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Autor Stefan Dorra
Verlag Zoch Verlag
erschienen 2006
Spielerzahl 2-5
Spieldauer 60 Minuten
Wertung pic pic pic pic pic pic pic pic pic pic

Salamanca

rezensiert von Walter Sorger

Salamanca ist nicht nur ein wohlklingender Name, es ist auch ein quirliges Universitätsstädtchen im spanischen Hochland, mit einem sehr gefälligen studentischen Nachtleben um die engen Gassen am Plaza Mayor. Die Universität der Stadt hat Tradition. 1218 wurde sie als älteste Universität Spaniens gegründet und war sofort der wissenschaftliche Nabel der Welt. Noch heute gilt das spanische Sprichwort: "El que no nace, Salamanca no lo hace" (Fehlendes Talent kann auch Salamanca nicht ersetzen.) Christoph Columbus musste hier seine (von Eric, dem Roten abgekupferten?) Berechnungen für den Seeweg nach Indien vorlegen, bevor er seine Reise nach Amerika antreten durfte. Lazarillo de Tormes erblickte hier das Licht der Welt und wurde zum Urbild aller intelligenten Schelmen- und Gaunergeschichten, vom Don Quichote über den Simplicissimus bis zu Donald Duck und seinen Neffen.

Das Spiel "Salamanca" von Zoch-Verlag verdankt seinen Namen zweifellos der ruhmreichen spanischen Stadt. Das sagt schon sein Untertitel: "Machtspiele im Herzen Spaniens". Doch welche Eigenschaften dieser Stadt der Spieleautor Stefan Dorra mit seinem gleichnamigen Spiel assoziierte, das bleibt sein Geheimnis. In der Spielregel geht er mit keinem einzigen Wort darauf ein. Vielleicht hat ihm tatsächlich nur die Lautbildung mit den vielen Ahs sehr gut gefallen.

"Salamanca" ist ein wirtschaftliches Optimierungsspiel mit Chaoselementen. Die Spieler müssen aus einer offenen Auslage quadratische Landschaftsplättchen auswählen und sie zu gewinnträchtigen Wirtschaftsflächen zusammenfügen. Besonders lukrativ sind zusammenhängende Flächen gleicher Nutzung (Feld, Wald, Wiese, Wein oder Wasser). Jeder legt reihum die aufgenommenen Plättchen auf beliebige Felder des Spielbrettes und kann dabei entweder mächtige Monokulturen fördern oder zerstückelnde Einfelderwirtschaften herbeiführen.

Die landwirtschaftlichen Felder gehören im Prinzip jedermann. Mehrere Spieler können unabhängig voneinander von ihnen profitieren. Sie bringen Siegpunkte ein, wenn man angrenzend an sie ein Gebäude errichtet hat und dieses anschließend wieder verkauft. Dabei spielt es keine Rolle, ob man zuerst die Landwirtschaft hochbringt und dann ein Gebäude daneben setzt, oder ob man zuerst ein Gebäude errichtet und dann die Landwirtschaft darum herum aufbaut. Das ganze ist natürlich eine Frage der Konkurrenz, weil vorteilhafte freie Bauplätze den gierigen Blicken der Mitspieler ausgesetzt sind und nicht lange frei bleiben.

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In "Samamanca" gibt es eine Reihe von Sonderplättchen ("besonders fruchtbare Landschaft"), die den Wert eines angrenzenden Gebäudes gleich um mehrere Punkte nach oben schnellen lassen. Solche aufgewerteten Flächen locken die Nachbarschaft besonders schnell an. Andererseits gibt es auch schädliche Plättchen (z.B. "Heuschrecken-Plage"), die eine Anbaufläche mit einem Schlag ruinieren; diese legt man nach dem Erwerb liebend gerne seinen entfernteren Verwandten in den Vorgarten.

Die Sonderplättchen zählen nur einmal: Wer als erster sein anliegendes Gebäude verkauft, streicht die Siegpunkte (oder die Verluste) ein und entfernt danach das Sonderplättchen wieder. Das rechtzeitige Als-Erster-Verkaufen ist ein wichtiger Schlüssel für erfolgreiches Spielen. Zudem hat das Entfernen einzelner Plättchen einen erheblichen Einfluss auf die Zusammenhangs-Struktur der übrigen Landschaft. Ein Gebäude, das gerade noch von stolzen Weinbergen umgeben war, ist plötzlich nur noch ein Einödhof. Auch dadurch haben die Zu-spät-Kommenden das Nachsehen.

