Hallo Christoph, Du hältst uns für „bescheuert“, weil wir Lewis & Clark nicht so viel abgewinnen können wie Du meinst, dass darinnen steckt. Äußere Dich doch schriftlich und erkläre unserer Leserschaft, was Du an diesem Spiel so besonders gelungen findest.
Nur wegen Dir kam L&C bei uns heute nochmals auf den Tisch. Aaron wollte verifizieren, ob das Spiel in einem 4-Personenkreis für ihn mehr als seine bisherigen 4 Punkte wert ist. Und Moritz möchte Dir bei Deiner nächsten C&L-Bescheuerung sachkundig Paroli bieten könnten.
Aber zunächst mal verlor C&L die Kampfabstimmung gegen Russian Railroads, das als unser frisch zu kürendes Spiel des Monats zum dritten Mal seine Stärken (und Schwächen) demonstrieren können sollte.
1. “Russian Railroad”
Schon im Vorfeld überlegten sich die Koryphäen, welche Strategie sie diesmal einschlagen wollten. Und Moritz versuchte gleich, das Fußvolk auf Günthers Ambitionen zu hetzen. Denn Konkurrenz kostet Federn – natürlich die der anderen.
Unser überlegener Stratege Günther hatte sich wie immer die Industrie vorgenommen. Man muss relativ früh damit anfangen und dann auch noch einen zweiten Industriemarker auf die Reise schicken, um die gewaltigen Prämien am Ende der Strecke einzustreichen. Dass hier die unterwegs passierten Fabriken auch noch erkleckliche Vergünstigungen abwerfen, das weiß nur der, der diese Strecke schon einmal gegangen ist. (Oder der mit tränenden Augen wahrnehmen mußte, wie ein Mitspieler hier zum Krösus wurde.)
Günther kam in den ersten beiden Runden nicht so schnell in die Pötte, wie er sich das vorgestellt hatte. Aber dann ging es los. Unbehindert von Mitspieleraktionen baute er eine Fabrik nach der anderen. In der letzten Runde kassierte er geschlagene 186 (einhundertund …) Siegpunkte. Mit einer Gesamtsumme von 427 Siegpunkten konnte er alle seine Konkurrenten um 1-2 Hunderter-Stufen überrunden.
Moritz und Walter konzentrierten sich auf die Linie nach Wladiwostok, doch ihr – keineswegs als sich behindernd empfundener – Wettlauf um Lokomotiven und schwarze, graue, braune, vor allem aber beige und weiße Gleise konnte mit Günthers Industrien nicht mithalten. Aaron wollte in seinem ersten RR-Spiel ohnehin die gegebenen Optionen erst mal mehr oder weniger kontemplativ kennenlernen.
Wie Sturzbäche strömen am Ende die Siegpunkte aus allen Kanälen über die Spieler herab und schwemmen alles weg, was nicht niet und nagelfest ist. Vor allem bei den Mitspielern. Selbst Günther bekannte danach: „Man hätte manches weglassen sollen. Aber wahrscheinlich wäre dann die Balance verloren gegangen.“ Genau! Weil für die Railroad-Tycoons der Streckenbau nach Wladiwostok so unheuere Verdienstmöglichkeiten bietet, wurden auch die Strecken nach St. Petersburg und Kiew mit gewaltigen Siegpunkt-Sturzbächen ausgestattet. Wie wenn ein Koch in eine Suppe zuviel Salz reingetan hat, und dann versucht, das Gericht durch eine Überdosis von Curry doch noch in den Griff zu bekommen.
Moritz bemängelte, wie schon beim letzten Mal, dass das Spiel eine Mono-Strategie fordert. Eine der vielen möglichen siegpunktträchtigen Pfade muss man vom ersten Augenblick an konsequent verfolgen, um Chancen auf den Sieg zu haben. Ein Wechsel in der Strategie ist weder hoffnungsvoll noch ertragreich. Wer auf das falsche Pferd gesetzt hat, der kann von den richtigen Pferden bald nur noch die Schwanzwurzel sehen.
Ein Trost für Dich, lieber Autor Helmut, das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Russian Railroad bietet eine Menge spielerischer guter Unterhaltung.
WPG-Wertung: In die bisherige gute Notengebung mit Günthers 9 Punkten an der Spitze reihte sich Aaron mit 6 Punkten am Ende ein („Ist nicht mein Spiel, solitäre Optimiererei.“)
2. “Lewis & Clark”
Eigentlich hat L&C eine Menge Ähnlichkeiten mit RR. Workerplacment auf dem Indianertableau. Verschiedene grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten, das Spiel anzugehen. Relativ unbeeinflusstes Werkeln mit dem Potential für Rohstoff- und Fortschrittsmanagement.
