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Autor Stefan Feld
Verlag Alea
erschienen 2007
Spielerzahl 2-5
Spieldauer 75 Minuten
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Notre Dame

rezensiert von Walter Sorger

Die Kathedrale von Paris steht schon. Zu ihren Füßen tummeln sich die Spieler und versuchen durch geschicktes Ausnutzen ihrer Aktionsfreiheiten die meisten Siegpunkte zu ergattern.

Jeder Spieler arbeitet dabei auf einem eigenen Spielbrett, das für alle Spieler die identische Struktur aufweist. Gemäß der Spieleranzahl werden 3, 4 oder 5 Einzelbretter zu einer gemeinsamen Fläche zusammengesteckt, so dass in der Mitte der Place du Parvis Notre-Dame entsteht. Eine sehr hübsche topologische Konstruktion.

In drei Durchgängen zu je drei Runden mit je zwei Aktionen darf jeder Spieler sein Spiel machen. Pro Aktion erhöht der Spieler alternativ:

Je häufiger ein Spieler die gleiche Aktion ausführt, desto höher ist der jeweilige Ertrag: Bei der ersten Pöppelvermehrung bekommt man ein einziges zusätzliches Pöppel, bei der zweiten bereits zwei, bei der dritten drei usw. boardEntsprechendes gilt für die anderen Ressourcen. Um an die hohen Erträge heranzukommen, heißt es also Schwerpunkte zu bilden, und sich konsequent in einer bestimmten Richtung hin zu entwickeln. Wer sich nach dem Gießkannenprinzip überall gleichmäßig betätigt, bleibt im Mittelmaß hängen.

Eine reine Monokultur führt allerdings auch nicht zum Sieg; die Regeln erzwingen ein Engagement auf verschiedenen Gebieten: Man braucht unbedingt Pöppel, um überhaupt Aktionen ausführen zu dürfen und man braucht Geld für vielerlei lohnenswerte Aktivitäten. Auch für die Rattenbekämpfung muss man hin und wieder einen Aktionspunkt spendieren, um durch die Ratten nicht ständig Verluste hinnehmen zu müssen. In jeder Richtung "immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel" heißt das Geheimnis.

Natürlich verschieben sich die Prioritäten im Laufe des Spieles. Am Anfang sind Pöppel und Geld dringend vonnöten, später muss der gesamte Aktionsspielraum in Richtung Siegpunkte ausgenutzt werden. Dann darf man auch mal ein paar Federn bei den Ratten lassen. Das optimale Timing ist durchaus eine operative Herausforderung.

Von seiner Anlage hier ist das Spiel absolut symmetrisch. Jeder Spieler hat die gleichen neun Aktionskarten auf der Hand, die seine zulässigen Spielzüge bestimmen. Doch ein pfiffiger Auswahlmechanismus sorgt dafür, dass sich alles ganz unsymmetrisch entwickelt: boardFür jede Spielrunde muss ein Spieler blind drei seiner Aktionskarten in die Hand nehmen, davon muss er zwei Karten an seinen linken Nachbarn weitergeben und darf nur eine behalten. Nachdem er von seinem linken Nachbarn ebenfalls zwei Aktionskarten bekommen hat, muss er noch einmal eine Karte weiter schieben, so dass die Aktionskarten, die schließlich seinen Handlungsspielraum ausmachen, nur zu einem Drittel aus dem eigenen Bestand stammen.

Zwei von diesen drei Aktionskarten kann, darf oder muss ein Spieler einsetzen. Dass hier ein deutlicher fremdbestimmter Zufallseffekt ins Spiel kommt, ist nicht zu übersehen. Allerdings ist die Mächtigkeit der verschiedenen Karten in etwa gleichwertig, und die Karten, die man von den Mitspielern erhält, sind im Durchschnitt nicht schlechter sein als diejenigen, die man selber weitergeschoben hat. Wenn man Glück hat, passen sie sogar gerade zu den eigenen Ambitionen, zur Pöppel-, Geld- oder Siegpunkte-Vermehrung. Es gibt viele Wege zum Siegen, das ist einer der Vorzüge von "Notre Dame".

Jeder Spieler baut lustig vor sich hin, freut sich an einem sprudelnden Geldsegen, trägt die Rattenverluste mit Fassung und fördert zielgerichtet seine Quellen für Siegpunkte. Keiner tut keinem weh, das Spiel ist genauso friedlich wie eine Rommee-Runde zu Großmutters Zeiten, nur sehr viel konstruktiver, ästhetischer und mit mehr Erfolgserlebnissen zwischendurch.

Nach dem Spiele kann man sich Gedanken darüber machen, was man das nächste Mal besser machen will. Und das ist immer ein Zeichen von gutem Spieldesign. In jedem Fall ist das Spiel eine gelungene Mischung von Glück und Können: der Zufall bestimmt die Reihenfolge der Spielzüge, die jeder machen darf, und das Können liefert dazu die passende optimale Gesamt-Planung, die zum Sieg führt.

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