Die Spiele-Autoren-Zunft e.V. (SAZ) ist ein 1991 gegründeter Zusammenschluss (überwiegend) deutscher Autoren als gemeinsame Interessenvertretung gegenüber Öffentlichkeit und Verlagen. Eines der Satzungsziele ist die Stärkung des Kulturgutes Spiel in der Gesellschaft. Sie veranstaltet Seminare, in denen angehenden Autoren das Rüstzeug für Spielentwicklung und Produktion vermittelt wird. Auf den großen Spielemessen und Autorentreffen im deutschsprachigen Raum zeigt sie ihre Präsenz. In den letzten Jahren ist sie insbesondere mit ihrer Kampagne zur Anerkennung von Spieleautoren als Urheber hervorgetreten.
Seit dem 14. Juni dieses Jahres ist unser Aaron Pressesprecher der SAZ. Mal sehen, ob es jetzt dort (noch) lauter wird.
1. “FarbX”
Ohne eine Tasche mit Spielen kam Moritz am Westpark an. Den verwunderten Blicken hielt er aber sofort ein „Ich habe trotzdem ein Spiel dabei“ entgegen. Auf einer DIN-A-4-Seite waren die Regeln von Christof Tisch’s neuem Prototypen „FarbX“ aufgeschrieben. Ein Satz mit Romme-Karten ist das einzige Material, das dazu benötigt wird. Das sollte in einem Bridger-Haushalt doch vorhanden sein. (Achtung Christof: Wenn weiter nichts dazukommt, wirst Du es schwer haben, für diese Spielidee Dein eigenes Kartenmaterial auf den Markt bringen zu können!)
Auf dem Tisch ist Platz für vier Stapel in den verschiedenen Spielfarben Kreuz, Pik, Herz und Karo. Zu Spielbeginn bekommt jeder drei Karten auf die Hand ausgeteilt. Jetzt kann man reihum
- Beliebig viele Handkarten einer Farbe offen vor sich auslegen. Bestehende Auslagen der gleichen Farbe müssen erweitert werden.
- Eine Handkarte zu dem farblich passenden öffentlichen Farbstapel hinzufügen. Anschließend darf man vom verdeckten Nachziehstapel soviele Karten auf die Hand nachziehen, wie sich aktuell Karten in diesem Farbstapel befinden. Ein munterer Springbrunnen für neue Karten.
- Für eine Kartenfarbe in seiner Auslage eine Wertung auslösen: Die Anzahl der Karten in der Auslage mal die Anzahl der Karten im zugehörigen öffentlichen Stapel ergibt die Anzahl Siegpunkte, die man dafür erhält. Ein gigantisches quadratisch wachsendes Potential für Siegpunkte.
- Eine bliebige Handkarten verdeckt auf einen geheimen Endwertungsstapel legen. Bei Spielende werden alle Auslagen aller Spieler mit Faktoren gemäß den Farbkarten in diesem geheimen Endwertungsstapel additiv gewertet.
Das ist alles. Schnell erklärt und schnell begriffen. Aber noch längst nicht beherrscht. Ist es besser, seine Auslage zu erweitern oder den Faktor zu erhöhen, mit dem sie gewertet wird? Wenn ein – nicht einmal übermäßig gewitzter – Mitspieler zuerst wertet, wird der Faktor wieder auf 1 zurückgesetzt. Dann hat man das falsche Pferd gefüttert.
Soll man zunächst mal nur so prophylaktisch von jeder Farbe eine Droh-Auslage schaffen, damit man bei ausreichend hohen öffentlichen Faktoren sofort als erster zuschlagen kann? Die kärgliche Erstausstattung von 3 Karten läßt dafür nicht viel Spielraum.
Soll man überhaupt auf Zwischenwertungen verzichten und sein Glück allein mit dem geheimen Endwertungsstapel und riesigen Auslagen in allen Farben versuchen? Walter sollte diese prophezeite Gewinnstrategie mit einer einzigen Farbe versuchen, was wegen seiner unglücklichen Kartenhand total daneben ging.
Das Spiel hat mehr Tiefe, als wir in den ersten drei Runden erkennen konnten. Allerdings bleibt das Glück beim Nachziehen der Karten eine wesentliche Einflußgröße für den Sieg. Neben der Unberechenbarkeit der Mitspieleraktionen.
WPG-Wertung: Aaron: (Der Funke ist nicht übergesprungen. Für die Zugauswahl gibt es keine rationalen Entscheidungshilfen, unbefriedigend sind die unvermeidlichen Killerwertungen, die den Sieg bedeuten, ohne dass man sie in der Hand hat), Günther: (Modifizierungsvorschlag: Bei den Wertungen sollten die Mitspieler mitprofitieren können; evtl. nur prozentual, dafür dürfen sie aber die Karten in ihrer Auslage behalten), Moritz: (schnell und locker. [Oder hieß das nicht locker?]), Walter: (Das Spiel hat was, aber es fehlt auch was.)
Da hat doch gerade in der Spielbox jemand zu einem potentiellen Anwärter auf das Spiel-des-Jahres 2014 geschrieben: „Das Spiel sieht gut aus, ist günstig, macht Spaß, hat einen hübschen Spannungsbogen, läßt sich ein klein wenig beeinflussen und hat dennoch einen so großen Glücksanteil, dass es sowohl als Familienspiel wie auch als witzig chaotischer Absacker durchgeht.“
Das trifft alles auch auf die aktuelle Fassung von „FarbX“ zu. Doch ist es wirklich zutreffend, dass „ein klein wenig beeinflussen“ und „großer Glücksanteil“ Voraussetzungen für ein Familienspiel sind? Und dass das dann gleich auch als „witzig“ gilt?! Oh sancta simplicitas, jetzt verstehe ich die Juroren von SdJ! Und das Gro der Familienspieler.
