“Es ist ein schöner Zug der neueren Zeit, daß man in den größeren Zirkeln eingesehen hat, daß das Spiel eigentlich nur eine Schulkrankheit oder ein modischer Deckmantel für Geistesarmut ist. Man hat daher Whist, Tarock, Pharao und dergleichen den älteren Herren und einigen Damen überlassen, die nun einmal die Konversation nicht machen können.
In Frankreich freilich spielen in Gesellschaften Herren von zwanzig bis dreißig Jahren, es sind aber nur die armseligen Wichte, die sich nach einem englischen Dandy gebildet haben, oder die selbst fühlen, daß ihnen der Witz abgeht, den sie im Gespräch notwendig haben müßten.”
Das schrieb der sterbliche Dichter des unsterblichen “Kleinen Muck”. Von Märchen hat er mehr verstanden!
(Gralsfrage: Wurde damals etwa schon “Monopoly Deal” gespielt?)
1. “Veleno”
Das Spielbrett sieht aus wie das Innere eines Halmaspieles (oder wie ein “Abalone” bzw. ein “Einfach Genial”). Auf jedem Schnittpunkt der Linien liegt eine Glaslinse in den Farben weiß, rot, grün, gelb oder blau. Eine davon ist der “Beweger”. Jeder Spieler darf in seinem Zug diesen Beweger auf ein benachbartes Feld schieben und die dort liegende Glaslinse an sich nehmen. Wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bewegers keine Linse mehr liegt, ist das Spiel zu Ende.
Die Wertung ist einfach, aber doch bemerkenswert: Für jede weiße Kugel bekommt man 10 Siegpunkte, für jede andere Farbe bekommt man das Quadrat der Linsen-Anzahl, die man hiervon gesammelt hat. Doch das total Neue innerhalb der Abrechnung ist: Für jeden Spieler zählen die eigenen Siegpunkte plus die Siegpunkte des rechten Nachbarn. Es geht also nicht nur darum, selber die lukrativsten Glaslinsen zu ernten, man muß auch seinem nächsten Mitspieler möglichst viel gönnen und allen anderen nicht. Der nächste Mitspieler wiederum nimmt nicht einfach, was ihm zugeschustert wird, sondern er versucht seinerseits die eigene Ausbeute plus die des rechten Nachbarn zu maximieren.
Drei Spieldurchgänge zu je drei Minuten Spielzeit spielten wir mit wachsenden taktischen Überlegungen: immer mehr Altruismus für die Rechten und immer mehr Miesnickeligkeit für die Linken. Wenn Hans dabeigewesen wäre, hätte er sicherlich das Matt in 10 Zügen berechnen wollen. (Und vielleicht können.)
WPG-Wertung: Günther: 6 (“einfache Regeln, originelle Partnerschaft”), Moritz: 5 (“Das Spiel ist zu kurz. Es sollte auch bin bißchen komplexer sein.”), Walter: 5 (“Die Kürze ist ein Vorteil, das Deterministische ein Nachteil”)
2. “Cosmic Encounter”
Neueste Version: Veränderte Zielvorgaben, neue Kampfkarten, ganz neue Technologie-Karten. Moritz konnte zudem noch mit unserer aktuellen Spieleranzahl locken: “Zu dritt ist das chaotische Element deutlich reduziert.” Bei den Monopoly-Deal-gestählten Chaoten regte sich keinerlei Widerspruch.
Jeder Spieler siedelt mit seinen 20 Pöppeln auf einer eigenen Galaxie und hat gewonnen, wenn er auf fremden Galaxien insgesamt fünf Pöppel-Basen errichtet hat. Diese Fremd-Basen bekommt man durch Kampf, den man pro Zug ganz willkürlich vom Zaune bricht und dabei Mitspieler einlädt, sich an der Aggression zu beteiligen. Der Angegriffene kann ebenfalls Mitspieler zur Verteidigung einladen. Sind die Truppenstärken auf beiden Seiten festgelegt, wird der Ausgang des Kampfes ermittelt. Entscheidend für Sieg oder Niederlage sind die Kampfkarten, die das Schicksal ganz zufällig unter den Spielern ausgeteilt hat. Wer Glück hat, bekommt die Kämpfstärke 40, wer Pech hat, nur eine Kampfstärke von 0 (in Worten: Null!). Durch weitere zufällige Zusatzkarten kann man anschließend den eigenen Kampfeinsatz leicht erhöhen, durch besondere, ebenfalls zufällige Technik-Karten die Kampfstärke des Gegners gravierend dezimieren.
Moritz als alter Haudegen, der schon tausende von “Cosmic Encounter”-Partien absolviert hat, wußte natürlich, “Man muß darauf achten, welche Karten die anderen haben.” Das ist aber keine Gedächtnisleistung, das ist ein intuitiver Geniestreich, den nur erfahrene Cosmictiker im Repertoire haben.
