Mensch ärgere Dich nicht! – Der Klassiker unter den Brettspielen
Für die meisten Deutschen (meiner Generation) ist “Mensch ärgere Dich nicht” wohl der Inbegriff für ein Brettspiel. Wann immer ich von Nicht-Spielern gefragt werde, was wir an unseren Brettspielabenden tun, hilft der Hinweis auf “Mensch ärgere Dich nicht”, um unsere Tätigkeit zu verdeutlichen.
Wann dieser Klassiker genau erfunden wurde, liegt im Dunklen. Es hält sich die Vermutung, daß Josef Schmidt, der Begründer des Verlages “Schmidt Spiele”, die Idee zu “Mensch ärgere Dich nicht” im Winter 1908 ausgetragen hat. Demnach feiert das Spiel in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag.
Lassen wir mal unsere Phantasie spielen: Josef Schmidt sitzt mit seinen drei kleinen Söhnen in seiner Münchner Wohnung, den Kindern ist langweilig. Also nimmt sich Schmidt eine alte Schachtel, zeichnet darauf ein Kreuz als Spielfeld und denkt sich Spielregeln dazu aus. Natürlich ist nicht alles ganz neu, was Schmidt sich an Regeln ausdenkt. Seine Version beruht auf einem alten indischen Spiel, dem “Pachisi”. Nach Wikipedia hat er sogar nur den englischen Pachisi-Abkömmling “Ludo” als Vorbild genommen.
Die Kinder sind begeistert und Schmidt beginnt, sein Spiel in größeren Mengen herzustellen. Doch zuerst wollen die Erwachsenen das Spiel nicht kaufen. Es war schon immer schwieriger, eine Idee zu verkaufen als eine Idee zu gebären. Dann kommt der erste Weltkrieg und Schmidt schickt 3.000 Exemplare seines Spiels als sogenannte “Liebesgabe” an die verwundeten Soldaten in den Lazaretten. Dort schlägt das Spiel richtiggehend ein. Die Soldaten schreiben an Schmidt: “Mensch, das ist so klasse, das macht so viel Spaß und wir spielen hier nächtelang durch!”
Kaum sind die Soldaten wieder zu Hause, wollen sie auch mit ihren Familien “Mensch ärgere Dich nicht” spielen. Und plötzlich steigt die Nachfrage. Schon 1920 ist das Spiel eine Million Mal verkauft. Zu dieser Zeit kostet es noch 35 Pfennige, genauso viel wie 500 Gramm Zucker. Heute ist es Bestandteil jeder “Spielesammlung” und kostet – zusammen mit den anderen Spielen einer Grundausstattung – etwa den gleichen Betrag in Euro. Inzwischen wurde es auch über 70 Millionen Mal verkauft.
[Nach einem “Freizeittip” von Bernadette Winter im Bayerischen Rundfunk]
1. “Im Schutze der Burg”
Das Spielbrett zeigt eine hübsche, mittelalterliche Szenerie: es gibt Mauern, Türmchen, Brunnen, Strohhütten und Gesindehäuser. Die Spieler besitzen identische Kartensätze mit den Berufen Bote, Händler, Maurer, Steinmetz, Handwerker und Baumeister. Verdeckt spielen sie je eine Berufsgruppe aus, decken sie auf und führen die zugehörige Aktion aus. Der Bote bringt Geld ein, die Händler steuern Baumaterial bei, die Maurer und Handwerker bauen Häuschen. Wer gebaut hat, darf zusätzlich einen Gehilfen an vorgegebene Stellen im Stadtplan positionieren, die in der Schlußabrechnung in Siegpunkte umgerechnet werden.
Das ganze Spiel ist ein friedlicher Erwerbskampf um die richtige Menge und die richtige Zusammensetzung von Baumaterial, um Geld, das ebenfalls hin und wieder gebraucht wird, und um die richtige Auswahl des richtigen Berufs zur richtigen Zeit. Hier herrschen “im Schutze der Burg” nämlich ganz ausgeklügelte Prioritäten: der Steinmetz beklaut die Handwerker, der Baumeister kassiert Siegpunkte für die Bauvorhaben der Spieler, und die Händler fördern oder verdrängen sich gegenseitig.
Insgesamt werden 12 Runden gespielt. Selbst wenn das ganze eine Stunde dauert, geht es alles ganz blitzschnell vor sich, und bevor man richtig warm geworden ist, muß man seine letzten Züge gut kalkulieren, um noch das notwendige Baumaterial zu besorgen oder das gehortete Baumaterial zu verbauen.
Eine Stärke des Spieles ist es, daß man sich ständig auf die Aktionen und Ambitionen seiner Mitspieler einstellen muß; eine Schwäche des Spieles ist es, daß man das eigentlich nicht richtig kann. Es ist halt ein Spiel. Mit der edlen Holzkiste für das gediegene Holzmaterial ein sehr gelungenes Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 8
Sieben Punkte im Schnitt ist fast zu wenig. Die Frage nach den Schwächen des Spiels – neben der Unberechenbarkeit der Mitspieleraktionen – blieb unbeantwortet.
2. “Dominion”
Ein kleines, schnelles Kartenspiel, das nach den Angaben auf der Schachtel 30 Minuten dauern soll. Es war klar, daß diese Vorgabe bei uns nicht zu halten sein würde. Erstens mußten wir uns noch die Spielregeln reinziehen und außerdem war Hans dabei. Er stellte von sich aus die Frage nach dem “Hans-Faktor”? Per Definition ist der das Mehrfache an Zeit, das wir für ein Spiel brauchen, wenn Hans mitspielt. Freiwillig gestand er 50% zu. Im Endeffekt wird er wohl abhängig von der Gesamtspieleranzahl sein. Oder auch nicht? Schließlich bedeutet jeder Mitspieler für einen scharfen Analytiker ein weiteres Gleichungssystem mit weiteren Unbekannten.
