In seinem letzten Podcast “Why Games Are Loud or Silent” hat Moritz den “Eggert-Faktor” eingeführt, einen Indikator dafür, wie laut es am Spieltisch zugeht. Er hat auch gleich einige Kriterien aufgezählt, die ein Spiel laut oder leise machen. Zwei-Personen-Spiele sind naturgemäß leiser als Mehrpersonenspiele, strategische Spiele sind leiser als Spiele mit Würfeln und Überraschungen. Am leisesten ist für ihn das königliche Schach, der strategische Zweikampf um Kraft, Raum und Zeit auf einem 8×8-Felder-Brett: Eggert-Faktor 0.
Ein bißchen vermisse ich dabei die psychologische Betrachtung des Ambiente, das einen großen Einfluß auf die Lautstärke des Spielablaufes hat. Vor vielen Jahrzehnten lernte ich in einer kleinen Gruppe das kaiserliche Go kennen: In dem 100%ig hoch-strategischen Spiel setzen die Spieler abwechselnd schwarze und weiße Glaskugeln auf die insgesamt 361 Kreuzungspunkte der 19×19 Linien eines Spielbrettes. Dabei werden Ketten gebildet, Gebiete abgesteckt, gegnerische Steine umzingelt und in einem mörderischen Erstickungskampf die Freiheiten der Strukturgebilde abgezählt. Doch das ganze war – zumindest in unserer Gruppe – kein schweigendes Ringen der Geistesgrößen, es war immer ein ausgelassenes Spielen und lautstarkes Kommentieren des Geschehens auf dem Spielbrett.
Schon allein das Material reizt zum Geräusche Machen. Das laute Klacken beim Aufsetzen der Glassteine auf das Holzbrett klingt wie exotische Musik, und das rhythmische Wechseln von schnellen, aggressiven Stakkato-Zügen mit eingestreutem Killmayer-Schweigen für die Denkpausen schafft eine eigenartige akkustische Atmospäre von geilem Spaß und Vergnügen. Wenn hier einer die Idee aufbringen möchte, die Go-Steine zur Schalldämmung ähnlich wie die Schachfiguren mit Filzpolstern zu versehen, der würde unweigerlich ans Irrenhaus verwiesen werden.
Unsere Go-Runde ging solange gut, bis unser humorloser Gastgeber, ein Schachclub, unser lustvolles Spielen nicht mehr aushalten konnte, und uns herz- und schmerzlos vor die Tür setzte. Da sieht man mal wieder die Schachspieler
Doch wohl in jedem Spiel gibt es sonne und sonne. Ich kann mich an ganz verbissene Skatrunden mit meiner Oma erinnern, die in schweigender Spannung verliefen, wo jedes Kontra der Enkelkinder wie eine Majestätsbeleidigung aufgefaßt wurde, vor allem wenn es erfolgreich war. Dabei ist Skat doch ein lockeres Spiel, und jede gelungene Aktion des Alleinspielers oder der Gegenspieler sollte eher mit einem vergnüglichen Gelächter begleitet sein.
Bei uns Westpark-Gamers darf gelacht werden. In jedem Spiel. Schadenfreude wird von Siegern und Verlieren gleichermaßen akzeptiert und getragen. Bei meinem Nachbarn ist das schon anders. Wenn ich ihm in einem “Bluff”-Spiel – kommt einmal in zwei Jahren vor – vier Würfel auf einmal abknüpfen kann, werde ich das immer mit eisenem Schweigen quittieren. Schachspieler
Ist eigentlich allgemein anerkannt, daß beim Spielen ein größerer Lautpegel ein Qualitätsmerkmal ist? Zumindest für die soziale Qualität sollte es wohl so sein. Deswegen besitzen die Spiele von 1860 ja auch einen wesentlich höheren Spaßfaktor als die vom FC Bayern. Früher fürs eigene Publikum, heute für das des Gegners. Revised Eggert-Faktor (rEF) = 10 (Maximum)!
