Ist die simple Bezeichnung “Kaffer” political correct? Ist es beleidigend, einen anwesenden Weißen (oder Schwarzen) schlichtwegs als „Kaffer“ zu bezeichnen? Und beleidigt man damit zugleich auch alle nichtanwesenden Angehörigen der Nuristani in Zentralasien und der Bantuvölker im südlichen Afrika? Aus gegebenen Anlaß wurde heute ausgiebig darüber diskutiert.
Sucht man im Internet-Dictionary nach englischen Übersetzungen für „Trottel“ und übersetzt die angezeigten Treffer wieder zurück ins Deutsche, so findet man unter „twerp“ einen „Kaffer“, explizit als „Schimpfwort“ ausgewiesen. Unsere Nachbarn aus dem Ösiland haben für diese Problematik eine wunderbare Abhilfe geschaffen. Sie sagen – zumindest nach dem Wörterbuch – zu einem entsprechenden Zeitgenossen „Koffer“. Eine simple Vokalverschiebung und schon sind wir alle wieder politisch korrekt!
Dazu noch eine Information aus dem Internet: Am 3. Juni 1976 stellte der Gerichtspräsident der Provinz Natal in Südafrika fest, dass die Verwendung der Wortes “Kaffer” beleidigend sei und verurteilte einen Schwarzen zu einer Geldstrafe in Höhe von 150 Rand, weil es diesen Begriff auf den damaligen Polizeiminister und einen Polizeibeamten bezogen hatte.
1. “Russian Railroads”
Nein, es handelt sich hier nicht um ein Mitglied der weitverzweigten 18xx-Familie. Das neueste Kind von Hans-im-Glück ist ein reinrassiges, um nicht zu sagen gigantisches Worker-Placement-Spiel. An mehr als 25 Arbeitsplätze können wir unsere 5 (später 6 oder 7) Arbeiter zum Anschaffen ausschicken, um
- unser Streckennetz zu erweitern; selbiges kommt gleich in 5 verschiedenen Farben vor, und dabei muss das schwarze Netz immer größer sein als das graue, das graue größer als das braune usw. bis zum beigen und weißen.
- Lokomotiven zu bauen
- Industrien zu errichten und den industriellen Fortschnitt zu nutzen
- Geld und Hilfspöppel zu erwerben
- private Arbeitsplätze zu schaffen
- Verdoppler für den Wert einzelner Streckenabschnitte zu platzieren.
Jeder Arbeitsplatz darf nur von einem einzigen Arbeiter besetzt werden. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Und zwar alleine. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben – allerdings nur ganz leicht. Es gibt sehr viele, fast gleichwertige Arbeitsplätze, die einen über manchen entgangenen Lustgewinn hinwegtrösten.
Der Startspieler kann mit seiner Setzpriorität natürlich eine ganze Reihe solcher kleiner Vorteile für sich buchen, die sich dann durchaus zu einer merklichen Summe addieren mögen; dafür erhalten die nachziehenden Spieler aber in jeder Runde einen Entschädigungsbonus an Siegpunkten. Eine durchaus sozialverträgliche Gesetzgebung.
Weiterhin kann man sich die Startspielerposition auch unter den Nagel reißen, wenn man einen Arbeiter dorthin ausschickt. Bemerkenswert daran ist, dass ein solcher Arbeiter nicht dem Produktiv-Betrieb verlorengeht; am Ende aller Züge darf er noch einen „richtigen“ Arbeitsplatz belegen und somit etwas greifbar Nützliches für seinen Herrn und Arbeitgeber bewirken.
Wenn alle Arbeiter gesetzt sind, ist eine Runde vorbei und gibt es Siegpunkte für den aktuellen Besitzstand. Im Wesentlichen wird hier das Streckennetz mit den höherwertigen Linienfarben, und der Ausbau der Industrie bewertet. Nach sieben Runden ist das Spiel zu Ende. Ein paar besondere Besitztümer liefern weitere Siegpunktposten, dann einer hat gewonnen.
