Liebesspiel
Habe gerade in einem kleinen ABC zur Liebe gelesen, dass das hübsche deutsche Wort „Liebesspiel“ in keiner der Autorin bekannten Sprache ein entsprechend-hübsches Pendant hat. „Make love“ klingt zu gewöhnlich, „faire l’amour“ riecht zu sehr nach Schweiß und „veneris usus“ läßt eher Assoziationen mit dem mechanischen „Nippel durch die Lasche ziehen“ aufkommen.
Die Autorin unterscheidet auch gleich ein paar Spielertpyen:
„Manche spielen mit der Liebe wie mit einem Ball, den sie sich zuwerfen, manche spielen künstlich bzw. künstlerisch wie in einem Dialog von Shakespeare oder einem Duett von Mozart, manche spielen die Liebe wie Schach mit dem Ziel, den anderen zu besiegen.“ Empfohlen wird ein „spielerisches Ausprobieren“, ein Vorgehen, das in der Brettspiel-Szenerie wohl nicht so leicht Anerkennung finden wird.
1. “Khan”
Letzte Woche haben wir in „Khan“ eine entscheidende Regel übersehen und dem Spiel dadurch eine völlig abwegige Wendung gegeben. Heute war die Ehrenrettung fällig.
Auf einer Spielfläche mit karierten Kästchen macht jeder Spieler abwechselnd ein neutrales und dann ein eigenes Kreuzchen. Er kann auch 0 oder sogar 2-3 eigene Kreuzchen machen, doch das ist eher die Ausnahme. (Weil wir in der Monoglei sind, heißt bei „Khan“ das Kreuzchen-Machen „eine Jurte legen“.) Die Position des neutralen Kreuzchens wird durch ein Zufallsverfahren bestimmt, die eigenen Kästchen kann man recht frei verteilen, aber doch nicht immer so frei, dass das ganze ein Kinderspiel wäre.
Wenn die Kreuzchen auf dem Blatt eine bestimmte zusammenhängende Form angenommen haben, kann der Spieler ein entsprechendes Plättchen darüber legen und die Fläche somit in Besitz nehmen. Dabei dürfen beliebige neutrale und sogar Kreuzchen der Mitspieler überbaut werden, sofern nur mehr eigene als fremde Kreuzchen darunter liegen.
Die Formen reichen von einfachen Zweier-Plättchen bis zu Winkeln, Haken und Kreuzen mit fünf Kästchen. Um dem sehr grüblerischen Spielfluß noch etwas Pepp zu geben, darf jeder Spieler insgesamt fünf mal im Spiel entweder einen Doppelzug machen, eigene oder neutrale Kreuzchen vor dem Überbauen schützen oder ein begehrtes Form-Plättchen eine Runde lang für sich reservieren.
Wer am Ende in Summe die meisten Flächen besitzt – wobei die größte zusammenhängende Fläche noch ein paar Bonuspunkte liefert – hat gewonnen.
Letzte Woche haben wir – regelungerecht –unverzüglich und blindwütig zuerst alle 5er Teile gelegt und dabei auch unbekreuzte Kästchen (das war der Fehler) überbaut. Diesmal ging es – regelgerecht – darum, sich die – teilweise auch zufällig – entstehende Flächen von neutralen Kästchen schneller unter den Nagel zu reißen, als das ein Mitspieler tut. Naturgemäß wurden dadurch zuerst die kleineren Plättchen verbaut. Von den großen Plättchen lagen die meisten bei Spielende noch herum und fanden in dem entstandenen Fleckerlteppich kein Unterkommen mehr.
Günther war besonders erfolgreich. Er brach auch mehrfach wie ein Wolf in Horsts fürsorglich gehegte Herde von eigenen und neutralen Kreuzchen ein und schnappte sich das Herzstück weg. Es ist vielleicht ein Minuspunkt in „Khan“, dass eine selbst nur mittelfristige Planung nicht möglich ist. Kurzfristig und opportunistisch die größte sich bietende bildende Fläche kassieren, das kennzeichnet das übliche Vorgehen. Die Hoffnung bzw. das Hinarbeiten auf Bonuspunkte für die größte zusammenhängene Fläche bleibt daneben eine eher vage Spekulation.
WPG-Wertung: Günther: 6 (für die erforderlichen Denkprozesse zuviel Zufall), Horst: 7 (solide, gute Unterhaltung), Walter: 7 (hübsche Spielidee für einen konstruktiven, kontemplativen Spielerkreis, der sich vor 100 Jahren mit „Halma“ vergnügt hätte)
2. “Aztlán”
Fünf Zeitalter lang setzen die Spieler je insgesamt 30 Stammesfiguren einzeln auf insgesamt 30 Landschaftsfelder des Aztekenlandes. Stammesfiguren verschiedener Spieler im gleichen Landschaftsfeld beschwören einen Konflikt. Diese Konflikte sind vorprogrammiert! Wie soll man bei drei Mitspielern auch 90 Stammesfiguren nicht-überlappend in 30 Feldern unterbringen? Wo es doch jedem darauf ankommt, nach Ablauf eines Zeitalters, a) möglichst viele Felder besetzt zu haben, b) alle Felder möglichst zusammenhängend zu haben und c) dabei in einem bestimmten – spieler- und zeitalter-abhängigen – Landschaftstyp (Dschungel, Wüste, Gebirge, Stadt, Reisfeld) ganz besonders häufig vertreten zu sein. Denn dafür gibt es Siegpunkte, aus teils linearen, teils quadratischen Quellen.