1. “Toledo”
Die Spieler dürfen ihre Züge beim Kaufen von Eisen und Edelsteinen, beim Schmieden von Schwertern (aus Eisen und Edelsteinen), in der Taverne (nutzlose Wartezeit mit dem Bonus von drei Geldscheinen) oder beim Künstler (Siegpunkte für das Erstehen von Gemälden) verbraten. Und beim Bauen von Geschäften zum Erwerben von Eisen, Edelsteinen und Schwertern. Erst pflastert man den Weg zum Alcazar mit seinen Geschäften, in denen sich jeder entsprechend bedienen dann, zieht man seine Pöppel mittels Bewegungskarten auf die gepflasterten Felder und erledigt sein Geschäft.
Es gibt Duelle, die ziemlich zufällig entschieden werden. Dann muß der unterlegene Pöppel zurück an den Anfangspunkt. Nicht nur dieses Prinzip erinnerte Aaron heftig an “Mensch-ärgere-Dich-nicht”, wovon ihn selbst der massive Hinweis auf das bunte Geschäftetreiben nicht abbringen konnte. “Deswegen wird Toledo noch lange kein Caylus!” Auch sonst machte er uns heute den Peter: Er motzte als erster über das Spiel und spielte es gleichzeitig von Anfang an am brilliantesten.
In der vorzüglichen Spielanleitung – “wie immer bei Kosmos” – fehlt nämlich ein entscheidender Spieltipp: Jeder Spieler sollte in seinen ersten Züge ausschließlich Geschäfte plazieren. Es gibt nämlich weitaus mehr legbare Geschäfteplättchen in den Spielerhänden als freie Felder, auf die sie gelegt werden können. Wer hier nicht gleich aktiv wird, muß im weiteren Spielverlauf alle seine Geschäfte für teures Geld in den Besitztümern der Mitspieler erledigen. Aaron hatte diesen Mechanismus als einziger durchschaut und alle seine Geschäftsplättchen gelegt, bevor den anderen das Licht aufging.
Der natürliche Vorwärtsdrang, unsere Pöppel in den Zielbereich zu bringen, den wir mit “Mensch-ärgere-Dich-nicht” seit unseren Kindertagen im Blut haben, ist in Toledo nicht angebracht. Es gewinnt nicht der erste, der drei seiner Pöppel ins Ziel gebracht hat und damit das Spiel beendet, sondern derjenige, der unterwegs in der richtigen Reihenfolge die richtigen Geschäfte besucht, dort in rauhen Mengen Eisen und Edelsteine erwirbt, damit eines oder zwei der wertvollsten Schwerter schmiedet und sie ins Ziel bringt.
Wer wie ein Irrer seine Pöppel ins Ziel treibt und dort mit leeren Händen ankommt, kann zwar auf die verbleibenden Mitspieler einen gewissen Druck ausüben, gewinnen kann er die Partie nicht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (es fehlt was), Loredana: 5, Peter: 5 (schwach für Kosmos, schwach für Martin Wallace), Walter: 6 (wenigstens ist es schnell)
Revised Eggert-Faktor = 2-3.
Walter wird eine Rezension schreiben.
2. “Oregon”
Bevor wir uns dem jungfräulichen Land der weißen Westen zuwendeten, führte uns Peter am Rechner noch schnell seine jüngsten Eroberungen bei UPorn und/oder PornTube oder wie das heißt vor. Was wir dabei zu sehen und zu hören bekamen, das erfahrt ihr am besten von ihm persönlich
In Oregon sind wir Siedler, bringen Gebäude und Pöppel auf das Spielbrett und punkten damit. An Gebäuden gibt es Eisenbahn- und Poststationen, Läden, Hafen, Kirchen, Kohle- und Goldgruben. Jedes Gebäude bringt andere Vorteile in Form von Siegpunkten, sofern sie in der Nähe unserer Pöppel sind. Doch weder Gebäude noch Pöppel können frei plaziert werden. Jeder Spieler zieht zufällige Koordinatenkarten, die die möglichen Zielfelder auf dem Spielbrett bestimmen.