Es gibt offensichtlich zwei verschiedene, absolut getrennte Strategien, um die „Russion Railroads“ zu gewinnen:
- Alle Energie auf den Ausbau der Transsibirischen Eisenbahn zu verwenden und möglichst schnell die späteste und teuerste weiße Linie auszubauen. Jede Längeneinheit der weißen Linie allein bringt schon pro Runde 14, u.U. auch 20 Siegpunkte ein.
- Den Streckenbau fast ganz zu ignorieren und alle Energie in die Industrialisierung zu investieren. Damit darf man noch peut-a-peut verschiedene zusätzliche Vorteile der einzelnen Industrien nutzen, die sich in Summe zu einem schwer einschätzbaren Punktepolster steigern.
Bei uns fuhr Peter die Streckenschiene und überrundete damit am Ende alle seine Mitspieler (1 Runde = 100 Punkte). Dabei kam ihm zustatten, dass Walter, als sein direkter Konkurrent in der Streckenstrategie, (wie üblich) mehr spielerisch als kalkulatorisch vorging und dabei so manchen Leckerbissen übersah, der dann mühelos an Peter fiel. Insgesamt kam er auf 396 Siegpunkte. “Nur” kritisierte Günther gnadenlos; er hatte bei HiG schon öfters Sieger mit mehr als 400 Siegpunkten gesehen. Er selber versuchte sich erstmals in der Industrieschiene. Auch den Ingenieursbonus von 40 Siegpunkten konnte er auf seine Seite bringen. Da ihm dabei aber Moritz einen harten Wettkampf lieferte, mußte Günther seine Entwicklung teuer genug bezahlen und kam – weit abgeschlagen – nur auf den zweiten Platz. Fazit: Die Strecken sind besser!
Unbestritten ist „Russian Railroads“ ein sehr schönes Spiel ist. Es ist rund und gibt jedem Spieler genügend Handlungsspielraum. Alles schwelgt in Siegpunkten, es gibt nur positive Effekte. Der Spielplan ist selbsterklärend, wenn man die Symbole alle verstanden hat, ist jeder Zug leicht und durchsichtig. Zwei Stunden Spielzeit sind heutzutage keinesfalls mehr abschreckend und selbst bei den Grüblern am Westpark durchaus zu schaffen. Doch das Spiel hat auch Schwächen. Ich selber zähle die nur schwer zu beherrschende Optimierung der Effekte an den verschiedenen Baustellen dazu (und natürlich auch Günther’s und Moritz’ Versuche, diese Optimierung tatsächlich auch hinzukriegen). Jeder Zug ist einfach, doch die Summe der Züge ist schwer.
Auch die Interaktion hält sich in Grenzen, sie beschränkt sich auf das konkurrierende Belegen der Monopol-Arbeitsplätze. Der Rest ist ein solitäres Aufbauspiel. Günther widersprach heftig jedem einzelnen dieser Kritikpunkte, ohne dafür jedoch Argumente zu verschwenden. Er hatte halt mal wieder seine rosarote HiG-Brille an. Peter bot die Kompromißformel an: „Russian Railroads ist ein Solitärspiel mit Interaktionselementen … „
WPG-Wertung: Günther: 9 (Vielfalt der Optionen, hohe Konkurrenz), Moritz: 7 (sehr gutes Design, leider führt keine Mischstrategie, sondern eine reine Mono-Strategie zum Erfolg), Peter: 7 (Die Regelerklärerei steht in keinem Verhältnis zum Spielspaß. Solche Spiele dürfte man nicht mit der gradlinigsten Strategie gewinnen können.) Walter: 7 (Mangelnde Interaktion. Das Spiel ist nicht fehlertolerant; wer am Anfang ins Hintertreffen gerät, hat keine Chance auf ein Aufholen. Zu viele Optionen, deren Vorteile man für einen rechtschaffenen Sieg sorgfältig gegeneinander abwägen muss; zu viele Siegpunktquellen, deren optimale Erschließung unausweichlich in Arbeit ausartet.)
