Als wir bei Peter ankamen, war der Spieltisch noch mit Auszügen aus topographischen Karten der Osttürkei belegt. Der promovierte Althistoriker bereitete sich gerade auf seine Forschungsreise, die er im erlauchten Kreis von fünf Professoren und 14 anderen Forschern nächste Woche antreten wird. Aaron begibt sich zur gleichen Zeit in die gleiche Region – nach Zypern, allerdings nur zum Seele baumeln lassen. Die sich darauf entspannende Diskussion über die Nachteile von Zypern gegenüber Malta und Dänemark als Land der schnellen Heirat war zwar interessant aber gehört nicht hierher.
1. Vasco da Gama
Nach der Superbewertung des Spiels in der neuen Spielbox konnte Aaron sich nicht zurückhalten und hat, als sich herausstellte, dass kein anderer Westpark Gamer das Spiel besitzt, „Vasco da Gama“ kurzfristig in der Münchner Innenstadt gekauft – zu einem Innenstadtpreis, der eben mal 10 Euro über dem Onlineversand lag. Aber so konnte „Vasco da Gama“ kurzfristig vor den Osterurlauben noch auf den Tisch kommen und geklärt werden, ob die hohe Spielbox-Bewertung gerechtfertigt ist.
„Vasco da Gama“ ist ein „worker placement“ Spiel mit interessanten, neuen Mechanismen. Letztendlich geht es darum, Schiffe gen Osten zu schicken, um in den dortigen Häfen Siegpunkte zu erwerben. Hierzu werden Seefahrtprojekte erworben, die den Projekten zugeordneten Schiffe mit Matrosen und einem Kapitän bestückt und dann auf Fahrt zu einem Zielhafen geschickt.
Als neues Element fällt die Reihenfolgebestimmung der Aktionen auf. In einer Vorphase nimmt sich reihum jeder Spieler einen Stein vom Aktionssteintableau und setzt ihn zusammen mit einem seiner vier Aktionsmarker in einen der vier Aktionsbereiche (Navigation, Projekte, Rekrutierung und Charaktere). Die Steine des Aktionstableaus sind von 1 bis 20 durchnummeriert und in der nachfolgenden Aktionsphase werden die Aktionen genau in der Reihenfolge dieser Steine durchgeführt. Klar, dass man gerne als erster in einem Bereich agieren möchte, um die Sahnestückchen in Besitz nehmen zu können. Aber leider sind nicht alle Aktionen kostenlos: ein Schwellwertmarker gibt an, ab welcher Zahl die Aktionen nichts mehr kosten, alle Aktionen mit kleinerem Wert kosten einen Betrag, der um so größer wird, je weiter der Stein vom Schwellwert entfernt ist. Damit das Ganze nicht völlig berechenbar ist, hat der Designer hier eine kleine Unschärfe eingebaut: der Schwellwertmarker wird zu Beginn der Aktionsphase noch um einen zufällig gezogenen Wert von -3 bis +3 versetzt. Damit kann die geplante kostenlose Aktion dann plötzlich schon mal 3 Geldeinheiten kosten.
Dieser Mechanismus führte dann gegen Spielende zu deutlichen Unmutsäußerungen seitens Peter und Loredana, als nämlich in der letzen (von fünf) Runden ein +3 Modifikator aufgedeckt wurde und dieser Peters Siegeszug verhinderte. Die Wahrscheinlichkeit, dass genau dieser +3 Modifikatior kam, lag bei 25%. Peter bestand dann darauf vorzuführen, wie er das Spiel gewonnen hätte, wenn ein anderer Modifikator erschienen wäre und sah das als Beweis dafür an, dass Vasco da Gama ein Glückspiel ist. Aaron war anderer Meinung, denn er hatte sich bewusst dafür entschieden, in der letzten Runde ausreichend Geldeinheiten zu haben, um mit JEDEM Modifikator seine Aktionen durchführen zu können. Diese Portion Unwägbarkeit macht das Spiel spannend und stört nicht wirklich, da jedem überlassen ist, ob und inwieweit er Risiken eingeht.
