10.05 2006: Zweisamkeit

Für 18.10 Uhr war die Ankunft in MUC geplant. 15 Minuten einkalkulierte Verspätung. 7 Minuten Warten auf die S8 (Gott-sei-Dank die S8 und nicht die S1), 5 Minuten Warten am Marienplatz auf die U6. Pünktlich um 19.45 war der Gastgeber am Westpark, um die Viererbande zu empfangen.
Am Anrufbeantworter wartete die Absage von Moritz. André Heller drängte auf die Fertigstellung der WM-Eröffnungsmusik. Moritz verbringt eine lange Nacht im Studio. Seine Frau trägt ihm die Noten für das Nebenhorn vor. Der Spielabend fällt aus. Dafür winkt dem Hausherrn ein beschauliches Abendmahl.
Pünktlich um 20.00 Uhr klingelt Günther an der Haustür. Er hatte von Moritz’ Absage nix mitgekriegt. Die Zeit zwischen Büroschluß und Spielabend hat er zwischen Oberpollinger und Augustinerkeller totgeschlagen. Soll er sich jetzt unverrichteter Dinge wieder auf den Heimweg machen? Nur kurz haben wir das in Erwägung gezogen, dann haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.
1. “Blockade” und “Surabaya”
Zwei hübsche, kleine, alte, abstrakte, strategische Zweipersonen-Brettspiele nach Art und Aufmachung wie “Reversi”. Der Wünnenberg Verlag hat vor einigen Jahren eine ganze Serie solcher traditioneller Spiele aus allen Teilen der Welt gesammelt und herausgebracht. Vielleicht nicht ganz mit dem gewünschten Erfolg. Bei Luding sind diese Spiele jedenfalls nicht registriert. Eine betagte Nachbarin hat mir gleich 10 Stück davon geschenkt, nachdem ihr Schwiegersohn damit (als Spieler, Käufer, Hersteller oder als Vertreiber ?) nicht ganz glücklich geworden ist. Als Aufwärmer für unsere 2er Runde kamen sie geradezu wie gerufen.
Bei ” Blockade” bewegen die beiden Spieler ihre 3 Spielfiguren mit Springerzügen von Feld zu Feld über das Spielbrett. Nach jedem Zug dürfen sie ein beliebiges Feld für weitere Spielzüge blockieren. Wer seinen Gegner als erstes zugunfähig gemacht hat, hat gewonnen.
“Surabaya” ist, nach Auskunft auf der Spielanleitung, “ein traditionelles Brettspiel aus dem asiatischen Raum. Es gehört in die Gruppe der Schlagspiele und bietet lohnende Abwechslung zu anderen Spielen dieser Gattung, da der Schlagmechanismus bei sonst keinem Brettspiel mehr auftaucht.”
Beide Spiele bieten sehr viel mehr strategische Grundsubstanz, als beim gewollten Nur-Warming-Up ergründet werden kann. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, damit auf der Terrasse eines Alpengasthofes im goldenen Abendsonnenschein bei einer guten Flasche Wein und einem liebenswerten Gegenüber einen paradiesischen Teil des Lebensabends zu verbringen.
Doch soweit sind wir heute noch nicht …
2. “Thurn & Taxis”
In einer Vierer-Runde am Westpark ist es uns bisher noch nicht gelungen, dieses Spiel aufzulegen. Aber laut Bernd Brunnhofer vom HiG sollte es auch als 2-Personenspiel seine Qualitäten besitzen. Das wollte wir mal ausprobieren.
Fazit: Ein sehr angenehmer Zeitvertreib, der vom Charakter her aber näher an einer 2-Personen-Patience liegt als an einem 2-Personen-Strategiespiel. Für jeden Spieler gibt es eine Menge konstruktiver Planung eigener Wege und Ziele; daß man dabei aber auch die Ambitionen des Gegenüber im Auge behalten könnte und Möglichkeiten erwägen sollte, sie zu durchkreuzen, das kam uns irgendwie nur ganz im Hintergrund in den Sinn. Obwohl wir sonst durchaus eher Kampfhähne als Osterlämmer sind.
Wertung: Günther : Vergibt für das 4-Personenspiel 7-8 Punkte, für das 2-Personenspiel 6-7 Punkte. Ich kenne nur das 2-Personenspiel. In Vorfreude auf den goldenen Abendsonnenschein und den guten Wein möchte ich hier auch schon mal 7-8 Punkte vergeben.
Wenn wir am Westpark “Thurn & Taxis” auch mal zu Viert gespielt haben, ist sicherlich eine Rezension fällig.
3. “Sankt Petersburg”
Welche Situation könnte für den Entwickler der PC-Implementierung von Sankt Petersburg und seinen Strategie-Berater günstiger sein, als in ihrer überraschenden Zweisamkeit mal wieder das Original-Sankt-Petersburg auf den Tisch zu legen.
Günther war Startspieler und konnte selbstverständlich bei den Handwerkern gleich ein paar Rabatt-Punkte für sich verbuchen. Aber auch seine überlegene Behandlung der Bauwerke, Adeligen und Adeligen-Upgrader war nicht zu übersehen, geschweige denn zu überbieten. Runde für Runde zog er mit Einnahmen und Siegpunkten davon. Am Ende stand es 147 : 97.
Einziger Kritikpunkt: Seine PC-Version spielt sehr viel schneller!
Und wie steht “Sankt Petersburg” in der 2-Spieler-Konstellation gegenüber “Thurn & Taxis” da? Man braucht keinen goldenen Abendsonnenschein und auch keinen “Nuit St. George” um für Sankt Petersburg 9-10 Punkte zu vergeben. Kampf, Interaktion, Plan, Mißlingen und der starke Wunsch, es beim nächsten Mal besser zu machen, sind auch nach 2 Jahren intensiver Auseinandersetzung mit diesem Spiel immer noch lebendig und faszinierend.
Es gibt schon genügend WPG-Rezensionen.