2. “Bluff”
Die Railroads, Günther Regelvortrag, Moritzens Verspätung wegen Stau im U-Bahn-Tunnel und das allgemeine Kaffern-Palaver im Vorfeld hatten vier Stunden gekostet. Der Zeitpunkt war gerade richtig für ein abschließendes ausgedehntes Bluff-Absacken.
Im ersten Spiel räumte Günther seinen Endspielgegner Walter mit der Immer-5-Strategie aus dem Feld. Er hatte zwar selber keine 5 unter dem Becher, dafür aber sein Kontrahent. Im zweiten Spiel konnte Walter den Spieß umdrehen, sogar mit Günthers eigener Immer-5-Strategie. Allerdings war er dabei mit 3:1 Würfeln im Vorteil. Diese Strategie heißt dann eher Golitath-Strategie: Immer das stärkte Gebot setzen, das man selber auf der Hand hat.
Das dritte Spiel konnte Peter im 3:3-Endspiel gegen Günther für sich entscheiden. Das Ende vom Lied: Jeder hat einmal gewonnen. Mal wieder ein deutliches Indiz für den reinen Glücksspielcharakter von „Bluff“ …
Für alle die bis 3 und mehr zählen können: Moritz war schon auf dem Heimweg.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
»Zu viele Optionen, deren Vorteile man für einen rechtschaffenen Sieg sorgfältig gegeneinander abwägen muss;«
Wenn das jetzt schon ein Kritikpunkt darstellt, dass man viele Optionen hat und die auch noch abwägen muss, dann wird es wirklich schwierig ein sehr gutes Spiel für den denkenden Spieler zu machen :-).
Ja, lieber Christof, Du hast mich richtig verstanden und ich stehe auch dazu, wie ich das formuliert habe. Gerade weil ich ein klarer Verfechter von Spielen bin, in denen man einen Plan haben kann, mag ich keine Spiele, bei denen man ausschließlich durch sehr genaues Abwägen von sehr vielen verschiedenen Optionen einen optimalen Weg durch den Erfindungsreichtum des Autors finden muss. Ich möchte dabei vor allem auch noch SPIELEN.
Schau’ mal im Vergleich dazu auf das Spiel aller Spiele, auf „1830“. Hier muss man sich nicht durch ein Labyrinth verschiedenster Elemente kämpfen, hier gibt es Aktien, Strecken und Züge. Alles ganz glasklare Elemente. Selbst die Vielfalt der Strecken ist übersichtlich, da man immer nur an wenigen, klar ersichtlichen Stellen weiterbauen will. Das gesamte Hantieren liegt in der Creativität des Spielers. Was ICH damit mache, das bestimmt das Spiel. Und nicht das, was DER AUTOR mir vorgesetzt. Host mi?
Da Udo Bartsch auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN mir voll und ganz aus dem Herzen spricht, möchte ich in hier zitieren, denn besser könnte ich es nicht formulieren (http://rezensionen-fuer-millionen.blogspot.de/2013/11/russian-railroads.html?showComment=1385022796201 ):
Was taugt es? RUSSIAN RAILROADS ist ein herausforderndes Experimentierfeld. Der eigene Highscore dient als Vergleich, ob der Versuch geglückt ist oder nicht. Obwohl jeder sein eigenes Tableau entwickelt, ist das Spiel nicht solitär. Wie bei anderen Arbeiter-Einsetz-Spielen auch gibt es viele attraktive Platzierungsfelder, und weil die Mitspieler dummerweise auch was vom Kuchen abhaben wollen, wägt man die Prioritäten ab und fiebert mit, dass bestimmte Aktionen noch bis zum nächsten Zug frei bleiben. Dieses Mitfiebern empfinde ich bei RUSSIAN RAILROADS als besonders ausgeprägt. Vermutlich liegt auch dies an der Klarheit des Spiels. Es ist kein wischiwaschi und mehr oder weniger egal, ob ich eine Aktion kriege oder nicht oder irgendwann später. Sondern: Ich habe einen Plan, und den verfolge ich.