Kritisch ist die Position des Startspielers, denn wer rechts vom Startspieler sitzt, muss mehr Geld investieren als die anderen, um als erster in den Aktionsbereichen tätig zu werden. Hier gilt es also aufzupassen und die eigene Geldpolitik an die Sitzposition anzupassen. Da das Geld immer knapp ist, lässt sich nicht vermeiden in einigen Aktionsbereichen hinter allen anderen zum Zuge zu kommen. Die Prioritäten richtig zu setzen ist nicht einfach und es gilt, die Züge der anderen Spieler genau einzukalkulieren. Hier kam Aaron gerade noch einmal mit einem blauen Auge davon, als Peter in der letzten Runde feststellte, dass er seine Wunschaktionen nicht bezahlen können wird und sich stattdessen darauf konzentrierte, Aarons Gewinnerzüge zu torpedieren. Günther hätte hier den ‚Kingmaker‘ spielen können, erkannte aber schnell, dass er damit Dritter statt Zweiter geworden wäre.
Mehrmals während des Spiels gab es Diskussionen über die genaue Auslegung der Sonderfähigkeiten der Charaktere. Hier ist die Spielregel etwas unglücklich aufgebaut und manches wird nur klar, wenn man die Beispiele liest. Bis zum Schluss blieb unklar, ob der Händler wirklich als einziger Charakter nur dann seine Fähigkeit ausspielt (das Aussenden eines Handelsschiffs), wenn er übernommen wird, während alle anderen Charaktere bei der Übernahme und beim Rundenende aktiv sind.
Nach 3 Stunden Spiel inklusive 30-minütiger Regelerklärung und häufigem Nachlesen der Regeln, stand der Sieger fest, wobei es bis zur letzten Runde spannend blieb.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen, spannend und immer involviert, lässt sich zu viert in 2 Stunden spielen), Günther: 7 (etwas lang, etwas zu komplex), Loredana: 5 (zu lang, unklare Regeln), Peter: 6 (langatmig, zu hoher Glücksfaktor für die Komplexität)
2. Bluff
Dreimal hintereinander einen Würfel durch Fremdzweifler zu verlieren ist bitter. Noch bitterer ist es, bereits den ersten Würfel zu verlieren, obwohl man noch gar nicht dran war. Ich plädiere für eine Regeländerung: man muss bei genauem Treffer eines Fremdzweiflers nur dann einen Würfel abgeben, wenn man schon eine Ansage gemacht hat.
Keine neue Wertung für ein super Spiel.
Wegen des Händlers: Alle anderen Charaktere bringen 2x Einkommen, der Händler nur 1x: Wenn man ihn nimmt und (und jetzt wirds kompliziert) am Ende der Runde, wenn man ihn noch aus der Vorrunde behalten hat. Hat man ihn gerade erst genommen, gibts den Vorteil nicht noch einmal.
VdG ist kaum ein Glücksspiel – Geld ist nunmal knapp, wenn man zockt (auch mit 75% Gewinnwahrscheinlichkeit) sollte man das dem Spiel nicht anlasten ;-)
Hallo Peer,
inzwischen habe ich die Regeln noch einmal genauer studiert und bin zum gleichen Schluss gekommen. Es heisst dort ja, dass am Rundenende immer ein Handelsschiff umgedreht wird und dieses vom Besitzer des Händlers spätestens zu Beginn der Phase 3 losgeschickt werden muss. Wir haben das Handelschiff ausschließlich bei einer Übernahme des Händlers losgeschickt.
Bzgl. des “Glücksspiels” stimme ich Dir voll zu. Ich persönlich finde das Glückselement der relativen Verschiebung des weissen Pöppels sehr gut, denn es schafft eine spannende Unschärfe. Damit kann jeder umgehen und entweder ein Risiko eingehen oder eben nicht. Ich bin keins eingegangen und habe damit gewonnen. Peter hat gezockt und ist dritter geworden. Hätte Peter Glück gehabt, wäre er Sieger geworden…
Hallo, ich habe zwar nicht mitgespielt, doch bezüglich “Glücksspiel” geht es doch wohl um sachliche Definitionen:
Wenn der Sieg ausschließlich oder überwiegend davon abhängt, dass man mit seiner Investitionsplanung die zufälligen Schwankungen des Kostenmarkers genau trifft, dann wäre VdG eindeutig ein Glücksspiel. Wenn man durch sonstiges gutes Spiel sich hierfür leicht ein Sicherheitspolster zurücklegen kann kann, ist der Glücksspielcharakter deutlich abgeschwächt. Ein Glückselement ist hier auf jeden Fall gegeben.
