25.10.2006: Lichter aus Essen

Vier Westparkgamers haben sich drei Tage lang auf der Spiel 2006 in Essen herumgetrieben. Eine stolze Ausbeute von 45 neuen Spielen oder Expansion-Sets wurde in Koffern und Tüten nach Hause geschleppt. Diesmal wurde besonders auf gute Vorbewertungen geachtet. Jetzt stehen wieder ein paar sehr schöne Spiele-Begegnungen an.
1. “Tempus”
Eine neue Version von “Civilisation light”: Die Spieler bewegen und vermehren sich, bekämpfen und bekehren sich, bauen Städte und schreiten vorwärts auf der Entwicklungsleiter der Zivilisation.
Alles geht relativ langsam vor sich: Zu Beginn hat jeder nur einen Bewegungspunkt für einen einzigen seiner Pöppel, pro Vermehrungsphase wird nur ein einziger neuer Pöppel gezeugt und es darf nur eine einzige “Fortschrittskarte” (für ein bißchen zusätzliche Dynamik und Chaos) nachgezogen werden.
Kämpfen ist im Prinzip schädlich, weil zur Konzentration der Streitkräfte und für den Kampf mehr Energie aufgewendet werden muß, als über die Siegprämie an Vorteilen herausspringt. Friedliche, optimale Entwicklung ist hier die Devise. Die einzigen Personalverluste, die man erleiden muß, resultieren aus der Proselytenmacherei, der man durch die entsprechenden Chaoskarten in der Hand des Nachbarn wehrlos ausgesetzt ist.
Moritz hatte das Spiel in Essen bereits angespielt, bei uns wurde er auch noch Startspieler und konnte sich gleich die fettesten Weiden als Heimatbasis auswählen. In der ersten Runde holte er sich auch noch zielstrebig die Entwicklungsprämie ab und war damit fast schon der sichere Sieger. Nur durch sein etwas loses Herumplempern – vielleicht hatte er als geborener Warrior doch doch eine Chance zum Zuschlagen gesucht – betrug sein Vorsprung am Ende nur 6 Punkte (23%).
Andrea, wie gewohnt zu Rechten von Moritz sitzend, durfte sich als Letzte ihre Startbasis aussuchen. Die guten Jagdgründe waren vergeben und ihr blieb deutlich mehr Qual als Wahl übrig. Ein Fleckchen Erde ganz nahe bei Aaron kam ihr zu “weit weg von der Welt” vor. Vor gar nicht langer Zeit als “Vamp” war das noch ganz anders! Alle unterstützten ihre Lokalsuche mit guten Ratschlägen. Als sie endlich das kleinste Übel gefunden und sich plaziert hatte, tönte Moritz: “Tut mir leid, daß ich wieder mit dir kämpfen muß”. Da lies sie sich noch einmal umstimmen und wählte ein abseitiges kleines Grundstück mit Meerblick.
Hans nervte wie immer durch lange Denkpausen. Er suchte für jeden Zug die geniale Gewinnstrategie. Dabei lebt “Tempus” eigentlich nur von der Hand in den Mund. Nach vier Spielrunden mit taktischer Rechnerei fiel Hans immerhin auf, daß in seinem Gleichungssystem noch eine wichtige Angabe fehlte: “Was ist eigentlich die Siegbedingung?” Ach ja: Besitz an Feldern plus Städte plus Entwicklungsprämie.
WPG-Wertung:
Aaron: 5 Punkte – “abzüglich 2 Punkte für die schlechte Ausstattung”,
Andrea: 6 Punkte – “ein Punkt Abzug für das fehlende Thema”,
Hans: 7 Punkte – “man könnte was (noch mehr?) draus machen, wenn man schneller spielt” – sagt ausgerechnet unser Weltmeister im Blitzdenken
Moritz: 7 Punkte – “elegantes Design”
Walter: 6 Punkte – Wenn es nur nicht so zäh wäre!