Trotz ähnlicher Ausgangslage verlaufen die Partien unterschiedlich. Vieles hängt vom Verhalten der Mitspieler ab. Ob die hochwertigsten Loks und Fabriken überhaupt ins Spiel kommen, ist ungewiss. Und jede noch so tolle Strategie scheitert, wenn zu viele Spieler dasselbe versuchen und sich um die entsprechenden Einsetzfelder balgen.
Eins noch, und nicht das Unwichtigste: Weil immer mehr Spiele im Kenner- und Freakbereich erscheinen, muss ich tendenziell immer mehr komplexe Anleitungen lesen, und ziemlich oft ist das eine Quälerei – gerade in meinem Alter. Die Anleitung von RUSSIAN RAILROADS ist dagegen pures Gold. Alles verständlich, übersichtlich, sehr ausführlich und in der richtigen Reihenfolge. Auch die Grafik ist klar und durchdacht. Redaktionell wurde hier vorbildlich gearbeitet. So sollen Spiele sein.
RUSSIAN RAILROADS von Helmut Ohley und Leonhard Orgler ( Günther: unseren 18xx O&O Freunden) für zwei bis vier Spieler, Hans im Glück.
Mal an Euch als 1830-Experten gefragt, weil immer wieder 1830 als “Spiel aller Spiele” erwähnt wird:
Was ist für Euch die Faszination an 1830? Das Spiel konnte bei mir so gar nicht zünden, weil sich im Kern alles darum drehte, wie man das Spielelement am effektivsten ausnutzen kann, mit einer Gesellschaft eine andere Gesellschaft ausbluten zu lassen und diese dann ausgeblutet einem Mitspieler zu überlassen, der dann sehen muss, wie er da wieder rauskommt. Dieses Aktienmarkt-Geschachere fand ich eher langweilig und fad, bin da wohl mehr der konstruktive Streckenbauer im 18xx-Umfeld.
Hallo Ravn, wenn Du wissen willst, warum für mich “1830” das Non-plus-Ultra ist, dann empfehle ich Dir meinen Artikel “1830 für Gourmets” hier auf unserer Internet-Seite. Anzuklicken in der linken Menueleiste unter “Informationen – Artikel”.
Gesellschaften ausbluten lassen und sie dann einem anderen Mitspieler vor die Füße zu werfen, ist nur eine der (erfolgreichen) Taktiken. Als Werkzeug hierfür eignet sich besonders die Privatgesellschaft Camden & Amboy.
Man kann “1830” aber auch konsequent als Empire-Builder spielen. Und wenn sich die Mitspieler an den eigenen Gesellschaften beteiligen, muss man sie so vorsichtig fahren, dass denen ein Abspringen (um den Kurswert zu drücken) immer leid tut. Also ein Seiltanz auf hohem Niveau. Ach ist das schön …
Danke für den Artikel-Tipp zu 1830 – scheint mehr in dem Spiel drinzustecken, als meine erste verkorkst-langweilige 3er-Partie damit zu Tage gefördert hat. Aber hier stehen ja noch 1835, 1829 Mainline, 1861, 1853, 1870, 1856, Steam over Holland und UR 1830 BC im Schrank als Alternativen.
Hallo ravn, die 1830-Alternativen sind alle Mitglieder der großen 18xx-Familie und ebenfalls gute bis sehr gute Spiele. In manchen Bereichen (z.B. verkürzte Spielzeit, leichterer Einstieg für Anfänger, gut spielbar auch im 3er Kreis) mögen sie gegenüber “1830” sogar Vorteile besitzen. Für mich ist aber genau das Original “1830” das beste von allen. Hier ist die Kombination von aggressiven und defensiven Spielweisen, der höllische Aufpassen-Müssen-Effekt am besten realisiert.