Es kommt aber auf die sonstigen im Spiel zu meisternden Anforderungen an, ob der Zufall bei den Kostenschwankungen dem Spiel einen entscheidenden Charakter aufdrückt.
Damit sind wir wieder bei der alten Diskussion, wann ein Spiel ein Glücksspiel ist: reicht ein Glückselement, oder muss das Glückselement dominieren (zu wieviel Prozent?)? Bei Vasco da Gama kann ich komplett vermeiden, dass mich die Kostenschwankungen treffen, in dem ich kein Risiko eingehe und nur Aktionsmarker mit Werten nehme, die mind. 3 Punkte höher liegen als der aktuelle Pegel. Gehe ich ein Risiko ein, sollte ich einkalkulieren, dass ich plötzlich mehr bezahlen muss – tue ich das nicht, zocke ich und kann danach darüber jammern, dass das Spiel ein Glücksspiel ist.
Da nicht gewürfelt wird und sich die Kostenschwankungen ausmitteln, hat dauerndes Zocken keinen Vorteil vor kalkulierten Spiel. Damit ist VdG für mich KEIN Glücksspiel.
Wie jetzt? VdG ist kein Glücksspiel, weil ich, der Zocker, nicht gewonnen habe, trotz meiner 75%-Chance? Soll im Umkehrschluss gelten, dass es ein Glücksspiel ist, wenn sich meine 3:4-Chance hätte verwirklichen lassen?
Kurzum: Als in der letzten Runde der Chip aufgedeckt wurde, gab es zwei Möglichkeiten: +3 (25%, Aaron gewinnt), oder “nicht +3” (75%, ich gewinne). Dass mein Spiel bis dahin dazu geführt hat, dass diese (für mich gute) Chance entstand, ist ja klar.
Wenn Aaron sagt, man solle so spielen, dass man in jedem Fall möglichst viele Punkte macht, dann irrt er: Es geht nicht um “möglichst viele Punkte”, sondern um gewinnen; und meine Gewinnchance gegenüber meinem Hauptverfolger habe ich maximiert, sodass ich ideal gespielt habe; der Rest ist RND.
Ich weiss nicht, wo ich gesagt haben soll, dass “man solle so spielen, dass man in jedem Fall möglichst viele Punkte macht”.
Was bleibt aus dieser Diskussion: wir haben offenbar sehr unterschiedliche Definitionen von “Glückspiel”. Wie in meinem vorhergehenden Kommentar geschrieben, hatten wir diese Diskussion schon öfter, ohne sie jemals zu Ende zu führen.
VdG hat Glückselemente, das ist unbestritten. Das macht es aber nicht zum Glücksspiel, bei dem das Glück dominiert. Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir VdG genau einmal gespielt haben und das nicht ganz regelkonform. Ich muss es öfter gespielt haben, bevor ich es als zu langes und zu komplexes Glücksspiel abqualifizieren kann, aber vermutlich bin ich einfach nur ein bisschen langsam und habe das Spiel noch nicht ganz überrissen – was ja die Glückspielthese von Peter untermauert, denn sonst hätte ich wohl kaum gewinnen können…
Das ist keine “These”, sondern Fakt. Die Chips variieren von +3 bis -3, d.h. es kann eine Spanne von bis zu 6 Geld Unterschied geben, was ein Vermögen ist.
Nun ist es so, dass man regelmäßig gezwungen wird, ein Risiko einzugehen (wg. Spielreihenfolge und nicht vorhandener Chips). Wenn das Risiko abgestraft wird (nämlich mit +3), ist so viel kaputt, dass es auch durch ideales Spiel nicht ausgeglichen werden kann.