Seit seinen Spieltips in Galileo ist Moritz in den öffentlichen Medien auch als Brettspielexperte gefragt. Kürzlich ist Radio Brandenburg an ihn herangetreten, doch ein paar Tips zu „Monopoly“, „4-gewinnt“, und zu „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ abzugeben. („Das kennt doch jeder!“) „Und, was hast Du denen gesagt?“ „Ich hab’s halt gemacht!“
Die Radio-Euphorie schoß gleich ins Kraut: „Als Spielexperte können Sie uns dann doch bestimmt auch richtig gute Tips zum Schummeln geben … !“ Das hat Moritz dann aber doch dankend abgelehnt.
Wann die Sendung ausgestrahlt wird, könnt Ihr bei Moritz abfragen. Daß er am Freitag-Abend ein Konzert im Herkulssaal der Münchener Residenz gibt, das life im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wird, erfahrt Ihr hier von mir: BR 4 Klassic, 4. Veranstaltung der musica viva, 20:05 Uhr.
1. “Porto Carthago”
Letzte Test-Session, diesmal in einer 5er Runde. Mit Übersicht und Kompetenz konnte Aaron den hochbegabten Neuling Moritz in knapp 30 Minuten in das Regelwerk einführen. Wir haben mit dem Author schon ein paar Detail-Korrekturen diskutiert, doch mit gewissenhafter Tester-Ethik hielten wir uns noch an die Originalversion, auch wenn es vielleicht ein bißchen weh tat.
Aaron entschied sich von vornerherein lautstark für das Intrigenspiel, das bei uns bisher noch nicht richtig auf Touren gekommen war. Doch das Schicksal wollte es anders. Am Ende schickte er gerade noch in der letzten Runde einen zaghaften Untertanen auf diese Laufbahn. Daraus konnte er für sich nichts selbst natürlich nichts mehr herausholen.
Sven setzte wie gewohnt auf eine Karriere als Hafenmeister. Allerdings nur bis zur Mitte des Spiels. Dann war der Kulturhafen ausgelutscht und er verlegte sich auf intensive Pöppelwirtschaft. Das bringt das meiste Einkommen, die Startspielerrolle und damit auch die erste Wahl in allen Aktionen einer Runde, insbesondere auf dem Markt.
Günther spielte wie ein guter Go-Spieler: bei sich selbst. Und weil in seiner Ecke die Charterplätze lagen, engagierte er sich als Charterkapitän (das ist notgedrungen auch die Rolle des ersten Startspielers) und brachte mit Beten und Bangen beliebige Waren seiner Wahl in alle Gegenden der damals bekannten Welt.
Moritz hatte zu Beginn unsere Diskussionen über die Intrigenproblematik mitgehört, ohne des Pudels Kern noch richtig zu verstehen. Außerdem klang ihm Aarons diesbezügliche Aktivitäten-Ankündigung noch ihm Ohr, was lag also näher, als hier mitzumischen. Und als niemand Aaron hindern konnte, binnen Minuten klüger zu werden, blieb Moritz allein auf der Intrigenstrecke und seine Palastpräsenz war marginal. Dann gesellte sich Günther mit seinen Erlösen aus dem Charterverkehr hinzu, und am Ende kam auch noch Walter ins Boot. Aaron konnte in seinen letzten Aktionen gerade noch das Kraut fett machen. Aber nicht für sich! Für Moritz!
Moritz erbte in der Schlußabrechnung aus seinem Intrigen-Engagement drei ganze Palastpositionen (das entspricht der Einnahme von 4 erfolgreichen Handelsumsätzen) und wurde damit unvermutet noch auf die Siegerposition gehievt. Ist Moritz ein Blindfluggenie? Oder ist „Porto Carthago“ doch nur ein Glückspiel?
Lassen wir es offen. Noch wird an vielen kleinen Rädchen gefeilt. Es gibt sehr viele Wege nach Afrika. Auf welchem später einmal die Siegespalme verteilt werden wird, das wissen die Götter. Und vielleicht der Bernd Eisenstein.
WPG-Wertung: Moritz fand das Prinzip der Aktionen-Verteilung und Auswahl sehr gut und originell, vermißte allerdings die thematische Stimmung, Sven reduzierte seine anfänglichen 9 auf 8 Punkte, mit Tendenz zu wieder mehr, wenn das Spiel ausgereift ist, die anderen blieben bei ihren Noten zwischen 7-8, ebenfalls mit einen Ausblick auf mehr für das fertige Spiel.
2. “Pandemie”
Ein Kandidat auf der Auswahlliste „Spiel des Jahres 2009“. Die Impfungen für die Schweinegrippe zeigen gerade ihre mittelfristigen Nebenwirklungen, warum sollen wir da nicht versuchen, die Seuchen von „Pandemie“ mit vereinten Anstrengungen durch wirksame Gegenmittel in den Griff zu bekommen.
