waren unter die Leute. Sie müssen dabei:

  1. die kürzeste Strecke zu allen anvisierten Dörfern finden, denn jedes zurückgelegte Wegstück muss mit Geld, gleichbedeutend mit Siegpunkten bezahlt werden;
  2. in jedem Dorf ihre Ware möglichst als erster verkaufen, denn jeder andere Spieler, der in einem Dorf schon präsent ist, bekommt dafür eine Prämie, und Geldsegen für die Konkurrenz ist immer kontraproduktiv;
  3. möglichst geschlossen alle Dörfer innerhalb abgesteckter Gebiete des Spielplanes in ihr Vertriebsnetz aufnehmen, denn dafür erhalten sie Sonderprämien bei der Schlussabrechung. Um dieses Ziel zu erreichen heißt es hier, seine Kräfte zu konzentrieren;
  4. in möglichst vielen verschiedenen Regionen des Spielplans präsent zu sein, denn auch das Überall-Dabei-Sein wird prämiert. Im Gegensatz zum vorigen Punkt heißt es hier also, seine Kräfte zu diversifizieren.

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Wenn die Anzahl vorgesehener Spieldurchgänge durchgespielt ist, geht dieser zweite Satz zu Ende und lückenlos wie in Beethovens Fünfter schließt sich der letzte Satz der Hermagor-Symphonie mit der Bezeichnung "Punti ex variatione" an. Jetzt werden die Gesamtinvestitionen der Spieler bilanziert, eine regelrechte Abrechungsorgie ergießt sich über die Spieler:

  1. Für die Präsenz in bis zu neun verschiedenen Produktionsbereichen werden Prämien von 5 bis 10 Geldeinheiten ausgeschüttet. Die Höhe jeder Prämie steht erst ganz am Ende fest und ergibt sich aus konkurrierenden Preis-Verschiebeaktionen aller Spieler.
  2. Die Spieler zählen jeweils ihre Handelsposten in den drei Regionen des Spieles und multiplizieren ihr niedrigstes Ergebnis mit 4. Jeder Spieler erhält dann diesen Betrag ausbezahlt.
  3. Der Spieler mit den wenigsten Handelsposten entlang der Hauptstraße muss 5 Geldeinheiten an den Spieler mit den meisten Handelsposten abgeben.

Eine ganze Menge guter Spielzüge wird hier honoriert. Der glückliche Gewinner kann dann stolz verkünden, dass er bereits beim Aussuchen der Waren, beim Positionieren seiner Einkäufer, beim Anlaufen der Dörfer und beim konsequenten Aufbau seines Vertriebsnetzes an alles gedacht hatte und erfolgreich einen genialen Gewinnplan umgesetzt hat. Vielleicht hat er dabei noch nicht einmal eine wesentlich längere Denkzeit benötigt als sein weniger ambitionierter Mitläufer, der immer nur einen einzigen Zug vorausgedacht hat und ansonsten Hermagor spielerisch angegangen ist.

Welche dieser beiden Herangehensweisen wird Ornella bei seiner Komposition wohl im Auge gehabt haben?

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