“Spieleabend” heißt unser regelmäßiges Treffen Mittwochs am Westpark. Zur Koordination, Vor- und Nachbereitung fließen eifrig EMails in alle Richtungen. Seitdem wir die Briefe archivieren, ist daraus ein über 1600 Seiten dickes Word-Dokument geworden.
Heute hat unser “Spieleabend” Konkurrenz bekommen. Die ADEvantgarde veranstaltet im Kleinen Konzertsaal vom Gasteig einen eigenen “Spieleabend”, d.h. ein Konzert rund um das Spiel. Auf dem Programm stehen u.a.:
“Schere, Stein und Papier”, ein Musikstück für 3 Spieler, kleines Ensemble und Publikum von Gregor Mayrhofer,
“Tactics” für Violoncello, Klarinette, Fagott, Klavier und Schlagzeug von Arash Safaian, und
“Multiversum á la Carcassonne” für Schauspielerin, Zuspielband, Klarinette, Fagott und Schlagzeug von Alexander Sternemann.
Der Name des letzten Stückes rührt tatsächlich von dem berühmtesten Hans-im-Glück-Spiel und nicht etwa von der namengebenden Stadt in Südfrankreich. Moritz hat eine Kompositionsklasse der Münchener Musikhochschule extra zu einem Spielabend in die Verlagsräume bei HiG geführt, damit sich die angehenden Komponisten einen Eindruck von dem verschaffen können, was andere Leute so alles an einem “Spieleabend” betreiben.
HiG war nicht nur gastfreundlich wie immer, er hat dem heutigen Konzert auch eine finanzielle Unterstützung zukommen lassen.
Nur mit Gewissensbissen konnten wir heute dem Konkurrenz-Spieleabend im Gasteig entsagen und unserem traditionellen Spieleabend am Westpark den Vorzug geben. Lediglich Moritz mußte zum anderen Ufer (der Isar). Schließlich ist er künstlerischer Leiter des ADEvantgarde Festivals.
1. “Wind River”
In diesem super Spiel wird bei uns noch kontrovers diskutiert, ob Kingmakerei die vorzüglichen strategischen Linien des Spielverlaufs unterminieren könne. Günther schlug vor – um seine Kingmaker-These zu unterstreichen “gleich von Anfang an gegen Walter zu spielen”. Ausgerechnet Günther! Der erste charakterliche Minuspunkt in zehn Jahren Spielen!
Sein Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden: Aaron hatte sich selbst “für heute vorgenommen, von vorneherein einseitig” gegen Walter zu spielen. “Ich wollte so schnell wie möglich ein 3er Spiel daraus machen. ” Absolut irrational, denn in der Ausführung beförderte er sogar seine eigene linke Büffelherde ins Jenseits, nur um Walter damit den Garaus zu machen. Mitunter auch volksverhetzend. Wie soll man denn sonst seinen Satz werten: “Wir könnten jetzt den Walter rausschicken! ” Selbstredend vollständig! – Zum Glück zogen nicht alle mit.
Walter hatte ursprünglich geplant, sein zweites Start-Tipi probehalber unmittelbar vor die Ziellinie zu positionieren, um vom ersten Augenblick an hier seinen Nachwuchs zu erzeugen und mit einem einzigen Schritt als Siegpunkte ins Reservat übertreten zu lassen. Doch nach den Drohgebärden seiner Gegner war ihm dieses Experiment dann doch zu riskant. Er beschränkte er sich auf ein gemäßigt-offensives Spiel: Er ließ ein Fütter-Tipi im Hintergrund und setzte das zweite brav an der Grenze zur Büffelweide ein. Dann bewegte er es recht zügig in Richtung Ziel. Leider soviel zügiger als die anderen, daß seine tragische Stilisierung zum Feindbild sogar noch eine gewisse Berechtigung bekam.
Aarons brutaler Harakiri-Miesnickeligkeit war sein creativ-elegantes Vorgehen nicht gewachsen. Er brachte zwar weit vor allen anderen als erster ein Tipi ins Ziel, hauchte dann aber sein noch junges Leben aus und konnte nur noch durch Büffel-Bewegungen ins Chaos eingreifen. Doch auch so blieb für ihn das Spiel äußerst spannend.
Aaron irrationale Eskapaden hatten ihn selbst äußerst verwundbar gemacht. Mit letzter Kraft konnte er ebenfalls nur ein einziges Tipi ins Ziel retten. Wenn die Reihenfolge, mit der man ins Ziel kommt, als Tie-Breaker gelten würde, wäre er jetzt Letzter geworden!
