“Lästern” kommt zweifellos von “Lust” und nicht von “Last”, das können wir am Westpark an jedem Spielabend bestätigen. Episoden aus dem richtigen Leben oder Ungereimtheiten innerhalb von Spielregeln sind allemal eine Portion erfrischenden Spotts wert, der wie beim Triumpfgeschrei der Wildgänse die Truppe in Lust und Laune zusammenschweißt. Schon vor 200 Jahren sagte ein Spötterfreund: “Jede Lobhudelei ist langweilig, jede Spötterei dagegen kurzweilig
”.
Wenn Walter in seinen nächtlichen Session-Reports unsere Spielstimmung wiedergeben will, dann möchte er unserer Lästerei natürlich einen erheblichen Stellenwert einräumen. Doch muß er dabei scharf aufpassen: was im Allerheiligsten unserer Spielhölle durchaus noch erlaubt ist, hat auf der öffentlichen Bühne einer Internetseite oft nichts zu suchen hat. Manchmal sticht ihn allerdings der Hafer und er galoppiert über die wohlberatenen Grenzen hinaus.
Wie urteilt darüber der Volksmund: “Wer lacht, zündet ein Feuer im Ofen an; wer spottet, zündet das Haus des Nachbarn an.” Glücklicherweise gibt es unter uns mindestens einen verantwortlichen Feuerwehrmann, der dann Alarm schlägt und aus Walters Bericht die schärfsten Pointen herauslöscht. Deutlich sichtbar in unserem letzten Session Report. Und er sah, daß es gut war. Heißt es doch schon beim Chronisten: “Treibe den Spötter hinaus, so gehen Zank und Hader weg, und es kehren ein eitel Freude und Wohlgefallen.”
1. “Stone Age”
Tummelhofer – ihr wißt schon, der von “Sankt Petersburg” – hat wieder zugeschlagen. Mit “Stone Age” geht er dieses Jahr wieder ins Rennen um den Deutschen Spielepreis, und die Vorkritiken sind alle sehr gut.
Günther wurde am Montag bei Hans-im-Glück vom Sohn des Autors persönlich in das Regelwerk eingeweiht und konnte es noch ganz brühwarm an uns weitergeben. Jeder Spieler verfügt über eine Reihe von Manschgerln, mit denen er seine Spielzüge ausführt. Wie bei “Agricola” kann man sie vermehren und muß regelmäßig für ihre Ernährung sorgen. Ihre Hauptaufgabe ist das Sammeln von Rohstoffen, die über Bauwerke und über Sonderkarten in Siegpunkte verwandelt werden. Die Erträge werden ausgewürfelt. Je mehr Manschgel man z.B. in den Wald schickt, mit desto mehr Würfeln darf man auswürfeln, wieviele Bäume gefällt werden. Legt man sich rechtzeitig Werkzeug zu, kann man am Würfelergebnis noch etwas drehen. Wer sich einen Kartoffelacker zulegt, braucht weniger Energie in die Ernährung zu investieren.
Es gibt eine ganze Menge ganz einfacher Dinge zu tun, viele haben einen kumulativen Effekt, aber alle sind sehr leicht überschaubar. Ein Spieler, der die Augen von 7 Würfeln zusammenzählen kann, kann vollwertig mitspielen, dazu braucht er gewiß keine 10 Jahre alt zu sein, wie es auf der Schachtel empfohlen ist.
Peter durchbrach unser traditionelles Ritual zum Bestimmen des Startspielers: er saß auf Moritz’ Platz, machte aber Walter zum Moritz und würfelte ihn mit einer Eins zum Startspieler.
Günther mußte uns (sitzplatzmäßig) den Aaron machen und reklamierte auch sofort dessen sprichwörtliches Würfel(un)glück für sich. Bei den ersten schlechten Würfen meinte er noch großmütig: “Ich würfele heute wie ein Weltmeister”. Als es später nicht besser wurde, hätte er gerne wieder seinen Stammplatz eingenommen. Doch beim genauen Hinschauen gab es fast nur Aarons am Tisch. Peter beschwerte sich, daß er mit 4 Würfeln keine einzige Sechs geworfen hatte. Dann griff er zum Taschenrechner und beruhigte sich mit dem Ergebnis, daß die Wahrscheinlichkeit für eine Sechs deutlich unter 50% liegt: 1-(5/6) hoch 4 = 0,42.
