“Wir haben die Feiertage recht angenehm zugebracht, wir haben nämlich an allen Tagen gespielt und die Würfelbecher nicht kalt werden lassen. Dein Bruder hat wie immer heftig gejammert, doch aufs ganze gesehen hat er nicht viel verloren, sondern nach großen Anfangsverlusten das meiste wieder wettgemacht. Ich persönlich habe fünftausend verloren, doch nur, weil ich beim Spiel über alle Maßen großzügig gewesen bin. Wie fast immer, Du kennst mich ja. Denn wenn ich alle Summen, die ich gewonnen habe, auch immer eingefordert hätte, oder wenn ich all das behalten hätte, was ich den einzelnen Mitspielern geschenkt habe, so hätte ich sogar achttausend gewonnen. Aber so ist es mir lieber. Mit meiner Güte werde ich mir nämlich Schätze im Himmelreich erwerben.”
Das ist kein Ausschnitt aus einem Briefwechsel von heute, das schrieb ein alter Römer vor bereits mehr als zweitausend Jahren! Wer war’s?
Nur ein Gerücht ist es allerdings, daß er bei jeden Sechserpasch den Lieblingsspruch “Alea jacta est” seines weltberühmten Onkel ausgerufen haben soll, und ihn so in die Top-Ten-Liste der Aussprüche berühmter Personen gehievt haben soll.
1. “Euphrat und Tigris”
Gehen wir weitere dreitausend Jahre zurück, so landen wir in der Szenerie von “Euphrat und Tigris”. Hans-im-Glück hat das Knizia-Spiel bereits 1997 herausgebracht. Es wurde sofort ein Kultspiel unter Spielefreaks und gewann ein Jahr später den “Deutschen Spielepreis”. Als die Käuferwelle verebbt war, nahm Hans-im-Glück das Spiel aus seinem Programm; sein Liebhaberpreis bei ebay stieg daraufhin auf astronomische Höhen.
Jetzt hat sich der Pegasus-Verlag erbarmt und eine neue Auflage herausgebracht. Es gelten noch die Original-Regeln. Günther durfte sie zur Erinnerung vorlesen. Walter suchte und fand in jedem Satz eine Regel-Erweiterung. Aaron führte ihm jedes Mal unerbittlich vor Augen, daß dies nur eine Folge seiner fortschreitenden Altersdemens war. An der Basisversion hat sich kein Jota geändert.
– Jeder Spieler erhält vier Spielsteine für König, Priester, Händler und Bauern seiner Dynastie.
– Jeder Spieler legt “Zivilisationsplättchen” auf das Spielbrett, um damit farbige Siegpunkt-Klötzchen zu ergattern.
– Bestimmte Plättchenkombinationen darf ein Spieler in einen Tempel umwandeln, der dann für seinen Besitzer eine ständig sprudelnde Quelle von Siegpunkt-Klötzchen darstellt.
– Es gibt die bekannten inneren und äußeren Konflikte, mit denen um die Vorherrschaft an den besten Siegpunktquellen gekämpft wird.
– Jeder Spieler wird mit zwei “Katastrophen-Plättchen” ausgestattet, mit denen er vor allem im Endkampf noch versuchen kann, seinen Mitspielern das Wasser abzugraben.
– Es gewinnt der Spieler, der in seiner schwächsten Farbe die meisten Siegpunkt ergattert hat,
Nachdem Günther das 10-seitige Regelbuch vorgelesen hatte, fanden wir auf der elften Seite sogar noch eine echte Erweiterungsregel: Wer drei oder mehr Zivilisationsplättchen einer Farbe in einer Reihe gelegt hat, darf darauf ein “Zivilisationsgebäude” bauen und kassiert dann beim späteren Legen von gleichfarbigen Plättchen einen Siegpunkt mehr. Vielleicht dient das im Endspurt dazu, eine minderentwickelte Farbe doch noch beschleunigt auf Vordermann zu bringen.
Alles funktioniert vorzüglich und läßt eine kultige Spiel-Spannung aufkommen. Hans fand in der Kampftaktik eine gewisse Ähnlichkeit mit “Friedrich”: Wer auf einem Gebiet erkennbar schwach geworden ist, wird schnell noch das Angriffsziel der Mitspieler, solange er nicht wieder aufgerüstet hat. Für welches der beiden Spiele ist diese Gleichsetzung ein Kompliment?
