Spielbericht 05.11.2002

Autor: Walter

am Tisch: Peter, Andrea, Hans, Moritz, Günther, Walter

auf dem Tisch: Age of Steam

  1. Age Of SteamAge of Steam - box
    Günther hatte das Spiel frisch aus Essen mitgebracht und die Erwartungen waren groß. Die Emotionen auch. "Sieht aus wie 1830!". "Funktioniert wie 'Dampfross'!" "Hat es denn Orcs und Spells?" Eifrig machten wir uns ans Studium der Spielregeln. Nur unterbrochen von Peters Bemerkungen zu seinen letzten Erfahrungen über Gott und die Welt.

    Hans wurde Startspieler. Das heißt hier aber noch gar nichts. Er durfte nur als erster das Gebot um die wirkliche erste Position in der Zugreihenfolge abgeben. Noch wußte keiner, was dies für eine Bedeutung haben sollte. Ich weiß nicht mehr, wer sich schließlich mit einem Höchstgebot das Recht des ersten Zuges ersteigerte. Sparsam wie ich nun mal bin, hatte ich gar nichts geboten und kam dafür als letzter zum Zug.

    Wir verteilten die Sondereigenschaften. In Rahmen der noch übrig gebliebenen Wahlmöglichkeiten glaubte jeder, das Beste für sich herausgeholt zu haben. Der eine den "ersten Streckenbau", der nächste den "Ingenieur", der dritte die "erste Bewegung" usw.. Mir als letztem blieb nur "Passen" oder "Städtbau" übrig. Als erfahrener Bridgespieler wählte ich das "Passen". Und fuhr damit sehr gut!

    Nicht so sehr in der ersten Runde. Da konnte jeder irgendeine Strecke in irgendeinem Winkel der USA bauen und auch betreiben. Ein Einkommen von 1 oder 2 Dollar war noch keine Vorentscheidung. Dagegen machten die unvermeidlichen Ausgaben und Kosten gleich deutlich, daß es ganz schön teuer werden würde, das Eisenbahngeschäft ins Rollen zu bringen. Da ging es auch schon in die zweite Runde.

    Mit den angefangenen Strecken waren bereits persönliche Tendenzen erkennbar und Präferenzkämpfe konnten sich entwickeln. Wilhelm Busch hat schon bemerkt: "Ohne die gehörigen Mittel, soll man keinen Krieg beginnen". Also ging es darum, viele Aktien zu verkaufen und sich damit genügend liquide Mittel zu verschaffen, um die Zug-Priorität zu ersteigern und den Gleisausbau vorantreiben zu können. Hier waren Hans und Peter ganz entschiedene Verfechter eines ungebremsten Kapitalismus. Der eine aus Neigung, der andere aus Abneigung. Schließlich setzte sich Peter mit einem Gebot von 11 Dollar durch. Allein für die Priorität! Wenn es darum geht, sich an die Spitze zu setzen, hat er noch nie gekleckert. Eher geklotzt.

    Age of Steam - boardIch kam in einen unvermutenen Bonus meiner "Pass"-Eigenschaft. Nachdem ich in der ersten Runde doch noch zu einer akzeptablen Strecke gekommen war und auch genügend Aussicht hatte, in der zweiten Runde nicht zu kurz zu kommen, bot ich wiederum nichts in der Versteigerungsphase. Da aber Peter schon mit einem hohen Erstgebot in die Versteigerung eingestiegen war, konnte ich beruhigt passen, ohne gleich auf den letzten Platz positioniert zu werden. Die anderen Spieler fielen nun reihenweise um, und nach dem sich der Dampf der Versteigerung verzogen hatte, war ich ohne eine einzigen Heller zu investieren Dritter geworden. Das gefiel mir so gut, daß ich als Sondereigenschaft gleich wieder das "Passen" auswählte. Das war nämlich noch frei, denn die ersten beiden Spieler hatten sich selbstverständlich für ein "jus primae ..." entschieden.

    Wie ging es weiter. Mit Günther baute ich friedlich im Westen der USA. Die 4 anderen Spieler kämpften mit Ingenieurskunst, Städtebau, Güterwachstum und Lokomotiven im Osten. Dabei hatten gerade die größten "Powerer" (sagt man "Verpulverer"?) vor allem damit zu tun, mit ihren noch spärlichen Einkommen die Ansprüche der Aktieninhaber zu befriedigen. Trotz hoher Einkünfte nagten sie ewig am Hungertuch. Man sieht, ein nackter Kapitalismus kann keine heile Welt schaffen.