Bald ging uns das hölzerne Baumaterial aus. Nach Moritz’ (des anderen) Aussage darf man sich hier mit Ersatzmaterial behelfen. Im Zeitalter der Nichtraucher gibt es keine Streichhölzer mehr, die sehr gut gepaßt hätten. Als Aushilfe standen die Baugleise aus “Trans Europa” oder schöne gläserne Go-Steine zur Auswahl. Das kaiserliche Spiel hat gewonnen, auch wenn es in der Form unterlegen war. Es lag halt griffbereit im Regal.
Wie schon gesagt, reicht für eine normale Spielbeherrschung die erste Klasse Grundschule. Nur um gezielt miesnickelig zu spielen, braucht man etwas mehr mentale Reife. Loredana vermasselte Walter einen Zug, bei dem er das letzte Bauwerk eines Stapel gebaut und damit das Spiel als Sieger beendet hätte. Bösartig blockierte sie mit allen ihren Manschgerln das Goldbergwerk und Walter konnte sich das noch benötigte Gold nicht besorgen. Als Vergeltung hätte ihr Walter im Gegenzug ein Bauwerk vermasselt, das mit 7 mal Gold 42 Siegpunkte wert gewesen wäre, wenn das nicht bereits Günther für ihn getan hätte.
Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Und der Vierte. In der Schlußwertung zogen Günther und Peter weit an Walter und Loredana vorbei. Hier werden nochmals nach unterschiedlichen Kriterien Sondernprämien ausgeschüttet. Allein durch konsequentes Sammeln von Zivilisationkarten (analog der Adeligen-Strategie in Sankt-Petersburg) kann man hier zusätzliche 64 Siegpunkte ergattern. Diese Karten sind der Knüller, zumindest solange die Konkurrenz das noch nicht weiß.
Das Spiel funktioniert, zeigt in Aufbau und Reife die Handschrift eines Meisters, war vom Anfang bis Ende recht kurzweilig, dauert für die einfachen sich wiederholenden Grundmechanismen aber vielleicht ein weniges zu lang: Publikum zwei Stunden lang, spielte ohne Bumerang.
WPG-Wertung: Günther: 7, Loredana: 6, Peter: 6, Walter: 7.
Walter schreibt eine Rezension.
2. “Metropolys”
Ein Stadtplan mit Stadtteilen, Häuserzeilen, Straßen und Flüssen. Jeder Spieler hat 13 Holzklötzchen (Häuser) mit den Werten 1 bis 13. Die Spieler setzen reihum ein Holzklötzchen auf das Spielbrett. Jedes Klötzchen muß benachbart zum Vorgänger sein und einen höheren Wert aufweisen. Wer das letzte (höchst-wertige) Klötzchen gesetzt hat, hat eine Zugfolge gewonnen. Er darf dieses letzte Klötzchen stehen lassen und die nächste Zufolge in einer beliebigen Häuserzeile starten. Alle anderen Klötzchen werden abgeräumt.
Die Werte, die den Spielern noch übrig bleiben, werden immer niedriger. Durch die auf dem Spielplan stehenbleibenden Klötzchen entstehen schnell Sackgassen, auf denen ein Spieler seine niedrig-wertigen Klötchen loswerden kann und immer noch am Zug bleibt.
Sobald ein Spieler alle seine Holzklötzchen verbaut hat, ist Schluß und die Belegung des Stadtplans wird bewertet.
Das Spiel zeigt neue, elegante Zugmechanismen, die Bebauung der Stadt öffnet überraschende topologische Winkelzüge. Es geht alles ganz flott über die Bühne und ist doch ein dankbares Feld für strategische Überlegungen.
WPG-Wertung: Günther: 8, Loredana: 8, Peter: 8, Walter: 8.
Das Spiel ist eine Rezension wert.
3. “Bluff”
Günther ging mit 3:1 Würfeln ins Endspiel gegen Walter. Für ihn gibt es hier nur eine wahre Vorgabe: 1 mal die Fünf. Walter hob auf 1 mal Stern. Das war eine Suggestiv-Antwort, aber was versucht man nicht alles, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht.
Günther hob auf 3 mal die Vier. Was kann man daraus schließen? Hat er Walter den Stern geglaubt oder nicht?
Post Mortem ist es klar, daß Günther selber einen Stern und mindestens eine Vier haben sollte. Walter hätte mit dem Stern, den er tatsächlich unter seinem Becher hatte, auf 2 mal Stern heben müssen. Doch auch dafür hätte Günther noch einen Konter parat gehabt: Er hatte neben dem Stern nämlich gleich zwei Vierer; mit 4 mal die Vier hätte er den Sack zugemacht.
Er wurde allerdings schon im Prae-mortem angezweifelt und durfte seinen letzten Pfeil im Köcher behalten.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.