Trotz der kämpferischen Szenerie war die Stimmung friedlich. Ohne Drängelei durfte jeder über seinem Zug grübeln. Alle taten es auch ausgiebig (bis auf einen). Konflikte wurde nicht nur gerechnet, sondern auch gespielt und zuweilen sogar von den größten Denkern ziemlich gedankenlos vom Zaun gebrochen. In der Schlußphase fielen allen noch ihre längst vergessenen Katastrophen-Plättchen ein. Die Sieg-Anwärter bauten sie in ihr taktisches Konzept ein, die weit Abgeschlagenen erzeugten damit ein bißchen Chaos und demonstrierten die Mächtigkeit dieses Spielelements und die Qualität vom Gesamtdesign.
Lange kämpften Aaron und Günther ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die stärkste schwächste Farbe, dann verzichtete Aaron in seinem letzten Zug überraschend auf Gegenwehr gegen einen leichten Body-Check von Hans und Günther errang bei 16:16-Punkten Gleichstand über seine Tie-Breaker-Farbe den Sieg.
WPG-Wertung: Es wurde keine neue Wertung vergeben, der bisherige WPG-Durchschnitt von 9.0 dürfte wohl weiterhin bestehen bleiben.
Walter schreibt eine Rezension, besonders weil wir – o Schande – für die 1997er Ausgabe von “Euphrat und Tigris” noch keine geschrieben haben.
2. “Heckmeck am Bratwurmeck”
Als Absacker legte Günther ein weiteres ein Knizia-Spiel auf den Tisch, diesmal aus dem Zoch-Verlag. Ein lustiges Würfelspiel, bei dem es darum geht, die besten Würfe hinzulegen und sich die höchstwertigen Wurm-Plättchen zu erwürfeln. Günther hat eine Ader für solche lockeren Spielchen. Und schließlich gehörte “Heckmeck” voriges Jahr zu der Pflichtspielen bei den Vorentscheidungen zur Deutschen Brettspielmeisterschaft.
Walter durfte 5 mal seine Startspielerwürfe wiederholen, weil er immer noch nicht die Regeln verstanden hatte:
– Pro Wurf muß mindestens eine Zahl herausgelegt werden.
– Pro Wurf darf man nur Würfel einer Zahl herauslegen
– Pro Wurf muß man alle Würfel einer Zahl herauslegen.
– Es darf keine Zahl herausgelegt werden, die bei einem vorherigen Wurf bereits herausgelegt wurde.
– Am Ende eines Wurfes muß mindestens ein Wurm-Würfel herausgelegt worden sein, sonst ist der gesamte Wurf ungültig.
Wer mit seiner Würfelsumme gut genug liegt, darf sich von der Auslage auf dem Tisch ein Plättchen mit Siegpunkt-Würmern nehmen. Da kommt Freude auf.
Wer sogar genau die Zahl eines Wurmplättchens seiner Mitspielern gewürfelt hat, darf es ihm wegnehmen und in seinen eigenen Besitz einreihen. Da kommt ebenfalls Freude auf. Aber nicht auf der anderen Seite.
Wer nichts Passendes würfelt, muß ein Wurmplättchen aus seinem Besitz zurückgeben. Auch da kommt Freude auf. Diesmal aber nur bei den anderen.
“Heckmeck am Bratwurmeck” ist ein chaotisches Spielchen, bei dem man nicht verbissen auf den Sieg schauen darf, sonst ist der Frustfaktor entschieden zu hoch. Atmosphäre ist alles. Wir haben viel gelacht, nicht so sehr wegen des Spiels, aber immerhin während des Spiels und mit dem Spiel.
Es ist leider nicht bekannt, zu welchem Würfelspiel der Kaiser Augustus den oben aufgeführten Briefausschnitt in die Weltliteratur eingehen lies. “Heckmeck am Bratwurmeck” war es sicher nicht, denn dann hätte er nicht ständig “Alea jacta est” gerufen, sondern “Ein Wurm ist ein Wurm”!
Die heutige WPG-Wertung stimmt sehr gut mit den Noten von vor zwei Jahren überein:
Aaron: 5, Günther: 7, Hans: 6, Walter: 6