Das Gros der Westparkgamers liebt Spiele mit wohlproportinierten, strategischen Herausforderungen, das Thema ist egal, die Komplexität darf unbegrenzt sein, die Hauptsache ist ein funktionierendes Regelwerk. Abweichend davon ist für Moritz das Thema das wichtigste Qualitätskriterium. Wenn es darum geht, die Geschichte des zweiten Weltkriegs neu zu schreiben oder sogar im dritten Weltkrieg (oder ist es schon der fünfte?) die Weltherrschaft zu erringen, dann dürfen die Regeln auch schon mal windschief sein.
Mit Sven, heute zum ersten Mal am Westpark dabei, hat er jetzt einen Kampfgenossen gefunden. Dessen Lieblingsspiel ist „Axis & Allies“. Er hat eine eigene Spielrunde, die sich fast wöchentlich dieses Spiel reinzieht. Am Westpark lag es noch nie (?) auf dem Tisch, noch keine Rezension, kein Report und keiner von Moritz’ Quickies kündigt davon. Doch es ist ein wesentlicher Bestandteil von Moritz’ Aura. Vielleicht kann er dazu jetzt bei Sven seine ungestillten Gelüste befriedigen.
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein hatte uns schon zu seinem “Peloppones” als Beta-Tester eingeladen. Für uns ist es immer eine besondere Freude, Spiele nicht nur zu kritisieren (wenn man sie nicht uneingeschränkt loben kann), sondern auch dabei zu sein, ihnen den letzten Feinschliff zu verpassen. Diesmal ist es seine Neuschöpfung “Porto Carthago”, die in diesem Jahr in Essen erscheinen soll, zu der er uns um unsere Meinung gefragt hat.
Das Thema ist der Seehandel um Carthago, der einmals mächtigsten Handelsstadt am Mittelmeer. Wir erwerben, transportieren und verschiffen die geforderten Waren über die Schiffe der verschiedenen Anrainerstaaten, die in unserem Hafen liegen. Oder wir charten selber Schiffe und bringen unsere Waren irgendwohin in die Welt, wo es ständig Abnehmer gibt.
Abgeschlossene Lieferungen bringen uns Geld und Privilegien ein, die wir in politischen Einfluß umsetzen, um uns damit bei Spielende zum Sieger zu machen. Es gibt sehr viele Rädchen im Regelwerk, die wir in unseren Handelsaktivitäten beachten müssen, wollen wir erfolgreicher sein als unsere Konkurrenten. Alle sind dabei wohlbalanciert, viele Wege führen nach Karthago, keiner davon ist alleinseligmachend. Aber alle sind anspruchsvoll. Und ein bißchen wohldosierter Zufall ist auch eingebaut. Damit neben dem Tüchtigste auch der Götterliebling eine Chance hat.
Trotz intensivster Suche, trotz explizitem Auftrag fanden wir kein Haar in der Suppe. Sogar die Spielzeit ist für ein strategisches Mehrpersonenspiel absolut passend. Einleitung, Detaildiskussionen und philosophische Grundsatzbetrachtungen kosteten eine Stunde. Nach einer weiteren Stunde war das Spiel über die Runde gebracht. Mit Spannung und offenem Ausgang bis zum Schluß.
WPG-Wertung (für die aktuelle Version): Aaron: 7, Sven: 9 (einschließlich Sieger-Euphorie), Walter: 8.
Hoffen wir, daß die Veröffentlichung in diesem Jahr wie geplant stattfinden wird.
2. “Macht$spiele”
Das Spiel ist mit Aarons Rezension für uns am Westpark eigentlich schon abgehakt. Doch Sven kannte es noch nicht, und nach Meinungen im Internet sollte es seine Qualitäten zu dritt am deutlichsten offenbaren. Die ehemaligen Industiemanager und die noch aktiven Werktätigen mit Einblick in die Machtstrukturen von (mitteleuropäischen) Unternehmen amüsieren sich über die Ironie, mit der Firmenpolitik im Regelwerk karikiert wird. Nicht allein die Unvermeidlichkeit und Honorabilität von Bestechung, auch andere gereimte Ungereimtheiten darf man sich auf der roten Zunge zergehen lassen. Abteilungen funktionieren nur mit Mitarbeitern, Hauptabteilungen auch ohne. Da deckt ein Chef den anderen.
Durch kosteneinsparende Maßnahmen der Geschäftsleitung sinkt ständig die Motivation der Mitarbeiter, doch die Bereichsleiter profitieren davon. Je tiefer die Motivation, desto wirksamer die Macht-Privilegien der Manager. Von den geschmierten Bereichsleitern erst recht.
Vor einer Woche wurden Bestechungen um jeden Preis angenommen, weil wir die negativen Begleiterscheinungen der Ehrbarkeit vermeiden wollten. Diesmal wurde fast jede Bestechung abgelehnt, weil die Chefs in anderen Kategorien ihr materielles Heil suchten.
Jeder verfolgte eine eigene Schiene. Daß er es kann, ist einer der Vorzüge des Spiele. Daß wir dies auch taten, ist einer der Vorzüge von uns! Oder die große Chance einer Dreierrunde.
WPG-Wertung: Sven konnte mit seinen 8 Punkten den bisherigen Durchschnitt nicht wesentlich verändern.
3. “Bluff”
Schnell noch als Absacker auf den Tisch gebracht. Im ersten Spiel demonstrierte Walter im Endspiel gegen Sven, wie wichtig gutes Nachwürfeln ist, im zweiten Spiel zog Aaron im 5:4 Endspiel gegen Walter Zug für Zug die Daumenschrauben enger. Bis zur bitteren Neige.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.