Die Schlacht um das “Spiel des Jahres 2008” ist geschlagen. Traditionell sind manche (hallo Wilhelm, nicht alle!) Vielspielerkreise über das Ergebnis aufgebracht. Wir wollen uns diesmal mit Schelte zurückhalten.
“Keltis” hat gewonnen. Am Westpark hat es noch nicht aufgelegen. Moritz hatte ihm in seinem jüngsten Podcast die größten Chancen eingeräumt. Ein einfaches Familienspiel, “Stone Age” war dagegen viel zu überqualifiziert.
Laut Aaron muß man es mit hohem Risiko spielen, sonst ist es sinnlos. Günther kannte es als aufgepepptes “Lost City” schon von den Münchener Spuiratzn her und hat es sich angeschafft. Demnächst wird es wohl auch bei uns einmal gespielt werden.
In vier Tagen wird auch Moritz’ erste geistliche Komposition zum ersten Mal gespielt. Moritz kann nämlich nicht nur Fußball-Oratorien und Fußballetts schreiben, sondern auch eine richtige Messe für Vokalsextett, Chor und Orchester. Zum Weihefest der Münchener Michaelskirche wird sein Werk uraufgeführt. In der Fußgängerzone stehen schon dicke Plakate, die seine “Eggert-Messe” ankündigen: für den 6. Juli um 9 Uhr. Eintritt frei.
1. “Wie verhext!”
Vor zwei Monaten zum ersten Mal am Westpark gespielt, konnte es damals nur eine verhaltene Begeisterung auslösen. Inzwischen hat Aaron offensichtlich neue Eingebungen erhalten, mit deutlicher Euphorie schlug er es heute als Ouvertüre vor. Günther und Walter waren sofort bereit, dem Spiel eine neue Chance zu geben, schließlich hat es sich bis in die Endausscheidung zum “Spiel des Jahres” durchschlagen können. Peter und Loredana waren eher skeptisch, doch was können schon Elite-Denker gegen die unbegründeten Euphorien der Masse ausrichten.
Alle Spieler bekommen die gleichen 12 Karten und müssen für eine Spielrunde 5 Karten daraus auswählen. Der Startspieler spielt davon jeweils eine beliebige Karte aus. Alle nachfolgenden Spieler müssen die gleiche Karte zugeben, falls sie sie auch in ihrem 5er Stoß ausgewählt haben. Wer keine gleiche Karte ausgewählt hat, paßt und gibt überhaupt keine Karte zu.
Die letzte ausgespielte Karte gewinnt den “Stich”, alle anderen sind nutzlos vertan. Warmduscher, die gegen die gleiche Karte der Vordermänner gewonnen haben, dürfen allerdings auf den Sieg verzichten – aus Angst, daß ein weiterer Hintermann ihn noch wegschnappen könnte – und sich mit einem Teilsieg begnügen.
Wer den “Stich” gewonnen, darf entsprechend der ausgespielten Karte:
a) Zutaten sammeln
b) Gold einhandeln
c) den Mitspielern Karten oder Geld wegnehmen
d) mit Zutaten Zaubertränke herstellen
e) mit Zutaten Zaubersprüche erfüllen
Ist “Wie verhext!” jetzt ein Stich-Kartenspiel? Irgendwie schon, denn jeweils eine der ausgespielten Karten gewinnt. Allerdings sind die Freiheitsgrade beim Spielen äußerst gering. Die Freiheiten beim Auswählen der 5 Karten aus der Kartenhand von 12 Karten kann man sich lediglich einbilden, herrscht hier doch nur ein mehr oder weniger blinder Hols-der-Geier-Zufall. Der Freiheitsgrad des Startspielers beim Ausspielen der ersten Karte besteht im Wesentlichen ebenfalls nur aus Illusion. Man kann höchstenfalls versuchen, als Startspieler die am wenigsten brauchbare Karte loszuwerden, weil man damit ohnehin nur selten einen Blumenpott gewinnen wird. Das Zugeben zur ausgespielten Startspielerkarte enthält dann absolut keinen Freiheitsgrad mehr: entweder hat man die gleiche Karte in der Hand und muß sie zugeben, oder man hat sie nicht auf der Hand und muß passen.
Beim Zugeben kann man noch zwischen Warmduscher-Alternative oder Alles-oder-nichts-Haltung wählen. Reicht das schon für ein gelungenes Familienspiel? Ach, lassen wir die traditionelle Schelte an den SdJ-Entscheidungen sein. Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Walter versuchte eine “gemischte” Strategie. Er wählte 1 bis 2 Karten aus, die er für sinnvoll hielt, die anderen 3-4 Karten zog er blind aus seiner gemischten Kartenhand dazu. Erfolgreich war das nicht, ganz im Gegenteil. Allerdings hatte er beim seinem Loser-Vorgehen auch mehrmals die Warmduscher-Variante übersehen, die bei seinen gestapelten Gold- und Zutaten-Vorräten durchaus angemessen gewesen wäre. Peter kommentierte: “Das ist die einzige strategische Entscheidung im Spiel, und die vermasselt er auch noch!” Aaron fügte prophylaktisch hinzu: “Das kreidest Du bitte dem Spiel nicht an!” Er hält “Wie verhext!” also immer noch für SdJ-auswahlwürdig.