Im Konfliktfall kann der Stärkere den Schwächeren pro Landschaftsfeld kurzen Prozess machen und ihn ersatzlos eliminieren. Er kann aber auch auf den Völkermord verzichten und bekommt dafür als Belohnung eine „Kulturkarte“, die sich früher oder später in zusätzliche Siegpunkte ummünzen läßt.
Der „Stärkere“ auf einem Feld ist entweder der Mitspieler mit den mehreren Stammesfiguren darauf, oder der Spieler, der sich für seine Leute gerade den größten Kampfesfaktor gewählt hat: eine der Zahlenkarten von 4 bis 9, von denen man jede pro Spiel aber nur einmal – zunächst verdeckt – in Anspruch nehmen kann.
Theoretischer – nicht einmal abwegiger – Spielverlauf des ersten Zeitalters: Spieler-A verteilt als Startspieler seine acht Stammesfiguren der ersten Spielrunde fromm und friedfertig auf irgendwelche Feld-Wald- und Wiesenfelder. Spieler-B tut desgleichen. Beide haben für den Start eine noch relativ niedrige Kampfesstärke gewählt. Spieler-C, als erfahrener Harung unter den Spielern, hat gleich zu Spielbeginn die – mit größter Wahrscheinlichkeit – größte Kampfstärke gewählt und setzt als zuletzt Ziehender bei jedem Zug seine Stammesfigur auf das gleiche Feld wie Spieler-A. Anschließend schreckt er vor keinem Konflikt zurück und eliminiert Spieler-A vom Spielfeld. Total! Und Spieler-B geht als Dreigabe noch an all den Stellen hops, wo er sich in mehr oder friedlicher Absicht zu Spieler-A hinzugesellt hat.
Bei uns war es nicht so. Aber es wäre mit Sicherheit so gewesen, wenn wir die Mechanismen des Spiels gleich völlig durchschaut hätten. Doch nach zwei Zeitaltern war das weitere Aufmarschieren von unbekannten Waffengattungen mit anschließendem chaotisches Gemetzel klar vorauszusehen. Da halfen auch keine Verlockungen zu Konfliktverzicht über kulturelle Segnungen. Horst blies das Halali zum Abbruch. („Mir ist schon lange nicht mehr passiert, dass ich nach zwei Runden keine Lust mehr hatte zum Weiterspielen.“)
WPG-Wertung: Günther: 4 (man hat den Spielverlauf nicht im Griff; alles ist reiner Zufall), Horst: 3 (total unübersichtlich, voller Fummelei. Hat das Spiel auf Grund guter Kritiken in der Spielbox gekauft. Auch da muss er in Zukunft genauer hinschauen), Walter: 4 (das Spiel ist nicht „broken“, es funktioniert – aber eher schlecht als recht.).
3. “Brügge”
Schon (mindestens) zweimal bei uns am Westpark gespielt, für Günther einer der Favoriten des Jahrgangs und für uns alle im Juni 2013 immerhin „Spiel des Monats“.
Wir würfeln um Geld, Ansehen und Katastrophen, spielen Karten für Kanal- und Häuserbau sowie zur Dienstverpflichtung von Personen, und gewinnen (oder verlieren) aus all diesen Tätigkeiten Siegpunkte für den Sieg.
Günther gewinnt regelmäßig durch eine wohlüberlegte Auswahl von Personen und deren siegpunktträchtiges Wirken. Sein Brief- und Spielkompagnon Willi aus nördlicheren Kreisen Deutschlands meint, es ginge auch über den Kanalbau. Dazu sollten uns aber keine Mitspieler mit den gleichen Ambitionen in die Quere kommen und wir geraten in eine gewisse Abhängigkeit von der Kartenhand.
Katastrophen sind in jedem Fall katastrophal. Und naturgemäß ziemlich zufällig. Und leider noch dazu recht regelmäßig.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,2 Punkte-Spiel.
4. “Coloretto”
Bei uns schon vor 10 Jahren mit großem Vergnügen gespielt. Moritz fand in seinem Report vom 12.3.2003 für das Spiel sogar noch eine weitere Verwendung: als Ergänzung zu „6 nimmt“: Ausfüllen der (geringen, aber) unvermeidlichen Denkzeiten durch ein lockeres Ziehen und Anreihen von unbekannten bzw. Aufnehmen und Sammeln von bekannten Karten.
Vier Jahre später wurde aus der Coloretto-Idee mit „Zooloretto“ sogar ein ausgewachsenes Brettspiel gemacht, das dann von der Jury „Spiel des Jahres“ sogar zum Sieger des Jahrgangs 2007 gekürt wurde.
WPG-Wertung: Horst siedelte sich mit 8 Punkten in die Spitzengruppe der WPG-Wertungen an: lustig, locker, schnell und cool