Für den Spielausgang sind weiterhin die individuellen Charaktere bestimmend, die jedem Spieler zufällig zugeteilt werden und Vorteile verschiedenster Art mit sich bringen. Walter war z.B. Nekromant und konnte als solcher jeden verstorbenen Pöppel zur eigenen Truppenstärke hinzuzählen. Nachdem sich Walhall schon sehr früh mit ganzen Heerscharen erschlagener Krieger angefüllt hatte, war er im Kampf praktisch nicht mehr zu schlagen. Frohgemut machte er sich auf ins letzte Gefecht, da hatte Günther eine Technik-Karten gezogen, die Walters Nekromantie neutralisierte und nix wars. Moritz zog unmittelbar darauf auch noch die Wiederauferstehungskarte, die alle Toten wieder zum Leben erweckte und damit war – in Verbindung mit lauter Luschen als Kampfkarten in Walters Hand – der Spielausgang nochmals offen.
Moritz bekam jetzt Oberwasser. Nach einem deprimierenden Start, bei dem er nahezu keinen einzigen Kampf gewinnen konnte, und den nur er dank seiner tausendfachen Erfahrung überhaupt mental verkraften konnte, errichtete er jetzt erfolgreich Basis für Basis und lud zum Schluß sogar Günther in einem ungewohnten Kampfgenossen-Schulterschluß dazu ein, gemeinsam die fünfte und letzte Basis zu errichten. Vielleicht hatte er auch Walters Luschen nicht hundertprozentig auszählen können.
In jedem Fall war es ein “entspanntes, interaktives Dreierspiel”! Kein Kampf um Leben und Tod, sondern lustiges Ringen mit dem Zufall. Im Gegensatz zu “Monopoly-Deal” bewirken die mächtigsten Zufallskarten in “Cosmic Encounter” ja auch nicht, daß einer sofort gewinnt, sondern daß ein anderer Spieler sofort nicht gewinnt. Und das ist qualitativ doch etwas ganz anderes!
WPG-Wertung: Günther: 6 (nicht mein Freakspiel), Moritz: 10 (ein Muß), Walter: 6 (gelungenes Chaos)
3. “Poison”
Das Spiel besteht aus 50 Karten in 3 Farben mit Zahlenwerten zwischen 1 und 7, und einer weiteren Jokerfarbe mit lauter Vierern. Die Karten werden unter die Spieler verteilt und anschließend spielt jeder reihum jeweils eine Karte aus.
Liegen bereits Karten der ausgespielten Farbe auf dem Tisch, so muß die Karte hier angelegt werden, liegt noch keine Karte davon aus, wird damit ein neuer Stapel angefangen. Eine Karte von der Jokerfarbe darf an jeden der ausliegenden Farbstapel angelegt werden.
Überschreitet die Summe der ausgelegten Zahlenwerte eines Stapels den Wert 13, so muß der Spieler diesen Stapel einstreichen. (Leichte Ähnlichkeit mit “6-nimmt”.) Am Ende zählt hier jede Karte einen Minuspunkt, jede Jokerkarte sogar zwei Minuspunkte. Ausnahme: Wer von einer Kartenfarbe mehr Karten als die Mitspieler einstecken mußte, bekommt dafür überhaupt keine Minuspunkte.
Das Bestreben eines jeden Spielers muß es demnach sein:
a) Möglichst gar keine Karten zu bekommen.
b) Wenn sich Ziel a) nicht erfüllen läßt, dann die meisten Karten einer Farbe zu bekommen (und darunter möglichst keine Jokerkarten zu haben).
Zunächst wirkt der Spielmechanismus ziemlich einfach und im wesentlichen von der ausgeteilten Kartenhand bestimmt. Moritz schlug zur Würze sogar vor, einen Dummy-Spieler einzuführen, der regelmäßig eine zufällige Karte dazugibt und damit die Entwicklung der Kartenstapel auf dem Tisch etwas aufmischt. Doch ganz schnell kamen wir darauf, der Ablauf “ist gar nicht so dumm”, und keiner wollte mehr von Moritz’ Modifikationswürze etwas wissen.
Jeder muß seine ausgeteilte Kartenhand bewerten und dabei abwägen, in welcher Farbe er wohl unvermeidlich mindestens einen Stich bekommt. In dieser Farbe sollte er dann gleich die Mehrheit an Karten anstreben. Doch darf er seine Lieblingsfarbe nicht zu früh verraten, damit ihm die Mitspieler hier nicht alle Joker-Minuspunkte hineinhauen. Den strategischen Ambitionen sind nach oben hin keine Grenzen gesetzt.
WPG-Wertung: Günther: 8, Moritz: 7, Walter: 7.
4. “Rumis”
Kurz vor Mitternacht eine erneute Begegnung mit dem zweiten “Spiel des Monats” in der Geschichte der Westpark-Gamer. Erstmals hatten wir alle Schwierigkeiten, die Bauklötzchen ineinander zu legen, ohne das dabei entstehende Gebilde umzuwerfen. Schließlich sind wir alle fünf Jahre älter geworden und die Feinmotorik hat nachgelassen. Vielleicht lag das aber auch an den Temperaturen draußen auf der Terrasse am Westpark.
Weiterhin Freude und Entspannung. Unsere Wahl aus dem Jahre 2004 bekommt immer noch die volle Zustimmung.
5. “Monopoly Deal”
Günther hat endlich bekannt, warum er diesem geilen Spielderivat ein paar Wertungspunkte gegeben hat: “Man kann Monster plattmachen!” Gegönnt haben wir ihm und uns diese Freude allerdings nicht mehr.
Keine neue WPG-Wertung für ein Nullsummenspiel.