Pfiffig ist die Bestimmung der Zugreihenfolge. Pro Runde spielt jeder Spieler eine Prioritätskarte aus seiner Hand; der Spieler mit dem höchsten Wert wird Startspieler und darf als erstes ein Landschaftsplättchen auswählen. Dieser Mechanismus ist noch trivial; neu und sinnig ausgedacht ist hingegen, dass die ausgespielten Prioritätenkarten an den jeweils linken Mitspieler weitergegeben werden, so dass im Laufe eines Spieles jeder einmal in den Besitz der besten Kartenwerte gelangt. Ein Korrektiv zum Startvorteil der hohen Karten ist zudem, daß die Karten mit niedriger Priorität ihrem Besitzer die Möglichkeit geben, die Plage-Plättchen zu verlegen und somit bösen Mitspielern erhebliche Einbußen zu verursachen.

Durch die Erweiterung der militärischen Fakultät der Universität Salamanca um den Lehrstuhl "Operation Research" wurde schon um 1218 an einer optimalen Vorgehensweise für den Sieger in "Salamanca" geforscht. Doch brauchbare Resultate scheiterten an der Menge der unberechenbaren chaotischen Einflussparameter.

  1. Schon allein die Karten für die Startspieler-Priorität sind schwierig in den Griff zu kriegen. Auch wenn sie sich auf Dauer ausgleichen, so gewährt doch das glückliche Zusammentreffen von der Zuteilung hoher Prioritätskarten mit besonders vorteilhaften Sonderplättchen in der Auslage einen unerwarteten Zugewinn auf dem Siegpunkte-Konto.

  2. Ob ein Spieler A mit dem Spieler B gemeinsam einen Weinberg pflanzt, oder ob er seine Trauben für sich allein oder zusammen mit einem Spieler C aufziehen will, das kann man nicht beeinflussen. Selbst schöne Augen tun nur eine begrenzte Zeit lang ihre Wirkung.

  3. Wie lange eine Spielerpartnerschaft auf dem gemeinsam Ackerland werkelt, wer als erster ausbricht, sein Landhaus verkauft und seinem Partner nur einen Bruchteil der Ernte überlässt, entzieht sich einer nüchternen Kalkulation. Am besten rechnet man bei jedem Zug von seiten des Partners mit dem Schlechtesten und sucht mit jedem eigenen Zug den größten Vorteil für sich selbst. Doch selbst für dieses Einkörperproblem gibt es noch keine schlüssigen Formeln.

  4. Wenn ein Spieler eine "Plage" zu vergeben hat, dann ist nur sicher, dass er sie nicht auf seine eigenen Felder legt; alle anderen Spieler sind der gleichen Gefahr ausgesetzt und wer letztendlich in den sauren Apfel beißen muss, entscheiden Milligramms von Sympathieunterschieden. Chaos-Wissenschaftler haben berechnet, dass ein einziger Schlag eines Schmetterlingsflügel in Peking einen Hurrikan in Florida auslösen kann.

  5. Und vieles unwägbare mehr.

Um auch diese schwierig zu durchschauenden Chaoselemente in den Griff zu bekommen, hätte man in Salamanca zusätzlich auch die mathematische Fakultät der Universität um die Disziplin "Chaostheorie" aufstocken müssen. Man wäre damit seiner Zeit gleich um gut sieben Jahrhunderte voraus gewesen.

Da das damals aber nicht geschehen ist, und auch heute noch nicht jeder Spieler, der sich an "Salamanca" heranmacht, mit den neuesten Erkenntnissen bezüglich Kosmos und Chaos vertraut ist, kann man nur empfehlen, sich leicht und locker an den Spieltisch zu setzen, sich am hübschen Design, am hochwertigen Material und an der professionellen Spielausstattung zu erfreuen und mit "Salamanca" die ausgelassene Stimmung einer kastillianischen Art von "Mensch-ärgere-Dich-nicht" mitten im Herzen Spaniens auf sich wirken zu lassen.

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