Leider geht das Spiel nur bis zu maximal vier Mitspieler. Moritz mußte seinen erwartungsvollen Einleitungssermon auf Seite 3 der Spielregel abbrechen. Sicherlich wird es auch in diesem Jahr wieder eine Grippewelle geben.
3. “Magister Navis”
Moritz hatte schon kritische Stimmen zu diesem Spiel gehört, Günther als Spielbesitzer und Vorspieler enthielt sich einer Bemerkung. Also setzte es sich durch.
Nach dem Untertitel geht es um „Handel und Erforschung im 18. Jahrhundert“. Europa ist Zentrum und Ausgangspunkt. Wir besiedeln, besetzen bzw. erobern die verschiedenen Städte auf dem alten und den neuen Kontinenten. Die folgerichtige Entwicklung unseres eigenen Expansionspotentials ist dabei von entscheidender Bedeutung. Pro Runde legen wir uns eine neue Fähigkeit zu, die entweder unsere Mannschaft verstärkt, die Rekrutierungsfrequenz erhöht, lukrativere Architekturen gestattet, den Seeweg in die Welt öffnet oder andere ähnliche Vorteile mit sich bringt. Die richtigen Entwicklungslinien innerhalb der eigenen Fähigkeiten und bei der Erforschung (= Eroberung) der Welt zu erkennen, zu verfolgen und zu verfitzeln (das ganze ist ziemlich fitzelig) ist die Herausforderung des Spiels.
Walter war schon beim Regelerklären überfordert. Danach auch noch strategische Linien zu erkennen war für sein Learning-by-Doing Prinzip einfach das Pferd von hinten aufgezäumt. Wer das Rad nicht erfindet, kann es auch nicht zum Sieg rollen lassen. Entsprechend eng war später sein Handlungsspielraum, und wenn er dann mit seinen rachitischen Zügen daherhumpelte, konnten sich die großen Geister nicht die Bemerkungen verkneifen, er würde mit seiner chaotischen Spielweise ihre schönen langfristigen Welteroberungspläne desauvieren. Chaos-Praxis statt Chaos-Theorie.
Seltsamerweise wurde er noch Dritter. Das strategische Genie Sven konnte sich mit einem Punkt Vorsprung vor dem strategischen Genie Moritz durchsetzen.
WPG-Wertung: Aaron:7 (spannend bis zum Schluß), Günther: 7 (trotz der recht minimalistischen Anfangsfreiheiten), Moritz: 7 (fand es „schocking, daß Walter trotz seines zugegebenermaßen bizarren Spiels noch Dritter wurde“), Sven: 6-7 (Planspiel ohne Glücksfaktor), Walter: 6 (enges symmetrisches Ausgangskorsett, hinterher entscheiden aggressive Kingmakerelemente über Sieg und Plätze).
4. “Bluff”
Aaron fand angesichts der 40% Minderheitsvorlieben für bestimmte Spieltypen eine neue, treffende Beschreibung für „Bluff“: „Es ist wie Axis & Allies: mit viel Würfeln!“
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Hallo Klaus, „Hansa Teutonica“ kommt bei uns bestimmt nochmals auf den Tisch. Deine und die bei BGG im Internet diskutierten vielfältigen Möglichkeiten zu Punkten zu kommen und ihre Effizienz gegenüber den verlockenden kurzfristigen Muß-Schnäppchen wird bei uns bestimmt noch einmal einer genaueren Analyse unterzogen.
4 Gedanken zu „03.02.2010: Welthandel und Welteroberung ohne Pandemie“
Kommentare sind geschlossen.
Ein Tipp für Pandemie: die Erweiterung “Auf Messers Schneide”.
Material für einen 5. Spieler, ergänzende Rollen und frische “Herausforderungen” bringen abwechslungsreiche Elemente in das onehin schon gute Spiel. Empfehlenswert!
Porto Carthago klingt interessant. Gibt es Bildmaterial?
Hallo lieber Co.Mentar,
“Porto Carthago” soll erst zur “Spiel 2010” in Essen erscheinen.
Doch sein Autor (Bernd Eisenstein) und sein Verlag (Iron Games) können Dir sicherlich heute schon Material zukommen lassen. Wende Dich bitte direkt an sie.
“Gibt es Bildmaterial?”
Da wir einen Prototypen spielen, der graphisch noch einige Änderungen erfahren wird, habe ich davon abgesehen, Bildmaterial online zu stellen.
Also Magister Navis solltet Ihr noch mal Probe spielen. Es hat sehr geringe Kingmaker Elemente, die eigentlich aus der Optimierung der eigenen Postion und Situation resultieren. Es ist gar nicht so einfach, die 1. Partie regelkonform zu spielen. Es kam bei uns gut an, zu dritt ist es ein anderes Spiel als zu fünft, da mit 3 Spieler nicht alle Regionen besiedelt werden können.