Wer am Zug ist, kann jetzt über alle möglichen Zielfelder für Pöppel und Gebäude eine Gewinn- und Verlustrechung aufstellen und danach seinen nächsten besten Zug machen. Anschließend wartet er auf das Ergebnisse der gleichartigen Denkprozesse aller seiner Mitspieler. Wer kein geborener Buchhalter ist, erspart sich die Bilanzierung von vielleicht zwölf oder mehr Alternativen pro Zug und zieht einen Pöppel auf das nächstbeste freie Feld..
Welche Zielfelder einem Spieler dabei geboten werden, ist reines Glück. Es gibt keine Kartenpflege, kein Ansparen von Kraft und Energie, nur Zug um Zug das Nutzen von Fortunas aktueller Gunst.
Gegen Ende des Spiels erkannten wir eine Regelwidrigkeit: Mit den Jokern wird nicht nur der Freiheitsgrad beim Errichten von Gebäuden gehoben, sondern sie gelten auch beim Plazieren von Pöppeln. Damit ändert sich natürlich gewaltig die Potenz der Joker, doch leider nur wenig die Potenz des Spiels.
Gemäß unserem Westpark-Gamers-Kodex durfte Aaron, der sich am meisten benachteiligt fühlte, die Gelegenheit zum Spielabbruch nutzen. Keiner erhob dagegen Widerspruch.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Loredana: 4, Peter: 3 (keine Bemerkung zu HiG), Walter: 5
Revised Eggert-Faktor = 3, für das reguläre Spiel. Als wir anfingen, den Spielmechanismus zu durchschauen und zu kritisieren, sowie die eigenen Züge und die der Mitspieler lautstark zu kommentieren, stieg der rEF auf 6, zweifellos ein sozialkritischer Gewinn, nicht unbedingt einer des spielerischen Vergnügens.
3. “König von Siam”
Trotz des Desasters von letzte Woche und trotz Peters heftiges Drängen nach einem “Bluff” mußten die beiden Riedlbergers erst noch eine Kostprobe des neuesten Erzeugnisses von Histogames zu sich nehmen. Damit das “Spiel ohne Noten” doch noch Noten bekommt.
Wenigstens ging es schnell.
Es ist immer noch ungeklärt, wie man im 4-Personenspiel konsequent die Unsymmetrien erzeugt und auf seine Seite bringt, die für einen Sieg notwendig sind. Im Endeffekt liegt der Sieg an der Unfähigkeit aller anderen Mitspieler, ihre Chancen zu erkennen und zu nutzen. Oder sind die winzigen Chancen, die sich dem einen oder andere Spieler früher oder später vielleicht mal bieten, doch nur das zufällige Ergebnis einer im Grunde chaotischen Spielentwicklung?
WPG-Wertung: Aaron: 6, Loredana: 5, Peter: 4, Walter: 4
rEF = 2! Das Absprechen von Planungen der Partner ist per Spielanleitung ausdrücklich verboten. Was bleibt dann noch anderes übrig, als über www.PetersPornPropaganda.net zu sprechen?
4. “Bluff”
Walter verlor im ersten Spiel gleich drei Würfel. Befriedigt schauten seine drei Mitspieler in die Runde. Doch er schaffte es noch, das 2:2-Endspiel gegen Peter zu seinen Gunsten zu drehen.
Als sich beide auf 1:1 heruntergeschraubt hatten, durfte Peter vorgeben. Dabei leistete es sich einen bösen Schnitzer: Erst legte er 1 mal die Fünf vor, doch nach einem Zögern von Sekundenbruchteilen nahm er das auf 1 mal die Vier zurück. Hatte er hier erst seine Vorlieben zwischen Günther’s und Walter’s Lieblingsstrategien ins Gleichgewicht bringen müssen?
Nein, sowohl die Fünf als auch die Vier mußten richtig sein. Dazu paßte nur ein Stern unter dem Becher! So war es dann auch. Wer durchschaut ist, hat verloren!
Revised Eggert-Faktor: 7. Spielvergnügen 10!
Ein Gedanke zu „07.05.2008: Eggert-Faktor für Toledo und Oregon“
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Na, um all den Anfragen vorzubeugen, die ansonsten bei mir eingehen werden, hier der garantiert jugend- (oder soll ich sagen: senioren-?) -freie Link:
http://www.youtube.com/watch?v=hky7wN2QGko