|
Autor |
Martin Wallace |
Verlag |
Kosmos |
erschienen |
2003 |
Spieler |
3-4 |
Spieldauer |
80 Minuten |
|
Szenerie
Die Szenerie ist der Mittelmeerraum im 2. Jahrtausend v.Chr. Die Spieler lassen
allmählich die ersten Anrainer-Staaten entstehen und treiben als phönizische Kaufleute
mit ihnen Handel. Wer am Ende die erfolgreichsten Handelsstrukturen aufgebaut hat, wer
seine Kolonialstädte in den mächtigsten Staaten errichtet und seine Schiffe in die
ertragreichsten Gegenden geschickt hat, der ist Sieger.
Rundenabläufe
Das Spiel wird in einzelnen Runden abgewickelt.
- Zu Beginn jeder Runde legt jeder Spieler zwei Landkarten-Plättchen in die Geographie
der Mittelmeer-Landkarte und läßt so die Staaten entstehen und wachsen.
- Es gibt insgesamt vier verschiedene Staaten (in verschiedenen Farben).
- Die Staaten gehören niemandem. Jeder darf später seine Schiffe hierher senden und
hier Handelstädte gründen. Allerdings kann jede Stadt nur einmal gegründet werden. Wer zu
spät kommt, den bestraft das Leben.
- Jeder Spieler hat immer vier Landkarten-Plättchen zu Auswahl auf der Hand: Nach jedem
Ablegen zieht er sofort eines vom verdeckten Stapel nach.
- Man darf ein Plättchen nicht mitten in die Prärie, sondern nur an einen bereits
bestehenden Staat anlegen und ihn damit erweitern.
- " Die dicksten Staaten besitzen hinterher am meisten Wert. Jeder Spieler hat
also das Bestreben, die Staaten zu erweitern, in denen er selbst die meisten
Handelsaktivitäten entfaltet hat.
- Nach der Staaten-Erweiterung darf jeder Spieler in beliebiger Reihenfolge folgende
Aktionen ausführen:
- Schiffe bis an die Küsten der entstanden Staaten fahren lassen.
- Mit der Schiffsbesatzung eine Handelsstadt gründen.
- In den Handelstädten neue Schiffe ausrüsten
- Eine Runde geht so lange, bis alle Spieler keine "Kohle" mehr haben. Die
"Kohle" sind Handelskarten in den Farben der vier Mittelmeer-Staaten. Jeder
Spieler bekommt in jeder Runde 12 neue Karten ausgeteilt und muß damit seine Aktionen
bezahlen.
- Jede Bewegung eines Schiffes kostet eine Karte pro Planquadrat, über das die Reise
führt. Allerdings darf ein Schiff seine Fahrt nicht irgendwo mitten auf dem Spielbrett
beenden, sondern muß immer bis zur Küste eines Staates fahren. Der Spieler muß für die
Fahrt mit Karten in der Farbe des Staates bezahlen, an deren Küste er gelandet ist.
- Eine Handelstadt zu gründen kostet fünf Karten in der Farbe des Staates, auf dem die
Stadt gegründet werden soll.
- Ein Schiff auszurüsten kostet eine Karte in der Farbe des Staates, wo das Schiff
entsteht.
Kartentausch
Es ist klar, daß ein Spieler selten die richtige Art und die richtige Anzahl von
Karten in seiner Hand hat, um seine Lieblings-Aktion zu bezahlen. In diesem Fall kann er
Karten tauschen. Dazu gibt es drei Möglichkeiten:
- Er wirft 1 bis 3 Karten aus der Hand ab und zieht dafür die gleiche Anzahl von Karten
aus dem Vorratsstapel nach.
- Er wirft 3 Karten aus der Hand ab und sucht sich dafür eine einzige, aber beliebige
Karte aus dem Abwurfstapel heraus.
- Er fragt, ob ein Mitspieler Lust hat eine beliebige Anzahl von Karten mit ihm zu
tauschen. Da alle Spieler meist unterschiedliche Ambitionen und Interessen haben, sind
solche Tauschaktionen oft genug von gegenseitigem Vorteil.
Zufallseffekte
Bis hierher klingt das alles sehr berechenbar. Mit scharfem mathematischen Kalkül geht
man ins Rennen und sucht bei gegebener Kartenlage die besten Schiffsrouten, die
günstigsten Plätze für Handelsstädte und die lukrativsten Bauplätze für neue Schiffe
heraus. Nur ist die Wirklichkeit nicht ganz so willfährig.
