|
||||||||||||
|
rezensiert von Walter Sorger
"Zeitalter der Entdeckungen" gehört in die Kategorie der Denke-und-Arbeite-Spiele, die in den letzten Jahren Erfinder-Konjunktur haben. Allein aus dem Jahre 2007 finden sich in unseren Spielereports die Namen "Agricola", "Colosseum", "Notre Dame", "Portobello Market", "Sechststädtebund", "Tribun" und "Wickinger". Alle sind strategische Aufbauspiele, in denen ohne Kampf und Würfel allein durch überlegte Ressourcenplanung, geschicktes Ausnutzen von Prioritäten, zielstrebiges Erzielen von Mehrheiten und ähnliche Zugoptimierungen der Sieg errungen werden soll.
Im "Zeitalter der Entdeckungen" sind wir Unternehmer, die Schiffe erwerben und sie auf Handels- bzw. Entdeckungsreisen schicken, um damit schlussendlich die meisten Siegpunkte zu ergattern. Ich will die acht Seiten kleingedruckter Spielregeln hier im Detail nicht wiedergeben. Die groben Zusammenhänge sind auf folgendem Flussdiagramm dargestellt:
Planspiele, die in ihrem Regelwerk keine Zufallseinflüsse eingebaut haben, bei denen jeder ungehindert von den Mitspielern seine Aktionen durchführen kann und bei denen man auch nicht aggressiv den Gegnern am Zeug flicken kann, geraten leicht in die Gefahr des Determinismus, d.h. der Spielausgang liegt nach der Startaufstellung bereits mehr oder weniger fest. Man brauchte die verschiedenen Spielelemente nur eine mittelgroße Formel einfließen zu lassen, ein bisschen herumzurechnen und schon hätte man die besten Züge schwarz auf weiß auf der Hand und das Spiel hätte jeglichen Reiz verloren.
Beim "Zeitalter der Entdeckungen" wird dieser Berechenbarkeit ein Zügel vorgeschoben, indem nur jeweils ein Teil der im Spiel enthaltenden Schiffe und Handelsaufträge offen zur Verfügung stehen. Hier entscheidet der Zufall über die Marktlage und das gesamte zeitlich gestreckte Angebot kann zahlenmäßig nicht erfasst werden.
Damit das ganze Spiel auch noch ein bisschen Asymmetrie erhält, bekommt jeder Spieler zu Beginn einen zufälligen Sonderauftrag zugeteilt, der am Spielende in zusätzliche Siegpunkte umgemünzt werden soll. Jeder Auftrag lautet anders: Für den einen Spieler wird jede Beteiligung an einer Entdeckung bewertet, für den andern nur die Entdeckungen, bei denen er die einfache oder gar die absolute Mehrheit an Schiffen besitzt. Je schwieriger die Forderung zu erfüllen ist, desto höher ist der Siegpunkt-Faktor, den es dafür gibt. Was schlussendlich dabei herauskommt, kann im Laufe des Spiels jeder für sich selber ausrechnen, für die Mitspieler ist es auf keinen Fall vorhersehbar. Der endgültige Sieger bleibt bis zur letzten Sekunde offen.
Die Sonderaufträge sind wegen ihrer unterschiedlichen Mächtigkeit schon von verschiedenster Seite her kritisiert worden, ich halte sie dennoch für einigermaßen ausgewogen. Die Autoren haben sich sehr viel Mühe gegeben, die damit verbundenen Zahlenreihen sachgerecht zu ermitteln. Ganz recht kann man es bekanntlich niemandem machen.
In meinen Augen enthält das Design eine andere Ungerechtigkeit: der Startspieler hat deutlich die größte Chance, sich den besten Handelsauftrag der Runde und ein dazu passendes Schiff auszusuchen. So kommt sein Handelskreislauf am schnellsten und effizientesten in Gang und weil dieser Mechanismus stark progressiv Früchte trägt ist, kann man sich damit nur schwer einholbare Vorteile verschaffen. Wer als Letzter in der Startreihenfolge Pech hat, für den liegen in der ersten Runde nur noch große Aufträge vor, die er mit seinem noch schwach entwickelten Schiffspotential nicht erfüllen kann.
Dieser Problematik wird durch die Jokerschiffe ein bisschen entgegengesteuert: jeder Spieler erhält zu Spielbeginn eines dieser Schiffe, die eine variable Last tragen und für zwei verschiedene Farben verwendet werden können. Ein weiterer Weichmacher sind bestimmte Aktionskarten, mit denen die Farbe eines Schiffs beliebig verändern kann. So sollte es nur höchst selten vorkommen, dass man von der Startaufstellung und der Startposition her gleich von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist.
Ansonsten muss man alle sich bietenden Gelegenheiten wahrnehmen, zu Geld, zu Schiffen, zu optimalen Handelsaufträgen und zur lohnenswerter Präsenz auf den Entdeckungsreisen zu kommen. Beim ersten Mal ist die richtige Fahrlinie nur schwer zu entdecken. Doch mit steigender Erfahrung lernt man die zahlreichen Nuancen des Spieles besser kennen und genießt die hübsche Aufgabenstellung, sich durch eine gute zeitliche Koordinierung seiner Aktionen an die Spitze zu stellen.
Dabei geht alles ganz flott vorüber. Kaum hat man seine Engpässe alle beseitigt und schwelgt nur so in Schiffen und Geld, das ist das Spiel auch schon vorbei. Wer jetzt allerdings immer noch in solchen Besitztümern schwelgt, der hat etwas falsch gemacht: Er hat verpasst, seine Hab und Gut rechtzeitig auf Entdeckungsreisen zu schicken. Genau darin liegt die Herausforderung im "Zeitalter der Entdeckungen".
Kommentare lesen/schreiben |
©2008, Westpark Gamers