Spielbericht 23.10.2002
Autor: Walter
am Tisch: Peter, Günther, Aaron, Walter
auf dem Tisch: 1830
- 1830
Seit geschlagenen sechs Monaten wieder einmal eine 1830 Session. Die Gelegenheit war
günstig, da unser Fantasy-Guru Moritz (1830 kennt halt keine Orcs) und unser
Schach-Stratege Hans (1830 kennt halt kein Matt in 5 Zügen) pausieren mußten.
So trafen wir uns zu viert: drei alte Hasen und unser Newcomer Peter. Keiner brauchte
keinem Hilfsstellung zu geben und so konnten wir gleich ohne Rücksicht auf Verluste
beginnen. Allerdings hat Peter im Laufe des Spieles jeweils bevor er seinen besten Zug
tat, immer noch in die Runde gefragt, ob es nicht noch einen besseren Zug gäbe. Drei
Experten propagierten drei verschiedene beste Alternativen. Uneigennützig, wie 1830 ja
nun einmal ist.
Peter war Startspieler und kaufte sich gleich die Schuylkill Valley. Aaron bot 175 auf
seinen Privat-Favoriten Camden & Amboy (C&A). So kaufte ich die Champlain &
St. Lawrence, mit der Überlegung, daß in einer Vierer-Runde, wo jeder von Haus aus viel
Liquidität mitbringt, die dazu passende Canadian eine gute Einstiegslinie für einen
Diesel-Endkampf werden könnte. Günther bot mit Aaron auf die C&A, die Aaron
schließlich für 190 ersteigerte. Dieser Preis war auch ein Novum in unserer
1830-Geschichte, obwohl es genügend Literatur gibt, die behauptet, dieser Preis sei noch
angemessen.
Als letzte Privatbahn blieb die Baltimore & Ohio (B&O) übrig und drei Bankrunden
lang wollte sie keiner haben. Wer sie kaufte, der mußte letzter werden beim Bieten um die
öffentlichen Eisenbahn-Gesellschaften und konnte dann aus eigener Kraft in der Startrunde
keine eigene Gesellschaft floaten. Nachdem ich drei Runden lang zusehen mußte, wie die
anderen Mitspieler jeweils 20 bzw. 25 Dollar einstrichen, und ich dagegen mit meiner
B&O nur 10 Dollar, habe ich schliesslich in den sauren Apfel gebissen, die B&O
gekauft und die Hoffnungen auf eine frühe Eröffnungslinie gleich begraben.
Günther fing mit der New York / New Haven (NYNH) für 76 Dollar an, Peter schloß sich
gleich in der New Yorker Gegend mit der Boston & Maine (B&M) für 100 Dollar (!)
an und Aaron eröffnete seine Lieblingslinie, die Pennsylvania (PRR) für 82 Dollar. Damit
war auch die Start-Reihenfolge für die Operationsrunden klar. Peter kaufte drei
Zweierzüge für die B&M, Aaron einen Zweierzug für die PRR und Günther hatte das
Vergnügen, für die NYNH die restlichen Zweierzüge und gleich den ersten Dreierzug kaufen
zu können.
Ich hatte in den ersten Bietrunden gepaßt, weil ich die kommenden Präsidenten erst mal
unter einen gewissen Investitionsdruck setzen wollte. Dann habe ich mich an Günthers NYNH
beteiligt, weil er erstens ein kompetenter und vertrauenswürdiger (was heißt das schon
bei 1830 ?) Präsident ist, und weil er direkt hinter mir saß, so daß ich mit 75 %
Wahrscheinlichkeit vor ihm den Prioritäts-Deal bekam. Wir kamen so gemeinsam in den Genuß
des automatisch steigenden Aktienwertes auf Grund des 100% Verkaufs der NYNH-Aktie. Ich
wollte die Linie bei nächster Gelegenheit wieder verkaufen; erstens um eine eigene Linie,
meine bereits angefangene B&O, zu floaten und zweitens um Günther zu schädigen.
Allerdings war Günther ein so tüchtiger Präsident und leitete die NYNH mit soviel
wirtschaftlichem Erfolg, daß ich die Aktien bis zum Ende behielt.
Aaron kam mit seiner PRR den ganzen Abend auf keinen grünen Zweig. Sie ist ja sowieso
eine äußerst knickrige Startlinie. Mit drei Dollar sind Sie dabei. Das reicht nicht zum
Leben und nicht zum Sterben. Da nach den Westpark-Gamers-Regeln ein Aktienkurs auch nur
dann steigt, wenn eine Linie mindestens den aktuellen Aktienwert als Dividende
ausschüttet, konnte die PRR nur schwer Boden gutmachen. Irgendwie kam Aaron irgendwann
auch noch dazu, für seine PRR zwei Dreierzüge zu kaufen. Damit war ihre Liquidität
erschöpft, und Aaron konnte seinen Lieblings-Schachzug, nämlich die C&A für 340
Dollar an die PRR zu verkaufen, nicht verwirklichen. Die Linie dümpelte nur so dahin und
mit ihr mußte ihr Besitzer alle Siegeshoffnungen begraben. Ein Kompliment an die
Nehmerqualitäten des Präsidenten, der alles mit gelassener Miene über sich ergehen ließ
und bis zum Schluß gut gelaunt dabei blieb.
