Die Moritzens sind umgezogen und luden die Westparker zur vorläufigen Wohnungseinweihung auch gleich in die neue Wohnung ein: eine wunderschöne Etagenwohnung in der Isarvorstadt, mit einladender Gastronomie direkt vor der Tür. Baugerüste vor den Fenstern und Dixi-Klo vor der Haustür müssen noch abgeräumt werden, aber das Spielzimmer ist schon perfekt: rund herum bis unter die Decke ist die umfangreiche Spielesammlung auf die hohen Altbauregale verteilt, und zwei wunderschöne Spieltische lassen alle Teilnehmerbegrenzungen vergessen machen.
Natürlich sind die Parkplätze knapp und die Anreise per Auto ist problematisch. Unser ländlicher Autofahrer ist zuhause geblieben und die innerstädtische Gäste standen bei der Wahl zwischen Fahrrad oder U-Bahn plus Fußweg zwischen Scylla und Karybdis: Was an U-Bahn gewonnen wird, geht an Fußweg verloren, denn die Isar fließt halt nicht neben der U6. Doch sowohl die jungen als auch die älteren Herrschaften verzichteten heute trotz des herrlichen Sommerwetters aufs Fahrrad.
1. “Schatten über Camelot”
Ein kooperatives Spiel, bei denen die Spieler gemeinsam gegen die Unbilden des Kartenzufalls antreten müssen und in Kämpfen gegen Drachen und Magier, Sachsen und Pikten, Verzweiflung und Trostlosigkeit punkten und über die Runden kommen müssen.
Entschieden werden die Kämpfe über zufällige gezogene Karten, die die Mitspieler rechtzeitig in richtiger Anzahl und Nomination an die verschiedenen Turnierplätze transportieren müssen. Gewinnen sie die einzelnen sich zufällig aufbauenden Herausforderungen, bekommen sie weiße Schwerter und neue Leben, verlieren sie diese “Quests”, so gibt es schwarze Schwerter und Lebenspunkte werden abgezogen. Sind bei Spielende mehr weiße als schwarze Schwerter auf dem Brett, dann haben alle zusammen gewonnen.
Einer der Mitspieler kann verdeckt und zufällig die Schurkenrolle zugeschustert bekommen. Er kann dann den Guten im Kampf gegen das Böse auch noch Knüppel zwischen die Beine werfen, und er gewinnt, wenn die Guten ihre Siegbedingung nicht rechtzeitig erfüllen können. Das schafft einen gewollten Mißtrauensfaktor: es gilt herauszufinden, ob der Schurke dabei ist und wer es ist. Wenn er identifiziert wurde, sind seinen Aktionen eingeschränkt.
Zufällig war in unserer 7er Runde der Schurke nicht dabei. Verdächtigungen gab es natürlich trotzdem. Warum hortet einer Aktionskarten in der Hand, anstelle sich am Kampf gegen die Ossis zu beteiligen? Warum reißt sich einer das Excalibur unter den Nagel, obwohl doch andere Spieler die Vorarbeiten dazu geliefert haben? Warum quasselt einer so fahrig, obwohl er das Rentenalter noch nicht erreicht hat? Überzeugende rationale und irrationale Indizien für unfehlbare Hexenprozesse!
Die tödlichen Siegbedingungen des Bösen konnten leicht abgewehrt werden, und der Siegeszug der Guten war mehr oder weniger ein ungefährdeter Durchmarsch. Eigentlich eine unglückliche Konstellation.
Obwohl solche kooperativen Spiele in der Mehrheit nicht zu unseren Lieblingsspeisen gehören, und obwohl auch der erweiterte Spielerkreis erhöhte Anforderungen an die zeitliche Geduldstoleranz stellte, blieb die Stimmung gut. Die Hauseinweihung hatte den Ausschlag gegeben. Glücklicherweise. Jeweils fünf Minuten zu warten, um einen Zug tun zu dürfen, der im Prinzip von Anfang an feststeht, dafür muß man seine spielerischen Ambitionen schon recht deutlich zurücknehmen. Es funktioniert nur, wenn Gesellschaft und Kommunikation im Vordergrund stehen. Wie heute.
WPG-Wertung: Aaron gibt zwei Punkte mehr (war das ernsthaft?), Walter einen Punkt weniger. Die anderen äußerten sich nicht explizit.
2. “Die Erben von Hoax”
Die Spieler bekommen verdeckt Rollen zugeteilt und müssen versuchen, diese ihre Rolle so lange wie möglich geheim zu halten.
Jeder Mitspieler darf sich jede Rolle anmaßen und deren Privilegien genießen, z.B. Brot, Wein oder Gold von der Bank einzustreichen, diese Gaben von den Mitspielern wegzunehmen oder sie zu tauschen. Jeder Mitspieler darf den anderen diese Anmaßung streitig machen. Der “Baron” erklärt es für illegal, der “Richter” verurteilt das, der “Mönch” verzeiht es, der “Magier” ist gegen alles immun, der “Dieb” kümmert sich einen Scheißdreck darum und der “Bauer” hat eh keine Rechte.
Wenn einem Spieler mehrheitlich angezweifelt wird, ob er eine bestimmte Rolle besitzt, und die Mehrheit hat recht, dann darf er diese Rolle nicht mehr einnehmen. Hat die Mehrheit unrecht, dann bekommt dieser Spieler Siegpunkte und scheidet für diese Runde aus dem Spiel aus. Zwangsweise müssen die Spieler nach und nach ihre Rolle offenbaren und scheiden aus, bis zum Schluß nur noch einer übrigbleibt und dafür Siegpunkte bekommt.
Ein wesentlicher Bestandteil von gutem Spiel besteht darin, seine zugeteilte Rolle so lange wie möglich zu verbergen. Wie macht man das?
Nimmt man jetzt immer die gleiche Rolle ein, um nichts zu verraten oder nimmt man aus dem gleichen Grunde statistisch verteilt alle möglichen verschiedenen Rollen ein? Meldet man sich oft genug vorlaut gegen die Rollenspiele der anderen, um mit Gewinn daraus hervorzugehen, oder hält man sich vornehm zurück und wartet auf das Endspiel?
Peter legte vorzügliche Bluffs hin, die durch ihre metaphysische Undurchsichtigkeit dann doch wieder durchsichtig wurden. Loredana sonnte sich mit soviel Selbstzufriedenheit in ihrer Immunität als Magier, daß ihr auch dies zum Verhängnis wurde. Genauso ging es Walter mit seinen Rollen-Emotionen als Richter und Dieb. Nur mit Hans taten sich alle schwer. Und was war sein Geheimnis? Dreimal dürft ihr raten! – Er dachte über seinen jeweiligen Zug so lange nach, bis den Mitspielern einfach die Lust verging, seine Denkvorgänge auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. So blieb er bis zum Schluß der große Unbekannte. Ein probates Mittel um “Hoax” gewinnen. Vor allem, wenn die Konkurrenten nervös werden, weil sie zu vorletzten U-Bahn abdüsen müssen.
Keine neue WPG-Wertung für ein 6.5 Punkte Spiel.
Aaron und Walter konnten zum ersten Mal am eigenen Leib nachvollziehen, was es heißt, zur vorletzten U-Bahn aufbrechen zu müssen.