Lediglich die Keimzelle der Westpark-Gamers, vermehrt um Jung-Arpad, war zusammengekommen, um den Tanz in den Mai am grünen Spieltisch fortzusetzen. Mit etwas mehr Nostalgie hätten wir “Scotland Yard” auf den Tisch gelegt, ein Spiel, das uns vor bald 20 Jahren zusammengebracht hatte. Aaron und ich, wir waren beide Kollegen mit jeweils nicht-spielenden Ehefrauen und litten unter der Einschätzung, daß der Begriff “homo ludens” zwar auch Heteros umfaßte, aber augenscheinlich keine Gynäkas.
Damals ging es um die Wette: “Wer hat höhere Gewinnchancen, der ‘Mister X’ oder seine Gegner, wenn ein einziger Spieler alle vier Detektive führt.” Eine hübsche Zweikampf-Konstellation für das Spiel des Jahres 1983. Auf wen würdet ihr wohl setzen?
1. “Jericho”
Ein kleines Kartenspiel in der Größenordnung eines doppelten Skat-Spiels. Aaron hatte es gekauft, weil sein Autor, Tom Lehman, gerade erst mit “Um Krone und Kragen” positiv aufgefallen war.
Jeder Spieler hat 5 Karten auf der Hand. Eine davon spielt er jeweils aus und zieht dafür vom verdeckten Stapel eine nach. Mit seiner ausgespielten Karte kann er konstruktiv seine eigene Kartenauslage verbessern oder destruktiv die Kartenauslage der Mitspieler zerstören. Im Spiel erfolgen drei spontane Wertungen, bei denen jeweils die beste Kartenauslage (in jeder Farbe) prämiert wird.
“Jericho” spielt sich besser als Mau-Mau, vor allem für gewitzte Kinder. Für die strategischen Ansprüche im Westpark ist es nicht konzipiert.
WPG-Wertung: Aaron: 5, Arpad: 5, Walter: 5.
Walter schreibt eine Rezension.
2. “Mykerinos”
Aaron hat das Spiel gekauft, weil es von Ystari-Games herausgegeben wird. Dieser junge Spiele-Verlag aus Frankreich hat mit allen seinen bisherigen Veröffentlichungen große Spiele hervorgebracht. Zuletzt hat “Caylus” mehr als überzeugt.
In “Mykerinos” sind die Spieler Archäologen und graben antike Schätze aus. Dazu legen sie ihre Pöppel in die Planquadrate der Ausgrabungsstätten. Eigentlich geht es darum, sich Mehrheiten in den verschiedenen Spielzonen zu verschaffen. Mit den Mehrheiten gewinnt man Privilegien zum besseren Plazieren der nächsten Pöppel oder Wertungspositionen im Museum, aus denen am Ende die Siegpunkte ermittelt werden.
Das Spiel eröffnet den Spielern eine Menge Spieloptionen, und es ist nicht leicht zu erkennen, auf welcher Linie die Gewinn-Strategie liegt. Doch die verschiedenen Möglichkeiten sind auf dem Spielmaterial sehr anschaulich angezeigt und es ist kein Problem, auf Anhieb zu erkennen, was man kann und was man darf. Hier zeigt sich die gleiche gekonnte Handschrift wie bei “Caylus”.
Ähnlich wir dort ist auch die Möglichkeit jedes Spielers, in einer Runde solange zu spielen, wie seine Pöppel ausreichen, während die anderen frühzeitig passen und sich dadurch Vorteile beim Tie-Break oder in der Pöppelanzahl für die nächste Runde erwerben.
Ansonsten ist alles perfekt ausbalanciert, die vielen guten Zugoptionen sind in sich gleichwertig, kein Privilegium dominiert über die anderen, und vorteilhafte Privilegien-Kombinationen können von jedem Mitspieler streitig gemacht werden.
Die Siegpunkte am Ende sind ein Produkt aus Privilegien mal Museumsfaktor. Aaron hatte sofort erkannt, daß hier das Museum wichtiger ist als die Privilegien, die einem früher oder später sowieso in den Schoß fallen. Er engagierte sich sofort im Museum und riß sich konsequent alle guten Faktoren unter den Nagel. Damit wurde er am Ende Sieger mit fast doppelt so vielen Punkten wie der Rest der Welt. Beim nächsten Mal gibt es in “Mykerinos” noch mehr Optionen, die wir scharf im Auge behalten müssen.
WPG-Wertung: Aaron: 8, Arpad: 8, Walter: 8.
Aaron schreibt eine Rezension.
3. “Bluff”
Nein, diesmal gab es kein “Bluff” zum Absacken. Wir diskutierten noch (fast) eine Stunde lang darüber, welche Vorteile der Startspieler in “Mykerinos” hat. Kann sich ein Startspieler auf dem Spielbrett nicht mehr nehmbare Geländevorteile sichern, oder kann er von den Mitspielern in eine Ecke abgedrängt werden. Sollte der Spieler, der aufs Weiterspielen verzichtet und als erster passt in der nächsten Runde Startspieler oder Letzter werden? Wir kamen zu keiner einvernehmlichen Lösung. Ein Zeichen für ein sehr ausgereiftes Spieldesign.