- Die vier Landkarten-Plättchen zu Erweitern der Staaten sind eine sehr geringe Zahl
und oft genug kann man überhaupt nur ein einziges davon ablegen. U.U. muß man es sogar
gegen die eigene Spielposition einsetzen und die Gegner fördern. Kann das gut sein?
- Bei den ersten Städte-Gründungen hat man noch überhaupt keine Ahnung, wie sich die
ausgewählten Staaten entwickeln werden. Dies ist weitgehend abhängig vom Zufall der
Plättchen-Verteilung und von den nicht immer kalkulierbaren Ambitionen der Mitspieler.
Nur zum geringen Teil ist das an der geographischen Ausgangslage ablesbar.
- Die Handelskarten werden verdeckt ausgeteilt. Hier kann man Glück haben und genau die
Karten passend zur eigenen Zukunftsplanung erhalten. Bei ein bißchen Pech - mit der
üblichen Verteilungswahrscheinlichkeit eben - erhält man aber Karten, die keine großen
Sprünge erlauben. Jetzt kann man tauschen und tauschen und tauschen. Und hoffen, doch
noch auf einen grünen Zweig zu kommen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Mag sein, daß der Autor mit diesem Zufallseinfluß die spielerisch-chaotischen
Eigenschaften im Spiel unterstützen wollte, und zugleich damit den kühlen Rechnern und
den langsamen Grüblern das Wasser abgraben wollte. Für mich, für uns Spieler der WPG,
erschien dieser Effekt aber dem generellen Charakter des Spieles nicht förderlich zu
sein.
Regeländerungen gegen die Zufallseffekte
Auch anderen Kritikern fiel das schon auf und sie empfahlen, alle Landkarten-Plättchen
gleich von Beginn an unter alle Spielern zu verteilen. So hat kann jeder mehr
Möglichkeiten, ein für ihn positives Plättchen zu legen und kann eine Vision entwickeln,
in welche Richtung sich die Staaten wohl ausbreiten werden.
Eine andere, für mich noch bessere Lösung wäre, alle Plättchen offen auszulegen und
die Spieler beliebig daraus auswählen zu lassen. Warum denn nicht? Da gilt es auf einmal
ganz neue interessante Konflikte zu lösen. (Wenn jeder Spieler auch noch denkt, wenn er
nicht dran ist, und wenn er sich von Runde zu Runde merkt, was er sich vorher mal gedacht
hat, dann sollte dieses Auswahlprinzip das Spiel nicht allzusehr verzögern.)
Das gleiche Verteilproblem haben wir mit den Handelskarten. Warum soll hier der Zufall
einen so großen Einfluß bekommen und dem einen Spieler sofort den Weg in Paradies
eröffnen, den anderen aber nur ganz kleine Brötchen backen lassen. Könnte man nicht auch
hier die Karten offen auslegen und jeder sucht sich einzeln die Karten aus, die zu seinen
Ambitionen passen. Wenigstens halbe-halbe. Da würden mit Sicherheit alle Spieler mehr
Erfolgserlebnisse verbuchen können. Wäre das nichts?
Letzteres Problem wird durch eine extensive Tauschtätigkeit etwas entschärft. Da aber
manchmal auch das Tempo entscheidet (wer kann zuerst die eine erreichbare Stadt gründen)
ist es nicht unerheblich, ob das Schicksal dem wohl definierten Startspieler auch den
zugehörigen Startvorteil auskosten läßt. So aber haben wir großen Frust für den
Verlierer, und nur eine kleine Genugtuung für den überraschenden Gewinner des Zuges!
Die immanenten Unwägbarkeiten und die unausweichlichen Ungerechtigkeiten haben uns
etwas gestört.
Spieltipps für erfolgreiches Spielen
Dabei hat uns das Spiel aber trotzdem unisono sehr gut gefallen. Es bietet eine Menge
Handlungsspielraum (mit den oben erwähnten Modifikationen noch viel mehr) und es gibt
eine Reihe von strategischen Verhaltensweisen, die ein Gewinner unbedingt beachten
sollte:
- Entwickele gleich zu Spielbeginn eine Gesamt-Vorstellung, wo du dich niederlassen
willst! Die Spielprinzipien erlauben dir durchaus, diesem Ziel nahezukommen.