Sehr gut ausbalanciert, nichts ufert aus. Rohstoffe sind gut, aber nicht in rauhen Mengen. Periodisch muss man sie zurückfahren, um dafür keine Strafpunkte zu kassieren. Früher oder später wird jeder bescheiden und streicht nur noch einen Bruchteil des zulässigen Ertrages ein. Das richtige Maßhalten ist eine der Herausforderungen des Spiels.
Leider kennt das Spiel keine – wesentliche – Steigerung. Erträge, Umsätze, Fortschritte – alles verläuft von Anfang bis Ende im gleichbleibenden Trott und in mehr oder weniger gleichbleibender Größenordnung. Was bei RR zu viel des Guten ist, ist in L&C zu wenig. Bis zum Ende erwerben wir Schrittchen für Schrittchen die benötigten Mengen Felle, Holz und Büffel (und Indianer), tauschen sie in Kanus und Pferde um, und bezwingen damit Mississippi und Missouri flußaufwärts über die Rocky Mountains bis zum Pacific.
Moritz war der Erste. Warum? „Ich habe mir mit größter Sorgfalt die richtigen Begleitcharaktere herausgesucht!“ Er deutete auf den Indianerhäuptling „Hawk’s Feather“, der ihm pro Büffel drei Schritte (anstatt nur zwei) auf dem Wasserweg zum Ziel vorwärts bringt. Günther verwies noch auf „Three Egles“, mit dem man jeweils zwei Ausrüstungen in ein Pferd umtauschen kann, und auf den Trapper Geierschnabel, der für je drei Felle zwei Schritte über Fels und Eis erlaubt.
Ist L&C also ein Spiel, bei dem man darauf lauern muss, dass recht bald die richtigen Charaktere auftauchen, um sie – bei vier Mitspielern mit 25% Erfolgswahrscheinlichkeit – vor seinen Mitspielern einzukaufen und mit ihnen seine Produce&Walk-Maschinerie in Gang zu setzen? Hallo Christoph, Du bist dran! Welche Qualitäten machen dieses Spiel für Dich zu einem Highlight von Essen 2013?!
WPG-Wertung: Moritz: 7 (man kann sich in einem Plan engagieren, ihn ausrechnen und erfüllen. [WS: Und das Ganze dann auch noch solitär.]), Aaron: blieb bei seinen 4 Punkten.
3. “Valeo”
Auf der Spielfläche von Aarons Eigenbau über Würfel mit römischen Ziffern gibt es jetzt in der Mitte ein „großes zentrales Loch“. (Schallendes Männergelächter.) Es soll verhindern, dass alle Spiele mit der Besetzung genau dieses Feldes beginnen. Jetzt muss der Startspieler am Rande dieses Loches anfangen.
Lohnt es sich, seinen Zahlenwürfel gleich daneben zu setzen und so zu versuchen, dem Vorgängerspieler eine Zahlenkombination streitig zu machen? Eine einfache Überlegung spricht dagegen: Sofern eine Zahlenreihe nicht zwangsläufig durch das Bildungsgesetz für römische Ziffern begrenzt ist, wird der Vorgänger immer einen Würfel mehr unterbringen und damit am Ende die gesamte Zahl auf seinem Siegpunktkonto verbuchen können. Der Zweite geht leer aus.
Wir überlegten hin und her und fanden keine Situation, wie zwei Spieler durch geeignete Kooperation sich gegenseitig beim Zahlenbau unterstützen können. Immer nur einer profitiert, der andere guckt in die Röhre. Folglich sollte jeder Spieler an einer eigenen separaten Stelle um das zentrale Loch herum anfangen.
Damit ist eine „Clusterstrategie“ nahegelegt: jeder legt seinen Würfel möglichst für sich alleine zu einer Zahlenfläche zusammen und profitiert von jedem seiner eigenen Würfel doppelt: einmal waagrecht und einmal senkrecht. Das hat aber den Nachteil, dass nur noch gutes Würfels belohnt wird, nicht aber das gute Auge für römische Ziffern und das Gobang-artige Ausnutzen der Flächen-Topologie. Hier muss eine sinnvolle Nachwürfel-Regel eingeführt werden. Unter anderem.
Soll von einer Zahlenreihe ausschließlich der Spieler mit den meisten Würfeln profitieren, oder alle Spieler, die daran beteiligt sind? Nach welchem Schlüssel?
Sollte vielleicht nicht die gebildete römische Zahl die Anzahl der vergebenen Siegpunkte bestimmen, sondern die Länge der Zahl, d.h. die Anzahl der beteiligten Würfel – in einem quadratischer Maßstab – , unabhängig von der daraus resultierenden Zahl? Damit wäre schon mal das Würfelglück – am Westpark nicht besonders beliebt – ausgeschaltet.
