Mit “Bridge” wird gewöhnlich ein betagtes Damenkränzchen assoziiert, das in Spitzchenhäubchen ein heißes Täßchen Arsen zusammenbraut. Fast alle diese Vorstellungen sind falsch. Bridge ist (auch) ein harter Denksport für Männer, der in Bundesligen und Weltmeisterschaften praktiziert wird. Jetzt ist er sogar olympisch geworden.
Vom 3. bis 18. Oktober werden in Peking als drittes olympisches Ereignis die ersten “Weltspiele des Denksports” (1st World Mind Sports Games) ausgetragen. Vertreten sind dabei neben Schach, Go und Dame, den klassischen Zweikampfspielen, auch Bridge, das für mich hier als einziges GesellschaftsSPIEL durchgeht.
Wer sich hier über die aktuellen Ergebnisse informieren will, kann über den Liveticker des Deutschen Bridgeverbandes auf der Internetseite “www.bridge-verband.de” den jeweiligen Turnierstand abrufen.
1. “Rumis”
Das erste Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Siegel “Spiel des Monats” aufgedruckt hat. Neben vielen anderen Auszeichnungen.
Die Spieler legen kantige Bau-Klötzchen ineinander und umeinander. Wer am Ende die meisten Oberflächen besitzt hat gewonnen.
Beim Suchen nach der günstigsten Bauposition kann man nicht auf seinem Stuhl kleben bleiben, sondern muß das entstehende Gebilde aus allen drei Dimensionen begutachten. So kommt ständig sogar ein bißchen körperliche Bewegung ins Spiel. Ein harmonischer Ausgleich zwischen Geist und Körper!
WPG-Wertung: Birgit und Horst lagen mit je 8 Punkten genau im WPG-Trend. Zumindest zum Warming-Up hat das Spiel diese guten Noten verdient.
2. “Trans Europa”
Eisenbahnbau von Lissabon bis Moskau, von Stockholm bis Thessaloniki. Jeder zieht zufällig insgesamt 5 Städte quer über Europa verteilt, die er mit einem Streckennetz verbinden muß.
Die individuell gebauten Strecken gehören allen, Taktik ist es deshalb, vorwiegend dort zu bauen, wo kein anderer hin muß, und die unvermeidlich-gemeinsame Stecke im Zentrum des Spiels von den Mitspielern bauen zu lassen. Aber wo ist schon die Strecke, die kein anderer braucht?
Das Spiel ist schnell erklärt, spielt sich flott und gefällig und wird am Schluß richtig spannend.
WPG-Wertung: Auch hier lagen Birgit und Horst lagen mit 8 bzw. 9 Punkten genau im Trend des WPG-Hauptfeldes.
3. “Zug um Zug”
Eisenbahnbau von Lissabon bis Moskau, von Stockholm bis Thessaloniki. Jeder zieht zufällig insgesamt 4 Städteverbindungen quer durch Europa, die er in seinem Streckennetz realisieren muß.
Ein bißchen problematisch ist es schon, nach “Trans Europa” ein “Zug um Zug” zu spielen. In “Trans-Europa” sind alle Strecken gemeinsam und man baut am besten zuerst die Außenstrecken, an denen man alleine Interesse hat. Bei “Zug um Zug” gehört jede gebaute Strecke nur einem einzigen Spieler und es gibt den unvermeidlichen Flaschenhals in Mitteleuropa. Hier muß man sich gleich zu Beginn die richtigen taktischen Strecken unten der Nagel reißen, sonst kriegt man seine Städteverbindungen nicht mehr hin. Wer mit seinen Gedanken noch auf dem falschen Dampfer ist, dem sind im Nu die Felle davongeschwommen.
Zum ersten Mal in unserer Spielpraxis bestand die Auslage auf einmal aus fünf “langweiligen” Karten, die keiner haben wollte. Jeder zog es deshalb vor, seine Streckenkarten vom verstecken Stapel zu ziehen. Da kam für ein paar Runden ein bißchen Quartett-Stimmung auf. Doch selbst in dieser Situation hätte jeder versuchen können, aus den “langweiligen” Karten ein einfarbiges Sextett zu bilden, das auch schon seine 15 Punkte wert ist. Ich würde allerdings vorschlagen, hier eine Regelerweiterung einzubringen: Wenn eine Runde lang jeder nur vom verdeckten Stapel gezogen hat, dann wird die offene Kartenauslage abgeräumt und durch neue Karten ersetzt. (Kommentare?)