    Lange Zeit hatte ich als Sieger ausgesehen. Ich war ein äußerst zurückhaltendes und ökologisches Prinzip gefahren: Fast keine Aktien ausgeben, wenig und das Wenige aus eigenen Mitteln finanzieren. Geringe Einkünfte, aber noch weniger Kosten. Das sah alles sehr gut aus. Aber - Gott-sei-Dank- ist eine solch grüne Industriepolitik in diesem Spiel doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Ein bißchen Aktionismus muß schon dabei sein.

    Moritz war einen gemäßigten Kurs gefahren, hatte ruhig und konzentriert im Zentrum Zug um Zug seine Strecken ausgebaut und besaß nach der vierten Runde ein hegemoniales Imperium, an dem keiner mehr vorbeikam. Ob man wollte oder nicht, jeder mußte ihn mitverdienen lassen. Am meisten ergatterte Moritz sich aber selbst, indem er Güter über 4 bis 5 eigene Strecken ans Ziel transportieren konnte. Ein verdienter Sieg.

    Was ist post mortem zu den anderen zu sagen? Günther hatte sich zu sehr verzettelt. Es geht nicht darum, irgendwo mal ein schnelles Glück zu machen. Die Sonne über Kalifornien geht auch mal unter. Dann zahlen sich die Investitionen um Chincinnati und Detroit aus. Wir stehen schließlich vor dem Automobil-Zeitalter! Das hat er etwas zu spät erkannt.

    Andrea hatte einen schweren Stand im Kreise der männlichen Empire-Builder. Sie mußte sich ja auch noch gegen ihren eigenen Mann durchsetzen. Wie sehr oft lieferten sie sich einen leidenschaftlichen Konkurrenzkampf um Strecken und Güter. Mit einem ehrenvollen dritten Platz durfte sie ihn nach Hause begleiten.

    Hans neigt bei diesen Spielen dazu, sein Gehirn einzuschalten. Wie beim Schach. Und dann ist er immer entsetzt, wenn es erstens anders kommt, zweitens als er denkt. Lieber Hans, stell' Dir mal vor, Du spielst ein Schach mit 5 Gegenspielern. Und nach dem Damengambit nimmt Dir der erste Gegner den Bauern und der zweite Gegner die Dame weg! Dumm gelaufen! Spricht das gegen das Schach? So sind nun mal stragetische Mehr-Personen-Spiele. Die besten Gedanken nützen nichts, wenn sie die anderen haben!

    Wir haben alle erst die Spiel-Prinzipien kennenlernen müssen. Wir sind alle klüger geworden. Das nächste Mal wird es mehr gewollte Kooperationen geben. Eine Hand wäscht die andere, d.h. nutzt du meine Strecke und läßt mich mit-verdienen, so nutze ich deine Strecke und laß dich mit-verdienen! Mit-zu-verdienen, nicht mit-zu-zerstören sind wir da. Es wird auch mehr taktisches Bauen geben. Man kann sich mit übrigen Bauteilen ja mal prophylaktisch Ausgänge aus Städten sichern. Und damit ggf. eigene Strecken schützen. Das kam überhaupt nicht vor. Auch das Bieten um die Zugreihenfolge wird sich mäßigen. Man muß nicht immer als erster ziehen um erster zu werden. Den wahren Wert der Zug-Priorität werden wir erst im Laufe einiger Sessions einschätzen können. Aber eines ist sicher: Es werden noch viele Age-of-Steams-Sessions folgen.

    Insgesamt war es ein sehr vergnüglicher Abend. Nach anfänglichen Agressionen ganz allgemein und insbesondere bei irrtümlichen und wechselnden Regel-Auslegungen kämpfte jeder für seine eigene Wohlfahrt. Da wurde die Stimmung am Ende ganz sachlich und konstruktiv. Moritz vergab die (gute) Note 8, obwohl er zum Bruder-Spiel 1830 noch keine echte Beziehung gefunden hat. Peter vergab die (schlechte) Note 5, obwohl seine Liebe zum großen Bruder gerade erst den ersten Höhepunkten zustrebt. Hans vergab auch die Note 5, weil er das entsetzliche Aufwachen nach dem Damengambit niemals überwinden wird. Wir anderen 1830-er waren mit 8-9 Punkten dabei. Ein bißchen Luft bis zum wahren 1830 muß schon noch bleiben.