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Finale ist eine Fußball-Simulation. Was das Thema Fußball angeht, so halt ich's mit Horaz carm. 3.1.1 (hier erkennt der Leser den elitären Althistoriker in unserem Autor, denn wer kennt schon dieses Zitat? [ah]). Ein Glück, dass mich Themen von Brettspielen wenig interessieren: Ob das mathemisch-logische System, das meinen Spielspaß generieren soll, einem antik-historischen Thema, einer Pizzeria oder gar einer Merchanidising-Welt à la Herr der Ringe aufgepropft ist, ist mir völlig egal - solange der Spielspaß stimmt.
Nun gibt es Spiele, die praktisch gar nichts mit ihrem Thema zu tun haben und rein abstrakt sind (typische Beispiele wären die meisten Knizia-Spiele). Andere versuchen doch noch, gewisse Elemente des Themas zu simulieren. Finale, das einzelne Spieler mit verschiedenen Stärken, gelbe und rote Karten, Auswechselungen, einzelne Tore und oft relativ realistische Endresultate kennt, gehört also definitiv in die letztere Kategorie. Insofern hat's Finale eher schwerer, bei uns Begeisterung zu wecken. Die Spielanleitung (die mit weitem Abstand die chaotischte irgendeines Spieles in der Kosmos-2PS-Reihe ist) tut das Ihrige.
Genug der Vorreden und dunklen Ankündigungen: Finale ist ein großartiges, durchdachtes Spiel, das genügend Abstraktion ins Spiel eingebaut, um sehr viel Spaß zu machen. Das Spiel besteht aus zwei Phasen: Zuerst stellen sich beide Spieler geheim eine Mannschaft und ein Set von Taktikkarten zusammen, dann folgt das eigentliche Spiel, in dem die beiden Teams aufeinander losgelassen werden und Tore schießen (bzw. Selbiges verhindern).
Diese erste Phase kann komplett entfallen (weil in den Regeln eine Standardmannschaft und und ein Standard-Taktikkartenset vorgegeben werden) oder irgendwann von den einzelnen Spielern vorbereitet werden. Nichts hindert den Spieler, sich zu einem beliebigen Zeitpunkt eine (vermeintliche) Killer-Truppe zusammenzustellen.
Um das Planen zu verstehen, muss ich kurz die Mechanik des eigentlichen Spiels erklären. Eine Mannschaft besteht aus 11 Spielern plus 4 Reservespieler. Jeder "Spieler" ist eine Karte, die gleich einer Siedler-von-Catan-2PS-Karte gedreht wird. Es gilt jeweils der oben stehende Wert. Unsere Beispielkarte ist also abwechselnd 4, 2, 5, 2 und dann wieder 4 Punkte wert.
Stellen wir uns vor, die dargestellte Taktikkarte würde zum Einsatz kommen. Dann würden beide Spieler je drei Karten verwenden dürfen bzw. müssen: Der eine einen Verteidiger (gelb) und zwei Mittelfeldspieler (blau), der andere einen Stürmer (rot) und ebenfalls zwei Mittelfeldspieler. Wie die Eckmarkierungen unseres Achim Dribbel zeigen, ist er zum Beispiel Mittelfeldspieler.
Die Zahlenwerte werden verglichen, und der höhere gewinnt. Doch ganz so einfach ist es nicht, weil jeder Spieler noch einen sechsseitigen Würfel wirft (mit den Seiten 0, 1, 1, 2, 2, 3) und das Ergebnis zu seinem Wert addiert. Der Würfel hat noch eine andere Bedeutung. Steht ein Symbol wie gelbe Karte/rote Karte/Verletzung rechts oben im Eck, dann ist eine Spielerkarte, die gerade eingesetzt wird, potentiell gefährdert. Achim Dribbel wäre also nach zwei Einsätzen (wenn das Verletzungssymbol nach rechts oben rotiert ist) gefährdet. Er würde mit ein Drittel Wahrscheinlichkeit ausfallen (bei einer 2 nämlich).
Die Spielstärke und die Ausfallwahrscheinlichkeit definieren also die Stärke eines Spielers. Jeder Spieler hat einen Preis, und der wird rechts unten im Kasten angegeben (Achim Dribbel kostet 4). Den beiden Brettspielern stehen 50 Punkte zur Verfügung; 50 durch 15 ist 3,33; man sieht also, dass Achim leicht überdurchschnittlich ist.