- Baue deine Städte nicht nach dem Wegelagerer-Prinzip an wenigen zentralen Plätzen,
sondern verteile sie wohl dosiert über das ganze Spielbrett.
- Bevor du deine Aktionen startest, tausche dir erst mal die richtigen Karten zusammen!
(Es sei denn, du hast bereits alles in der Hand, was du brauchst.) Es ist völlig gleich,
ob du gleich losschießt oder dir erst die richtigen Mittel besorgst. Die Runde ist erst
dann zu Ende, wenn der letzte Spieler gepaßt hat.
- Lege dir am Anfang jeder Runde einen Plan zurecht, was du mit den gegebenen Mitteln
erreichen willst! Verifiziere nach dem erfolgreichen Tauschprozeß, ob du den Plan auch
erfüllen kannst und überlege dir ggf. die günstigste Alternative! Für die gesamte Runde!
- Nutze jede Karte aus! Verpulvere deine Kohle nicht durch unnötiges Herumfahren,
spiele nicht mit dem Gaspedal! Jeder Spieler erhält die gleiche Menge an Energie; wer sie
am effizientesten ausnutzt, wird Sieger.
- Das Tauschen 3:1 gegen den Abwurfsstapel kostet dich unwiederbringlich zwei
Energiepunkte. Das solltest du wirklich nur im Notfall tun! Es ist nur dann besser, wen
die Karten ansonsten ungenutzt verfallen würden.
- Durch eigenes forcierendes Tauschen kannst du die Auswahlmöglichkeiten deiner
Konkurrenten verkürzen und sie so unter Druck setzen.
Noch ein paar Zahlen
Zum Schluß noch ein paar Überschlagszahlen zu Kosten- und Nutzen der verschiedenen
Handelsalternativen.
- Reine Schiffbau-Politik
- Da du insgesamt nur 10 Schiffe hast, in einem (Dreier-) Spiel aber über 60
Handelskarten verfügst, muß du mindestens 2 Städte bauen, um deine (Rest-)Karten
vollständig in Schiffe umsetzen zu können.
- Mit 2 Städten und 10 Schiffen kommst du im besten Fall auf etwa 2 * 10 + 10 * 4.5 =
65 Siegpunkte.
- Dabei kannst du nur 2 Farben nutzen und bist erheblich davon abhängig, daß dir das
Schicksal die entsprechenden Karten auch vergönnt.
- Reine Städtegründungs-Politik
- Jede Stadtgründung kostet etwa 9 Karten (Schiff bauen + wegfahren + Stadt
gründen)
- Wenn du ausschließlich Städte gründest, kommst du auf maximal 7 Stück. Vielleicht
erhältst du damit auch noch 2 mal die Hegemonie-Punkte.
- Mit 7 Städten kannst du also - ohne Feindeinwirkung - ungefähr 7 * 10,5 + 2 * 7 = 87
Siegpunkte erzielen.
- Gemischte Handelspolitik
- Wenn du etwa 4 Städte gründest und die Restkarten in Schiffe anlegst, dann kannst du
einerseits optimale Verbindungen zwischen den Städten anpeilen und hast kürzeste
Wegstrecken zum Freimachen der Plätze vor den Schiffswerften.
- Jede Stadtgründung wird ungefähr 10 Karten kosten. Du hast dann noch 20 Karten für
den Schiffbau übrig.
- Jedes Schiff kostet nur 2 Karten und mit ein bißchen Glück kannst du alle deine
Schiffe zu Einsatz bringen.
- Mit dieser gemischten Handelspolitik erhältst du dann etwa: 4 * 10,5 + 10 * 4,5 + 1 *
7 = 94 Siegpunkte
- Ergebnis: Mit 4 günstig plazierten Städten und dem Rest in Schiffen hast du eine
optimale Zielvorgabe für deine Handelspolitik. Alle Zahlen ohne Gewähr!
Zusammenfassung
Die Geschichte von Tyros ist stimmig, das Spiel funktioniert und die Mechanismen sind
eine Herausforderung, die es mit Geschick und Überlegung zu meistern gilt.
Man muß aber von Haus aus ein bißchen strategische Veranlagung mitbringen, damit der
Funke überspringt. Und ein paar Runden zum Verinnerlichen der Abläufe braucht man auch.
Dann aber ist Tyros ein Genuß. Nicht nur für Altphilologen.
WPG-Wertung: 8,0 Punkte
©2004, Walter Sorger