Fazit: „Valeo“ ist zunächst mal nur ein hübscher Geistesblitz für eine Spielidee. Für uns ist es spannend, mitzuverfolgen, wie sich die verschiedenen Regelvarianten auf den Spielablauf auswirken. Doch bis das Spiel tatsächlich funktionert, wird noch viel Wasser die Isar hinunterfließen.
Noch keine WPG-Wertung
PS: Mein Google-Translator übersetzt „zentrales Loch“ übrigens mit „media cisterna“. Ich glaube, der hat etwas überhaupt nicht verstanden!
Meine L&C-Spielerfahrung: Ohne eine bessere Karte, die einem optimaler über die Berge bringt, kann man nur in einer Anfängerrunde gewinnen, die noch recht unerfahren unoptimiert mitspielt. Mit der Standard-Wasser-Bewegungskarte kommt man hingegen recht gut voran. Es gibt aber durchaus da auch bessere Karten. Somit sollte man vorab einplanen, dass man Felle und Werkzeuge für solch eine Berg-Karte braucht und nicht erst anfangen die zu sammeln, wenn eine solche Karte auftaucht. Allerdings hat man es ja selbst und die Mitspieler in der Hand, wie schnell oder auch nicht die Karten preiswerter werden. Tolle Karten bei Mitspielern kann man prima mit dem Schamanen im Indianderdorf kopieren, ohne die selbst teuer kaufen zu müssen – wird oft übersehen diese Option, genauso wie die Möglichkeiten, sein Deck zu verschlanken.
So und jetzt bin ich die Meinung von diesem Christoph gespannt …
Hallo ravn, richtig bemerkt: die Nützlichkeit des Schamanen wurde von mir nicht bewusst wahrgenommen.
Das ändert aber nichts am Charakter von L&C: Jeder kocht sein Süppchen mehr oder erfolgreich alleine vor sich hin. Wo ein Spieler seinen optimalen Zug sucht und findet, ob in seinen eigenen Karten oder bei den Helfern der Mitspieler, das ändert nichts am Solitär-Charakter des Spiels.
Super-Karten der Mitspieler auch für sich selbst einsetzen zu können, spricht nur für die vorzügliche Balance des Spiels. Daran möchte ich absolut nichts kritisieren.
Hallo Gamers
Sorry, dass ich erst jetzt antworte, habe den Post erst spät gesehen. Das Wort »bescheuert« wurde von mir nicht benutzt, da muss sich ein Fehler in der Transkription eingeschlichen haben. Ich sprach von »hanebüchen niederen Bewertungen«, was doch wohl einen Unterschied macht.
Ich finde Lewis & Clark ist ein außergewöhnlich cleveres Spiel. Klar ist es nicht das interaktivste, aber das ist (für mich) auch nicht der alleinige Maßstab. Zum Beispiel finde ich den Aktivierungsmodus der Karten mit anderen Karten und / oder Indianer äußerst gelungen. Man ist ständig wieder am (um)denken, was ich wo einsetze.
Vielleicht bin ich nicht ganz so clever wie ihr WP-Gamers, aber ich habe bisher in jeder Partie noch einen neuen Kniff entdeckt, der mir (und den anderen) nicht aufgefallen ist. Wie z. B. die angesprochene Kopierbarkeit der Karten. Außerdem finde ich viele der Timing-Problem im Spiel interessant. Wann ist die beste Zeit Rohstoffe zu sammeln, wann lohnt es sich Indianer einzusammeln, wann muss ich auf dem Fluss fahren, wann auf dem Berg wandern, wie kriege ich meine Rohstoffe bist zum Lager aufschlagen wieder los, …
Ich finde das Spiel ziemlich vielgestaltig und es lädt immer wieder ein was anderes zu probieren. Außerdem finde ich das Thema und dessen Umsetzung ebenfalls äußerst gelungen. Auch wenn es ein »Sammle-Rohstoffe-und-Werte-Sie«-Spiel ist, kommt das Thema durch die Spezialisten-Karten und deren Illustrationen gut rüber. Das passt für mich recht stimmig zusammen (ist mir aber auch klar, dass sowas nicht für jeden ausschlaggebend ist).
Hallo Christof, danke für Deine Antwort.
Alle Deine Argumente kann ich unterstreichen. Das Spiel stellt sehr viele, sehr hübsche Aufgaben und selbst wir (ob das jetzt für oder gegen uns spricht, sei dahingestellt) könnten in jedem Spiel einen neuen Kniff entdecken. Mindestens!
Sogar “hanebüchen niedrige” Bewertungen würde ich – teilweise – unterschreiben. Wir werden halt alt und intoleranter.
L&C ist zweifellos eine kreative Management-Aufgabe und weniger ein Spiel. Das hast auch Du mehr oder weniger zugestanden. Und manche mögen halt mehr mit- und gegeneinander spielen, als nur sich selbst managen.