Der eine Teil der Vorbereitungsphase besteht also darin, 50 Punkte auf 15 Karten zu verteilen, und das ist nichts für mathematisch Herausgeforderte oder für Leute, die Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu treffen. Aber wie gesagt, das Spiel hält auch eine Standardmannschaft bereit.
Die andere Entscheidung ist, aus 59 Taktikkarten 11 auszuwählen. Die Zahlen sind deswegen so krumm, weil eine Karte verpflichtend genommen werden muss, sodass aus dem runden 12 aus 60 das krumme 11 aus 59 wird. Während die Standardkarten nach Positionen ausgewogen sind (also Verteidigung, Mittelfeld und Sturm gleichermaßen vorkommen), stehen auch asymmetrische Karten zur Verfügung. Zwei davon seien zur Illustrion abgebildet:Die Taktikkarten müssen natürlich zum Team passen: Es wäre beispielsweise sinnvoll, teure und/oder viele Verteidiger mit der abgebildeten Abseitskarte zu kombinieren.
Die groß auf der Karte abgebildete Zahl ist besonders wichtig. Denn beide Spieler decken gleichzeitig die Taktik-Karte auf, die sie gerade spielen wollen, und nur der greift an (und kann ein Tor schießen), dessen Zahl höher ist. Versagt er allerdings, kann der andere kontern und erhält einen Bonus in Höhe der Kartendifferenz. Ja, der Angreifer hat sogar soviele Angriffe, wie die Differenz beträgt, während es maximal einen Konter geben kann. Auf gut Deutsch: Im Zweifelsfall sind die "großen" Karten besser. Andererseits bieten "kleine" Karten oft besonders brutale Angriffe:
Hier fehlt die obere Reihe. Für ein Tor muss sonst erst immer die obere Reihe erfüllt werden und dann die untere. Bei dieser Karte ist man gleich in der untersten Reihe und kann zwei beliebige Spieler einsetzen.
Im Spiel selbst gibt es nicht nur die Entscheidung, welche Taktikkarte verwendet wird und welche Spielerkarten zum Einsatz kommen. Man verwendet übrigens nicht immer stur die besten: Ist ein Angriff ohnehin verloren (oder gewonnen), dreht man auch gern 1er weiter, damit wieder bessere Zahlen kommen. Ein sehr wichtiges Element ist auch das Auswechseln. Ein Spieler, der bereits gelb gesehen hat, ist extrem gefährdet (denn beim nächsten Check fliegt er mit 50% Wahrscheinlichkeit vom Platz). Auch ein Spieler mit den Werten 4, 5, 1, 1 ist ein Wechselkandidat, wenn er bereits mit 4 und 5 eingesetzt würde und gar nicht mehr soviele Einsätze kämen, damit er wieder bis 4 kommt.
Aber ich wollte nicht die Regeln erklären, sondern nur andeuten, wieviele verschiedene taktische Möglichkeiten dieses feine Spiel bietet. Nur ein Beispiel vom letzten Sonntag. Ich verlor 3:0 gegen Loredana (übrigens ein hübsch-realistisches Fußballergebnis, falls jemand Wert auf derlei Dinge legt). Dabei hatte ich eher Würfelglück als Würfelpech. Bei eigentlich jedem Angrif war ich ein, zwei Zähler hinten vor dem Würfelwurf - was bei der Gestaltung der Würfel kaum mehr aufzuholen ist. Kurzum: Eigentlich war das Spiel vorbei, bevor wir überhaupt anfingen zu spielen, denn ihre Zusammenstellung von Spielern und Taktikkarten war einfach deutlich besser. Dennoch hätte ich (wie im echten Fußball ...) doch noch gewinnen können: Wenn sie nämlich ein paar ihrer teuren Karten durch rot/rot-gelb/Verletzung verloren hätte. Das Spiel bleibt also stets spannend.
Fazit: Ein wirklich großartiges Spieldesign, das sich nur nach etlichen Wiederholungen ausloten lässt! Problematisch ist das eher lange Spiel-vor-dem-Spiel, das man kaum weglassen kann, da "Finale" sonst sehr verflacht. Mit "problematisch" meine ich nicht langweilig, sondern ungesellig: Beide Spieler sitzen sich schweigend gegenüber, zählen verdeckte Karten ab, rechnen, verrechnen sich, ändern doch wieder etwas usw. usf. Das ist der Grund, weswegen wir Finale nicht so oft spielen, wie es dem Spiel gebühren würde, und daher nur vier statt fünf Sterne. Übrigens ist Finale eines der ganz wenigen Kosmos-2PS, das vergriffen ist. Schade.
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Wertung:
©2004, Peter Riedlberger