2. “Istanbul”
Wir sind Kaufleute im Basar von Istanbul und eilen mit unseren Gehilfen von Stand zu Stand, von Lager zu Lager, zum Schwarzmarkt, Juwelier, in die Teestube und zum Sultanspalast. (Liegt der eigentlich auch im Basar?)
Wir besorgen uns Waren (schön abstrakt in den vier Farben rot, grün, gelb und blau), verkaufen diese gegen bare Münze und besorgen uns für Waren und/oder Geld Diamanten, die den Sieg bedeuten. Der Ausbau unseres Ladens bringt effizienteren Warenumschlag, für den Gelderwerb dürfen wir auch würfeln, und in der Karawanserei bekommen wir Bonuskarten, die unsere Aktionen unterstützen.
Vier bis fünf Gehilfen gehen uns beim Agieren zur Hand. Regelmäßig müssen wir sie wieder in die Zentrale zurückholen, es sei denn, wir sammeln sie mit unserem Boss selber wieder ein.
Der optimale Weg durch den Basar ist wichtig, denn unsere Schrittweiten sind begrenzt und die richtige Reihenfolge beim Erwerben und Tauschen ist essentiell. Ein Transportoptimierungsprogramm wäre nicht schlecht, doch dafür geht es in Istanbul viel zu locker zu. Man darf allerdings nicht blind durch den Basar laufen und immer nur das Naheliegendste nehmen; bei allen Aktionen sollte der Erwerb von Diamanten immer im Auge behalten sein.
Moritz fand eine gelungene Combo von Anlaufstellen, die er reihum mit seinen Gehilfen besuchte, ohne durch die periodische Sammelaktion Tempo zu verlieren. Niemand kam ihm in die Quere (was in Istanbul auch nicht so leicht ist – leider) und mit Hilfe der schnell erworbenen Moschee-Plättchen steuerte er unangefochten seinen Sieg an. Beim nächsten Mal wird der Basar neu zusammengestellt, da muss er – und die anderen auch – eine neue Combo suchen. Höchst spielerisch.
Mit seiner enormen Erfahrung als Spieleautor hat Rüdiger Dorn ein reifes Spiel geschaffen, das überaus rund und flüssig abläuft, an keiner Stelle Ärger oder Frust erzeugt, für jede Situation leicht auffindbare Lösungen oder Lösungsalternativen bereitstellt, und reine, konstruktive Spielfreude vermittelt.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Bewegungsmechanismus ist toll), Günther: 8 (kein Monster, kein simples [dröges] Worker-Placement-Spiel, [sondern alles gut oder besser]), Moritz: 8 (offene Konkurrenz, deutliche Interaktion u.a. beim „Erster-Sein“, nicht miesnickelig oder fies, die Diamanten-Lösung ist sehr gut designt), Walter: 7 (flüssig, hübsche, überschaubare Abläufe).
3. “Trans Europa”
Von Gummibärchen, Kartoffelchips, dem Rheinriesling, Mineralwasser oder seinem Abendessen zuhause war es Aaron ganz plötzlich ganz schwindelig geworden. Auch eine Ruhelage im Sessel brachte keine Abhilfe. Seine Frau mußte ihn am Westpark abholen. Hallo Aaron, hoffentlich geht es Dir jetzt schon wieder besser!
Das zurückgebliebene Trio war zunächst ziemlich bedröppelt. Wir brauchten einen Aufmunterer. Da kam „Trans Europa“ gerade zurecht. Ein saustarke Komposition des seligen Franz-Benno Delonge. Das Spiel sieht sehr gut aus, ist günstig, macht sehr viel Spaß, hat einen hübschen Spannungsbogen, sehr viel Geist, Einfühlungsvermögen und Interaktion; alles läßt sich beeinflussen und dennoch bleibt ein bißchen Glücksanteil übrig. Es baut auf und es sackt ab. Kurzum: Ein Spielvergnügen im Quadrat.
Den Sprung auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ hat es seinerzeit trotzdem nicht geschafft.
Für weitere Informationen siehe die zahlreichen Session-Reports sowie die Spielekritik vom 5. April 2008 auf unserer Seite.
WPG-Wertung: Keine Änderung der guten Noten mit einem Schnitt von 8.0. Eigentlich wäre das Spiel noch einen Punkt mehr wert.
4. “6 nimmt!”
Günther hat die neue Jubiläumsausgabe zum 20-jährigen Bestehen der Erstausgabe von „6-nimmt“ mitgebracht. Insgesamt 2,7 Millionen Exemplare dieses Spiels wurden bisher verkauft. Davon siebenhunderttausend im Ausland! (Nur!)
Die neue Ausgabe enthält zehn neue Joker-Karten. Sie haben die Werte 0,0 bis 0.9 und können hinter jede beliebige Zahlenkarte angelegt werden. Damit wird die bisherige vorherrschende „höchste-niedrigste“-Strategie (siehe Review vom 21.20.2001) total umgeworfen, aber durchaus „6-nimmt“-spielekonform. Eine echte Bereicherung.
WPG-Wertung: Keine Änderung der guten Noten, die sich zwischen 8 und 10 Punkten bewegen. Nur Peter leistete sich hier mit 6 Punkten einen Ausrutscher. Pfui!.