In “Dominion” erhalten alle Spieler einen identischen Satz von Karten, mit denen man entweder etwas “kaufen” kann, oder mit denen man eine “Aktion” ausführen kann. Alle “Kaufobjekte” sind weitere Karten (Geld-, Aktions- oder Siegpunktkarten) – mit denen man seinen Anfangskartensatz ständig erweitert. Als “Aktion” kann man z.B. Karten tauschen, mehr Karten pro Zug einsetzen oder man erhält Bonusse beim Nutzen der ausgespielten Karten. Die Kartenhand wird immer wertvoller. Zuerst versucht man höhere Geldwerte und potente Aktionskarten zur Kartenverbesserung zu erwerben, am Ende wird die gesamte Masse regelmäßig in Siegpunktkarten umgesetzt.
Glücklicherweise ist “Dominion” eines der Spiele, in dem man auch denken kann, wenn man nicht dran ist. Die Karten, die man pro Zug einsetzen darf, kann sich schon betrachten, wenn die Mitspieler noch an der Reihe sind. Deren Aktionen haben wenig bis keinen Einfluß auf die eigenen Spielzüge. Aaron fand diese Situation sehr schnell “autistisch”, womit er zweifellos recht hat. Es ist zwar bemerkenswert, wie sich die eigene Kartenhand erweitert und verändert, aber eigentlich ist das nur ein phasenverschobenes Solitärspiel in der Gruppe: Hübsch, konstruktiv, ja sogar spielerisch, und wer Lust hat, kann tagelang im stillen Kämmerlein über der gestellten Optimierungsaufgabe brüten, um sich gegenüber seinen Mitspielern einen Vorteil zu verschaffen. Doch es wird wohl keine Garantie dafür geben, daß der Spielspaß lange erhalten bleiben wird.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (autistisch), Günther: 8 (interessantes Karten-Recycling), Hans: 6 (autistisch), Walter: 6 (fürchtet ein Strohfeuer)
Wir waren in 90 Minuten durch. Lassen wir die Zeit für die Einführung weg, so beträgt der Hans-Faktor für die gesamte WPG-Runde immerhin noch gut 100%!
3. “Wabash Cannonball”
Ein Eisenbahnspiel von der Art “1830 light”! Wir finden die Gesellschaften B&O, PRR, C&O, NY-Central wieder, und als Additiv zur Essener Spiel-2008 sogar die “Erie”. Wir kaufen Aktien, bauen Strecken, verbessern die Streckenerträge und kassieren Dividenden. Insofern sind wir bei einem richtigen 18xx-Spiel.
Doch es gibt keine Präsidenten, keinen Kampf um Mehrheiten und Prioritäten, keine bösartigen Manipulationen am Aktienmarkt und keine Lokomotiven mit ihrem unausweichlichen Druck zu technischen Innovationen. Jeder darf für jede Eisenbahnlinie handeln (Strecken bauen), sofern er nur mindestens eine Aktie von ihr besitzt. Wir üben uns in friedlichen Kooperationen, drängen nach den besten Renditen, werfen möglichst viele “gegnerische” Aktien auf den Markt (damit die Gewinne auf mehr Köpfe verteilt werden), und verkaufen doch ab und zu mal gerne eine Aktie der eigenen Mehrheitslinie, nur um wieder an ein bißchen Liquidität zu gelangen.
Am Ende entscheidet nur das Barkapital über den Gewinner, die Aktien und ihre Kurse werden absolut vernachlässigt. Für den Sieg scheint es wohl auch nicht wichtig zu sein, die meisten und besten Aktien im Portfolio zu haben. Billig einsteigen und an wenigen gut verdienenden Linien beteiligt zu sein, reicht fast zu Sieg. Vielleicht. Am Ende lagen wir alle überraschend dicht beieinander, obwohl der Aktiengeilste dreimal soviel Anteile besaß wie der Genügsamste.
Ein wunderschönes Eisenbahnspiel, das sich mit realen 90 Minuten Spielzeit in einem Drittel der Zeit spielen läßt, wie ein “normales” 18xx, das in seinen Überraschungen und Feinheiten den großen Brüdern aber keineswegs nachsteht.
WPG-Wertung: Aaron: 9 (pfiffig, verblüffende Effekte), Günther: 8 (ausbalanciert), Hans: 8 (überschaubar), Walter: 10 (schnell)
4. “Bluff”
Nach einem langen Vorgeplänkel stand Günther mit 1:3 Rückstand gegen Walter im Endspiel. Mit konsequenten 1 mal die Fünf-Vorgaben konnte er sich problemlos auf den 1:1 Gleichstand heranarbeiten.
Jetzt wechselte er auf die 1 mal die Vier-Strategie. Walter drehte auf 1 mal die Fünf, und Günther hob blitzschnell auf 2 mal die Fünf. Wer hatte was unter dem Becher und wer hatte am Ende das Spiel gewonnen, als Walter auf 2 mal den Stern setzte?
Das zweite Endspiel bestritt wieder Günther, diesmal mit einem 1:2 Würfelnachteil gegenüber Hans.
Jetzt fing Hans mit 1 mal die Vier an, Günther hob auf 1 mal die Fünf und Hans erhöhte blitzschnell auf 2 mal die Fünf.
Günther gab sich verloren. Dabei hätte er mit 2 mal den Stern unüberholbar die Nase vor gehabt. (Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten im ersten Endspiel.)