Peter igelte sich mit seiner B&M um das New Yorker Gebiet ein. Das Streckennetz von
NYNH, B&M und NYC war ein eiförmiges, abgeschlossenes Gebilde, wie das Wurzelgeflecht
eines Gummibaumes in einem zu engen Topf. Keine Verbindung nach Canada, kein Durchgang
zur anderen Hälfte von New-Nork und den erschlossenen Geschäftsfeldern im Süden, keine
Öffnung zu den weiten Prärien der Erie und der Chesapeake. So etwas habe ich bisher auch
noch nicht erlebt. Aber mit Angst und Mißgunst alleine kann man 1830 auch nicht gewinnen.
Das Spielende war kurios. Es gab ein Deadlock mit sechs gefloateten Linien, die jeweils
zwei Züge hatten. Kein Sechserzug wurde gekauft und ebenso keine Diesellok! Warum?
Mehrere Linien hatten genug Geld gespart (800 Dollar), um bei nächster Gelegenheit eine
Viererlok gegen eine Diesellok umzutauschen. Dafür mußte aber zuerst der erste Sechserzug
gekauft werden. Jeder der das getan hätte, auch z.B. durch das Floaten einer der beiden
übrigen Linien, hätte dann für seine anderen Linien tief in die Privat-Schatulle greifen
müssen und eine Diesel finanzieren müssen. Das wollte keiner. So kam das Spielende (der
Bank ging das Geld aus) herbei, die prestigeträchtige PRR war im stolzen Besitz von zwei
Dreierzügen, die anderen Linien teilten sich die restlichen Dreier-, Vierer- und
Fünfer-Züge.
Es war eine sehr friedliche Runde. Es gab keinerlei bösartige Manipulationen auf dem
Aktienmarkt. Keiner hat einem anderen mit Verlusten eine Gesellschaft angedreht. Es gab
keine taktischen Manöver zum Plazieren von Linien auf dem Positions-Tableau. Wir waren
nur Empire-Builder, von denen sich schließlich der Günther durchgesetzt hat. Vielleicht
ist das tendenziell in einer Viererrunde immer so, sofern kein ausgesprochener Chaot
dabei ist.
Lieber Peter, Du hast sehr gekonnt agiert, gut gekauft und gut gebaut. Keine Rückschläge,
keine Fehlinvestition, und wenn es was zu verdienen gab, warst Du auch immer dabei. Warum
hast Du nicht gewonnen? Ich glaubte, Du hast die Anfangslinien mit 90 oder 100 Doller zu
teuer eingesetzt. Das kostet Dich Dein gesamtes Startkapital und bringt Dir nur sechs
Shares ein. Du kannst auch nicht mehr daran verdienen, wenn die Aktien wegen
Total-Ausverkaufs nach oben steigen. Wenn man eine Linie mit 76 Dollar startet, dann kann
man in kürzester Zeit 30 % Kursgewinn allein durch die Verschiebung nach oben machen.
Gerade am Anfang sind Share-Anteile so gut wie bares Geld.
Günther hat die NYNH für 76 eingesetzt, damit bekam er mehr Shares zusammen als Du, und
seine Linie war mit 2 Zweierzügen und 1 Dreierzug am Anfang schon besser ausgestattet und
konnte einige Runden lang problemlos ausschütten, wo Du wegen der drohenden 4-er Züge von
Anfang an, und auch das ganze Spiel über, ans Sparen denken mußtest.
Günthers zweite Linie, die C&O, lief am Anfang ziemlich schlecht, als Aaron und ich
ihn von New York abdrängen konnten. Allerdings kassiert die C&O zum Westrand hin (da
gibt es eine 70-er Randstadt) doch mehr als Nichts. Er hat aber dann doch noch die
Nordverbindung nach New York geschafft und konnte dann auch hier unbehelligt absahnen.
Schließlich hat Günther auch seine Rest-Investitionen nach dem Maximum-Profit-Prinzip
getätigt, während Du da eher Vorsicht (oder persönliche Präferenzen?) hast walten lassen.
Weiterhin darf man auch nicht ängstlich oder zu symmetrisch bei der Beteiligung an den
Aktien fremder Gesellschaften vorgehen. "Keep fully invested" propagiert kein
Gieskannenprinzip, sondern das Einsteigen bei genau der jeweils einzigen besten
Gesellschaft. Risikobetrachtungen sind dabei notwendig, in der Anfangsphase aber nicht
Ausschlag gebend. Die Gesellschaft, die die höchsten Dividenden auszahlt und dabei über
genügend flüssige Mittel verfügt, die nächsten Jahrespläne, sprich Operationsrunden,
durchzustehen, ist die beste. Kaufen, Gewinne einstreichen und verkaufen, das ist die
Devise. Darin warst Du etwas zu vorsichtig.
Aber 1830 ist ja grundsätzlich das Spiel der verpaßten Gelegenheiten. Jeder kann am Ende
mitteilen, welches seine wirtschaftlichen Fehltritte waren, wo er nicht aufgepaßt oder
sich falsch entschieden hat. Meiner Meinung nach ist das aber kein Grund, das nächste
Spiel noch langsamer und noch bedächtiger anzugehen. 1830 ist ein kybernetisches Spiel
mit Plänen, Träumen, Coups und Niederlagen. Fast wia im richtigen Leben. Laßt es uns
spielen.