Moritz' Schrei gellte durch die heisse Sommernacht und die Nachbarn im Buschrosenweg fragten sich, welches spannende Fußballspiel sie denn gerade verpassen.
Auf dem Tisch lag Urs Hostettlers neues Spiel “Millionen von Schwalben”, in dem wir die Fußball-Europameisterschaft von 2000 wieder aufleben liessen. 16 Mannschaften kämpfen gegeneinander, zufällig auf die fünf Trainer (Spieler) verteilt, die deren Spieltaktik und Spielzüge steueren. Aber es geht primär gar nicht um gekonnte Dribblings oder scharf geschossene Steilpässe, sondern darum durch geschickte Manipulationen des Spielergebnisses und gezielte Bestechungen des Schiedsrichters diejenigen Mannschaften in die Finalrunden zu bringen, auf die man zu Beginn sein Geld gewettet hat. Wem Wetten nicht liegt, der kann immer noch – mit ähnlichen Siegchancen – versuchen, die von ihm trainierten Mannschaften in die Finals zu bringen, um satte Trainerprämien zu kassieren.
Die Vorrunde mit ihren 24 Spielen zog sich deutlich hin, auch weil die Spielregeln nicht immer intuitiv sind (mal sind hohe Würfelergebnisse gut, mal niedrige). Es gibt einiges zu überlegen, wenn eine der eigenen Mannschaften spielt und es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ob man weiterhin auf Sieg spielt und dabei durch den Dauereinsatz die Mannschaft soviel Kraft verliert, dass sie in der nächsten Runde extrem geschwächt antritt. Oder reicht ein Unentschieden für den Gruppensieg? Hier hilft das Spielmaterial wenig, denn die ewige Rechnerei, wer in der Vorrunde nun weiter kommt, hält nur zusätzlich auf.
Nach zweieinhalb Stunden stand dann der Europameister fest (Russland!), genauso wie Peter als Sieger, der mit seinen vielen richtigen Wetttipps genügend Geld machte, um vor allen anderen deutlich davon zu ziehen.
Die Reaktionen nach Spielende waren verhalten: etwas zu lang war die Vorrunde, um zum baldigen Wiederspielen zu reizen, aber die Mechanismen des Spiels sind stimmig und typisch “Hostettlerisch”, wenn auch in keiner Weise eine Simulation echter Fußballspiele (z.B. wird auch eine noch so starke Mannschaft nicht mehr als einen Torabstand von 2 Toren erspielen, da das nur unnötig Kraft kostet und keine Vorteile bringt).
Die Punkte: Moritz 6, Günther 6, Aaron 6. Peter und Loredana waren bei der Punktabgabe wie so oft schon wieder in Panik zur U-Bahn aufgebrochen und liefern ihre Punkte nach.
Tjaaaa… Es ist natürlich eine schöne Sache, siegreich den Spielabend zu verlassen. Aber bei diesem Spielchen hatte das einen sehr schalen Beigeschmack. Warum habe ich gewonnen?
Nun, es gab 16 Teams für 5 Spieler, d.h. alle hatten drei, und einer hatte vier, und das war ich (nicht mal gewürfelt, übrigens — ich saß links von Aaron, und der gab einfach die Karten aus :grins).
Ein Team mehr macht extrem viel aus. Man kann in jeder Gruppe mitmanipulieren (d.h. entweder wissen, dass man selbst weiterkommt, oder doch das Team eines anderen so unterstützen, dass der weiterkommt). Wenn zwei eigene Teams in der KO-Runde aufeinandertreffen, ist das unbezahlbar (kein Kartenverlust). Wenn die Teams weiterkommen, gibt's Belohnungen. Mit 4 Teams krieg ich halt potentiell mehr Belohnungen (war übrigens auch so: 3 kamen in die KO-Runde, soviele schaffte keiner mit 3 am Anfang).
Warum wurde Russland Meister? Ich sah am Anfang, dass rote Karten oben liegen, und kämpfte verbissen um den Sieg. Das zahlte sich aus. Russland zog “sicheres Tor, Gegner kann nur am Abseits abwehren”, und mit dieser Karte gewann ich die KO-Runde mit lauter 1:0-Siegen. Tjaaaa….
Damit ich's nochmal spielen würd':
– müssten es 8 Spieler für 16 Mannschaften sein
– müssten die Mannschaften nicht verlost, sondern in einem seriösen Paket (also jeder hat was Starkes und was Schwaches) ausgegeben werden
– müssten ein paar übermäßig starke Karten aus dem Spiel
So will ich's eigentlich nicht nochmal spielen, ergo 4 Punkte.
Deine “ätzende” Kritik ist sicherlich gerechtfertigt, denn es scheint ja wirklich so zu sein, dass derjenige mit der Mannschaften-Mehrheit die besseren Chancen hat. Schlussfolgerung wäre, dass Spiel nur mit einer 4/8/16 Spielern zu spielen, was dann in der Praxis auf ein 4-Spielerspiel hinausläuft, da bei 8/16 Spielern die Wartezeit einfach zu lang ist.
Eine “gerechte” Verteilung der Mannschaften unter den Spielern zu Spielbeginn ist aber glaube ich nicht ganz so einfach wie Du schreibst. Starke Mannschaften sind die, die viele gute Karten haben und nicht unbedingt die, die nur einfach viele Karten haben (bei z.B. ausschliesslich Defensivkarten ist was besseres als ein Unentschieden in der Vorrunde halt nicht drin).
Die Kartenverteilung haben wir m.E. nicht genug während des Spiels berücksichtigt (ich zumindest nicht), denn es wurde zu oft eine starke “rote Hand” übersehen. Überhaupt sind die roten Spezialkarten – wie Du richtig schreibst – oft zu stark, insbesondere, da sie in jedem Spiel einmal eingesetzt werden können. Hier wäre es sicherlich besser, wenn nur die Länderspezialkarten mehrfach verwendet werden könnten, um einfach den Glücksfaktor beim Nachziehen einzuschränken.
Ich halte Deine 4 Punkte für zu wenig und würde selber sogar mehr als 6 Punkte geben, wäre die Vorrunde nicht so langatmig. Dann könnte “Millionen von Schwalben” ein kurzweiliges 1-Stundenspiel für Fußballfans sein, mit dem Hostettlerschen Glücks- und Chaosfaktoren, die wir schon von Kreml kennen.