Aaron hatte letzte Woche auf seiner Dienstreise nach Korea jede Nacht in einer seouler Bar verbracht. (Mit Vergnügen.)
Günther hat es gestern auch wieder nicht geschafft, in den Zentralvorstand berufen zu werden. (Knapp.)
Moritz sägt am Stuhl von Klinsi, um sein Fußball-Oratorium in die Allianz-Arena zu bringen. (Anstelle des WM-Eröffnungsspiels.)
Walter wurde von seiner großen Liebe Adam R im Bridge-Club das “Du” angeboten. Dabei war er (Wer? Der A! natürlich) vor kurzen noch erst halb so alt wie ich.
Andrea hat ihre blonden Haare schwarz verlängern lassen und sieht blendend aus. (Sogar Aaron hat ihr spontan ein Kompliment gemacht.)
Wie viele Aussagen (einschließlich der Klammer-Ausdrücke) sind in obigen Sätzen enthalten? Wie viele davon gehören zum 1. April? Wenige!
1. “Vampire”
Moritz drängte sich nicht vor, doch weil Günther weder “Thurn & Taxis” noch seine Poker-Varianten protegieren wollte, Aaron noch in den Anekdoten von seinen Barbesuchen schwelgte und Andrea sich im Glanze ihrer neu erlebten Ausstrahlung sonnte, lag unversehens sein “Vampire” auf dem Tisch und alle machten sich mit Eifer an das Auspulen der Papp-Pöppel aus den Stanzbogen.
Das Spiel ist ein Eroberungs- und Kampfspiel. Die Spieler breiten sich auf einer Hexalandschaft aus und versuchen, möglichst viele prestigeträchtige Gebiete unter ihren Einfluß zu bekommen. Als Vampire brauchen sie sich aber nicht zu Fuß über das Spielfeld ausbreiten, sie können an jeder beliebigen Stelle des Spielfeldes landen und dort ihren Eroberungsdrang ausleben. Selbstverständlich stehen überall Konkurrenzkämpfe an. Der Sieger kriegt alles, der Verlierer nichts. Gekämpft wird mit Würfeln und Würfel-Modifikationskarten (z.B. “Würfele noch einmal!” Oder: “Zähle +1 zum Würfelergebnis hinzu!”). Selbstverständlich ist dabei Kingmakerei unvermeidlich. Oder gibt es rationale Gründe, warum ich mich mit Günther anstatt mit Andrea anlegen sollte?
In jedem Konflikt darf jeder Spieler jedem anderen Mitspieler zur Seite stehen. Ist das ein Bug oder ein Feature? Oder einfach ein Übersetzungsfehler von Moritz? Wir haben diese Quadrat-Kingmakerei lieber gar nicht praktiziert, sonst wäre das Jammern und Wehklagen noch größer geworden.
Andrea hatte sich – warum auch immer – gleich im ersten Zug eng an Aaron angeschmiegt. Doch in ungewohnter Machomanier ließ er sie abblitzen. Hatte er sich in den koreanischen Bars etwas die Schopenhauer-Attitüde angeeignet! “Du bist die Quelle allen Übels” verkündete sie, als sie zum Gegenangriff, “zum edlen Kampf von Mann zu Mann” überging. Letztes ist entweder ein Zitat aus dem “Don Quijote” oder es war eine absolute Auto-Fehleinschätzung. Der einzige Mann in diesem Zweikampf lies ihr jedenfalls keine Chance und von diesen Verlusten konnte sie sich bis zum Schluß nicht mehr erholen.
Gekämpft wird in “Vampire” auch gegen böse Monster, die spontan aber regelmäßig zum Vorschein kommen und sich für alle Spieler negativ auswirken, bis sie mit vereinten Kräften ausgeräumt werden. Hierzu sind unbedingt Koalitionen notwendig. Am Räumungskommando darf aber nur teilnehmen, wer vom handelnden Spieler dazu eingeladen wurde. Diese Elitetruppe teilt sich dann die ausgeschriebene Erfolgsprämie, alle anderen gehen leer aus. Ganz normale Kingmakerei.
Man darf eine Einladung auch ablehnen und den Kolonnenführer im Regen stehen lassen. Falls er es nicht schafft, das böse Monster zu beseitigen, bekommt er den Wert der Prämien abgezogen. Das kann ja bös enden! Der Spieler darf aber vor der Würfelentscheidung noch rechtzeitig den Schwanz einziehen und sich aus dem Staube machen. “Vampire” für Warmduscher!
Bei uns kam diese Situation nicht vor. Wir haben die bösen Monster immer sofort beseitigt und so Prämie an Prämie angehäuft. Bis der Bank die Prämien-Münzen ausgingen. Was tun? Andrea schlug vor, die angehäuften Prämien, pro Runde komplett zurückzugeben. Es war(ihr?) noch nicht ganz so klar, wofür sie sonst noch gut waren. Doch nach Moritz hätten wir damit das einzige strategische Element des Spieles beseitigt! Ich glaube, er hatte Recht.
Moritz hatte von vorne herein die Kurzfassung des Spieles vorgeschlagen. Nur 6 Runden sollten ausgetragen werden. Als nach 3 Spielstunden gerade mal 3 Runden absolviert waren, tröstete er die Spielergemeinde: “Jetzt sind nur noch 3 Runden zu spielen”. Hätte er das nicht auch anders formulieren können? Aber keinesfalls so tröstlich!
Nach der vorletzten Runde, weit nach Mitternacht, führte Moritz knapp vor Günther, Walter, Aaron und Andrea. Wer sollte jetzt welche Kingmaker-Strategie verfolgen? Moritz wurde von seiner eigenen Frau das letzte Leben ausgepustet. Andrea fand ihre “Langzeitinvestition” einfach nicht mehr glaubwürdig. Ab ins Elysium! Das Szenario ist ja nicht unbekannt. Zwischen diesen beiden gibt es beim Spielen garantiert keine Vetternwirtschaft. Moritz trug’s mit Fassung. Ob aber später im Morgengrauen zuhause noch ein Ehedrama daraus wurde, werden wir erst beim nächstem Mal berichten können.
Günther schlug aus naheliegenden Gründen ebenfalls auf den im Koma liegenden Moritz ein. Aaron suchte sich wie so oft an diesem Abend wieder Andrea als Opfer aus. Er war einfach gut drauf. Außerdem wollte er seinen Platz behaupten. Andrea hatte ihr Pulver bereits gegen Moritz verschossen und blieb passiv. Ich wählte mir als Kampfplatz den Garten von Aaron, einfach weil es hier noch ein paar reife Kirschen zu pflücken gab. Wer hat am Ende gewonnen?
Wir waren in absoluter Spiellaune. Keiner nahm keinem eine Attacke übel. Angriffe, Niederlagen, Würfelpech, Ausladungen, Kingmakerei etc. wurden ohne ein einzige Kritik-Äußerung ertragen, ja genossen. Fünf Stunden lang. Total unabhängig vom Ernst des Spieles. Hätte auch leicht ins Auge gehen können!
WPG-Wertung: Aaron: 5 (“wohlwollend”), Andrea: 6 (Kämpferin), Günther: 5(zurückhaltend), Moritz: 6 (Rezensent), Walter: 5 (Abend-Stimmung)
Moritz schreibt eine Rezension. Ganz sicher wird er auch die guten Seiten von “Vampire” zum Vorschein bringen. In jedem Fall haben sich die Autoren eine Menge Gedanken gemacht und gewaltige Regelmechanismen in Bewegung gesetzt, um ihrer Spielergemeinde das Gespielt-Werden vergessen zu machen.