Bei uns dauerte das Spiel weit über eine Stunde. Lag es vielleicht an Walter Mischen? Oder an Günthers konsequentem Denken. Selbst mit nur zwei Karten in der Hand grübelte er als Startspieler stundenlang, welche er jetzt davon zum besten geben sollte. Als wir die lange Spielzeit seinem maßlosen Überlegen zum Vorwurf machten, meinte er nur lakonisch: “Wir überlegen ja bei jedem Spiel”. Darf man hier fragen: “Wer”?
WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Günther: 4 (bleibt), Loredana: 7 (hört, hört), Peter: 6, Walter: 5 (one down)
Diese zweite Erwähnung in einem Sessionreport der Westparker wird wohl unsere höchste Auszeichnung für “Wie verhext!” bleiben.
2. “Manila”
Eines der vielen Kandidaten, die Aaron mit seinem neu-implementierten Spiele-Finder für heute Abend herausgesucht hatte.
Die Spieler ersteigern den Hafenmeister und die besten Arbeitsplätze rund um die kaufmännische Seefahrt. Wer erfolgreich Waren transportiert, bekommt seinen Anteil am Warenerlös. Wer im Hafen die Löscharbeiten übernimmt, bekommt einen angemessenen Lohn. Wer liegengebliebene Schiffe in der Werft repariert, wird dort bezahlt. Weiterhin kann man sich als Versicherungsagent oder als Pirat beteiligen. Alles kann Gewinn einbringen, und wie im richtigen Leben gilt hier: je solider die Arbeit, desto geringer der Lohn.
Bei uns kostete der Hafenmeister wie immer zwischen 25 und 35 Gulden. Ist er das wert? Sicherlich ist der Hafenmeister umso wertvoller, je häufiger man ihn ersteigert. Am besten ist es, wenn man ihn JEDES MAL ersteigert und somit als einziger Warenkarten erwirbt und zum Höchstpreis bringt. Kann man aber JEDES MAL den Hafenmeister ersteigern?
Meine Behauptung, daß das ginge, steht auf wackligen Füßen. Als Hafenmeister hat man zwar bei allen Postenbesetzungen die erste Wahl und sollte dementsprechend den größten Gewinn machen. Weiterhin kann man auch als einziger für 5 Gulden eine Warenkarte kaufen und dafür einen 12-Gulden-Kredit aufnehmen, man gewinnt also um 7 Gulden mehr Liquidität als seine Mitspieler. Doch wenn der Hafenmeister mehr kostet als der Liquiditätsgewinn plus den Vorteil, den man vielleicht über die Priorität beim Postenschacher bekommt, dann hat man hinterher weniger Barmittel als die Konkurrenz. Wehret den Anfängen, heißt es also auch hier!
Ein wunderschönes Spiel mit viel Interaktion und vielen hübschen Spielideen. Keinesfalls zu kompliziert und ein Quell der Freude für jede normale Spielerfamilie. Es hätte in seinem Erscheinungsjahr die Auszeichnung zum Spiel des Jahres gewiß verdient gehabt. Doch es hat es nicht einmal bis in die Auswahlliste gebracht. Immerhin wurde es von der Menge der Spielbegeisterten im Jahr 2005 mit dem 3. Platz beim Deutschen Spielepreis geehrt.
“Das ist ein German Game, bei dem ich stolz bin, ein Deutscher zu sein!” sagte heute einer unserer Westparker. Allerdings ist er patriotisch so zart besaitet, daß er in der Öffentlichkeit die Autorenschaft für diesen markigen Spielersatz nicht übernehmen will. Ohne eine Sekunde zu zögern sprang hier deshalb seine rumänische Lebensgefährtin für ihn ein.
WPG-Wertung: Peter und Loredana blieben mit je 8 Punkten im oberen Wertungsfeld.
3. “Trans Europa”
Ebenfalls ein konstruktives, lockeres Familienspiel, das seinerzeit einen Platz in den Siegerlisten zum Spiel des Jahres verdient hätte. Wenn Jury und Auswahlkriterien
– ach, lassen wir das.
Peter bekannte, daß er das Spiel schon oft gespielt, aber noch nie gewonnen habe. Aaron schlug deshalb vor, Peter heute gewinnen zu lassen. Peter bat, das solle dann bitte nicht allzu offensichtlich geschehen. Ist das denn möglich?
Aaron baute ganz unmotiviert eine Strecke zu Peters Bukarest und Peter konnte einen Rundensieg für sich reklamieren, ohne überhaupt das letzte Gleisstück legen zu müssen. Am Ende standen sie beide zusammen auf dem obersten Siegertreppchen. Wenn das keine göttliche Fügung war!
Keine neue WPG-Wertung für ein mit 7,6 Punkten gehandeltes Spiel