Moritz schreibt eine Rezension.
2. “Kabale und Hiebe”
Ein chaotisches Kartenspiel. Jeder bekommt den gleichen Satz von unterschiedlichen Karten, die sich jeweils überbieten. Der König ist mehr als die Königin, der Ritter ist mehr als sein Knappe, und die Julia ist mehr als ihr Romeo. Manche Karten besitzen Sonderfähigkeiten, mit denen sie andere Karten fördern oder vernichten können: der Zauberer entfernt alle hohen Karten, die Hexe alle niedrigen Karten. Die Musketiere beseitigen die Sondereigenschaften und der Bettler kehrt alle Werte um. Was dann übrig bleibt ist Zufall und Chaos, Lust und Frust, Schaden und Freude, kurzum: Spielen und Gespielt-Werden, entweder durch die Karteneffekte oder durch die Unberechenbarkeit der Mitspieler.
Das Spiel ist ab 8 Jahre, und entsprechend überdeutlich ist die Spielregel. Da heißt es z.B. “Pro Spieler werden 6 Karten abgezählt, das sind z.B. bei 3 Spielern 18 Karten”. Hilfestellung für Legastomatiker?
Dagegen sind andere Sätze fast frivol: “Romeo hat die Zahl 5. Liegt er in derselben Spalte wie die gleichfarbige Julia, hat er die Zahl 15”. Warum hat er nicht Sechs und in der gleichfarbigen Spalte die Doppel-Sechs?
WPG-Wertung:
Aaron: 7 Punkte – “lustig” (leider nicht bei uns)
Hans: 8 Punkte – “spielt sich ganz schön flott” (leider nicht bei uns) “und erfreut mit Schadenfreude” (ja, aber…)
Moritz: 8 Punkte – “bietet viel Handlungfreiheit” (eine von drei Karten auf einen von 4 Stapeln legen!)
Walter: 4 Punkte – “Leider kann man dabei denken. Doch dann spiele ich lieber Mau-Mau!”

Rezensionsschreiber ist noch offen.
4. “Bluff”
Nach den beiden Denken-Spielen noch mal was leichtes, lockeres, spielerisches zum Abschluß. Gott-sei-Dank. Keine besonderen Vorkommnisse. Im Endspiel mit 2:5 in Unterzahl kämpfte Moritz tapfer wie ein Löwe, doch gegenüber der reinen Masse hatte auch seine ausgereifte Klasse keine Chance.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

2 Gedanken zu „25.10.2006: Lichter aus Essen“

  1. Die Meinung der anderen zu ironisieren (bei “Kabale und Hiebe”) ist nicht so ganz ok, lieber Walter – laß doch einfach den positiven Eindruck, den drei (!) andere hatten, stehen. Ich habe das Spiel auch nicht wegen seiner “großen Handlungsfreiheit” gelobt, ich meinte nur, daß man tatsächlich bedeutungsvolle Entscheidungen trifft, was man auf den ersten Blick nicht denken würde.
    Eine weitere kleine Korrektur: Ich habe “Tempus” in Essen tatsächlich nicht angespielt, es war mein absolut erstes Spiel, und die Regeln hatte ich gerade erst vorher gelesen. Ich hatte also keinen geheimen Taktikplan, tatsächlich gab es Momente im Spiel, bei denen ich eigentlich etwas besseres hätte tun müssen, und wenn es solche Momente gibt, und man rückwirkend deswegen nochmal spielen will, ist das eigentlich ein gutes Zeichen.
    Vielen Dank nach wie vor aber für Deine liebevollen Zusammenfassungen, das ist unschlagbar!

  2. Das “Tempus” kenne ich nicht und kann damit momentan keine Punkte vergeben.
    “Kabale und Hiebe” habe ich in einer Spielenacht während ESSEN ausprobiert – da vergebe ich mal 7 Punkte.
    Es war tatsächlich “lustig” und häufig überraschend; zum flüssig Spielen muß man die Sonderfunktionen aber doch erst etwas genauer kennen !

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