Hans und Günther blieben übrig und lieferten sich einen harten Zweikampf aus dem Rückraum rechts. Die Ziellinie war für beide noch längst nicht in greifbarer Nähe. Das verständliche Bestreben der ausgeschiedenen Aaron und Walter war jetzt, mit ihren einsamen Büffelzügen Hans auf ebenfalls maximal ein Ziel-Tipi zu begrenzen. Auch Günther spielte – gegen wenn denn sonst? – gegen Hans und trieb dessen versprengte Herde unerbittlich in den Hungertod. Hansens Verzweiflungsruf:
“Duuu brauchst doch nicht gegen mich zu spielen!”
war zwar emotional verständlich, rational aber durch nichts argumentierbar. Er konnte damit nur rundum ein Gelächter auslösen.
Fazit der provozierten Kingmakerei: Auch mit experimentellen einseitigen Aggressionen ist “Wind River” bis zum Schluß ein perfektes Spiel. Selbst das bloße Zuschauen beim Überlebenskampf der letzten Rothäute und ein sporadisches rächendes Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen ist fesselnd bis zur letzten Minute.
WPG-Wertung: Aaron hob seine Wertung auf 8, Walter sogar auf 9 Punkte, Günther blieb bei seinen 7 (er ist halt ein Allesspieler). Hans vergab – trotz seines finalen Frustes – 8 neue Punkte (“Das Spiel ist toll! So was von elegant! Auch thematisch super!”)
2. “Diamonds Club”
Auf Aaron’s: “Spielt sich wie Finca, nur ohne Muschis” bekannte Hans etwas unsicher, daß er froh sei, bei unseren Muschi-Spielen der letzten Wochen nicht dabeigewesen zu sein. Die erfahrenen älteren Herren wunderten sich!
In Rüdiger-Dorn-Spielen hat niemand Pech. Das ist ein eiserner Grundsatz seiner Spiel-Design-Prinzipien. In “Diamonds Club” gibt es dazu eine winzige Ausnahme: Die Startspieler-Bestimmung, daß der emsigste Zylinder-Investor neuer Startspieler wird, ist super; daß die weitere Zugreihenfolge dann aber nach der Sitzordnung bestimmt wird und nicht nach der weiteren Zylinder-Reihenfolge, ist nur bedingt gerecht! Vielleicht ein Zugeständnis an die Vereinfachung als Familienspiel?
Die verschiedenen Investitionsmöglichkeiten in Geldquellen, Waldbesitz, Technik-Entwicklung und Park-Triolen bieten auch anspruchsvollen Spielern ein weites Betätigungsfeld. Allerdings muß man wissen, daß ohne Wald nichts geht. Hans bekam fast alle Sonderpunkte für vollständige Sammelobjekte, doch er wurde Letzter. Er hatte als einziger kein Waldstück. Vielleicht sollte der Waldfaktor auf maximal 5 (statt 6) begrenzt sein.
Die restlichen Punktezahlen blieben trotz sonst unterschiedlicher Park-Entwicklung ziemlich dicht beieinander. Das haben wir schon früher festgestellt. Ist Dorn’s Ausgleichspolitik hier etwa in Gleichmacherei ausgeartet? Frage an die eigenen Reihen: Dann ist der Waldfaktor also noch zu niedrig, oder?
Hans empfand das Spiel als “Antithese zu Wind River: Unheimlich viel Regeln, unheimlich viel Material, dagegen zu wenig Interaktion.” Zudem fühlte er sich strategisch zu wenig herausgefordert: “Die Dinge, die ich falsch gemacht habe, waren so pippifax, daß ich keinen Ehrgeiz habe, meine Strategie zu verbessern.” Nach einer harten Auseinandersetzung mit “Wind River” ist diese Einschätzung gerade noch verständlich.
“Diamonds Club” geht deutlich in Richtung Familienspiel, auch wenn es dafür verhältnismäßig viele Regeln enthält. Aaron schlug vor, das geniale Setz-Tableau durch spezielle Verteilungswürfel zu ersetzen: Schiffe, Verträge, Farb-Loren und das ganze Drum und Dran benötigen dann keine scharfe Optimierungs-Kalkulation mehr, sondern werden durch einfachen Würfelwurf erworben. Dieser Vorschlag ist genauso revolutionär wie seine halsbrecherischen Killermethoden gegen die aussterbenden Indianer im “Wind River”.
WPG-Wertung: Hans senkte mit seinen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt um 0,2.
3. “Bluff”
Im ersten Spiel schied Hans als erster aus, im zweiten Spiel wurde er Sieger. Bei Walter war es umgekehrt. Ist Bluff doch nur ein reines Glücksspiel?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.