Aaron erbarmte sich. Es reichte später sogar zu seinem Sieg. Aber nicht wegen des Erbarmens.
WPG-Wertung: Wieder lagen hier Birgit und Horst lagen mit 8 bzw. 9 Punkten genau im Trend. Great minds think alike!
4. “Metropolys”
Es waren erst 2 Stunden gespielt und wir hatten schon drei Super-Spiele hinter uns gebracht. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen, schon gar nicht mit einem Spiel aus dem Ystari-Verlag.
In Metropolys ersteigern sich die Spieler lukrative Gebiete im Stadtzentrum von Paris. Jeder bekommt andere Prioritäten vorgesetzt: seien es die Farben der ersteigerten Gebiete oder die relative Lage zueinander bzw. zu markanten Orten auf dem Plan. Die Versteigerung verläuft nach einem sehr bemerkenswerten und höchst anspruchsvollen Verfahren. Wer hier nur spielerisch seine Klötzchen setzt, hat keine Chance auf den Sieg.
Es gab eine kontroverse Diskussion, ob es Sinn macht, mit kleinen Steinen eine Versteigerung anzufangen. Natürlich nicht nur, wenn man in einer Sackgasse ohne Konkurrenz die Versteigerung ohnehin gewinnt. Man kann mit einem kleinen Stein auch irgendwo in der Landschaft anfangen und damit zu verstehen gehen: “Schlagt Euch darum, ich habe zunächst mal keine Ambitionen!” Allerdings muß man sich hier selbst das “irgendwo” genauer anschauen, damit man seinem Hintermann nicht ungewollt einen tollen Eroberungszug erlaubt.
So muß man bei “Metropolys” auch dann denken, wenn man eigentlich nur die Initiative abgeben will. Jeder einzelne Zug, jede Auswahl eines Versteigerungssteines, jede Richtung, in die man die Versteigung lenkt, erfordert scharfe Kalkulation. Schade, daß das unübersichtliche Spielbrett hier dem Verstand noch zusätzliche Leistungen abfordert. Durch eine abstrakte Farb- und Formgebung hätte man die geistigen Nebenkosten deutlich reduzieren können. Aber vielleicht war gerade das im Interesse des Erfinders.
WPG-Wertung: Diesmal übernahm Birgit mit 6 Punkten – trotz ihres Sieges – eine WPG-Außenseiterrolle ein (etwas trocken), Horst blieb mit 8 im Schnitt.
5. “Verflixxt”
Zum Absacken war es immer noch zu früh. Ein lockeres Vollspiel paßte noch gut hinein. “Verflixxt” in der Basisversion, ohne den Schnickschnack der späteren Erweiterungen; gerade so hat das Spiel im Jahre 2005 die Nominierung für das “Spiel des Jahres” verdient. (Den Sieg hätte es auch verdient gehabt!)
Gut würfeln, gut ziehen, Plus- und Minuskärtchen einkassieren und die Glückskarten zum Konvertieren dazu, ist das das ganze Geheimnis? Bei weitem nicht! Strategisches Ziehen von 3 eigenen Pöppeln und/oder 8 Wächtern ist mehr als ein simples Mensch-ärgere-Dich-nicht. Eine gute Mischung als Glück und Können. Ein Garant für Freude und Schadenfreude. Ein richtiges Spiel!
WPG-Wertung: Birgit und Horst blieben mit 7 bzw. 8 Punkten wieder im Trend.
6. “Bluff”
Schlußendlich noch der Absacker. Horst verlor aus einem 3:2-Vorsprung gegen Walter und gewann aus einem 2:4-Rückstand gegen Aaron. Er konnte die Mitspieler halt noch nicht berechnen und spielte selber auch noch unberechenbar.
Dagegen machte Birgit deutlich, daß es einen signifikanten Unterschied zwischen “unberechenbar” und “irrational” gibt. Nur eines von beiden hat mit “Bluffen” zu tun.
WPG-Wertung: Aaron: 9 (historisch), Birgit: 6 (irrational), Horst: 10 (unberechenbar), Walter: 10 (historisch)