04.02.2015: Sex, sieben, acht

Wie sexy ist Ostfriesland? Aus bayrischer Sicht mindestens so sexy wie Dortmund, das demnächst das größte Zweitligastadion der Welt besitzt. Aber wahrscheinlich bringt selbst das kleinen guten Klang in die Landschaft. „Carcassonne“ in Südfrankreich muss es schon sein, oder „Puerto Rico“ auf den Jungferninseln. Selbst das kalte „Sankt Petersburg“ scheint aus Marketing-Gesichtspunkten heraus sexy zu sein. Warum nennen wir ein Spiel mit Hexawürfeln oder hexa Würfeln nicht direkt gleich „Immer Sex“! Oder, Moritz schlug das vor, weil es einen so schönen Sprachrhythmus hat: „Immer Sex van achteren“. Beeinträchtigt solch ein Titel etwa die Verkaufserfolge in den Vereinigten Staaten?

1. “Nobiles”
AaronMoritzGuentherNobiles
Aarons zweite Eigenentwicklung ist unter Dach und Fach. Der Argentum-Verlag hat wieder zugeschlagen und sich die Rechte daran gesichert. Wenn alles gut geht, sollte es dieses Jahr in Essen herauskommen.

Nur ein knappes Jahr hat Aaron daran gearbeitet. Am 19. Februar 2014 lag es erstmals bei uns am Westpark auf dem Tisch. Damals schrieben wir: „Gegensätzliche Interessen von Bürgern und Nobiles beim Besiegen der Elemente, sowie eine Semi-Kooperation und Semi-Konkurrenz innerhalb der freien Aktionen der Mitspieler sind die Leitmotive des Designs. Doch bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.“

Das Leitmotiv des Designs wurde konsequent umgesetzt, an der Balance wird immer noch gedreht. Auch das heutige Spielen am Westpark diente dem Feintuning. Vereinigtes konstruktives Vorgehen sollte von Fall zu Fall von Erfolg gekrönt sein, doch ein durchdachtes, überraschendes Einsetzen des destruktiven Potentials sollte ebenfalls lustvolle Siegpunkte abwerfen können.

Auch das Umschwenken vom Dienst an der Front zum Absahnen in der Etappe sollte nicht allzu leicht vonstatten gehen. Vorausplanung, rechtzeitig ausreichend Mittel ansammeln und sich im Endspurt mit einem Knalleffekt an die Spitze setzen, so sieht der ideale Spielablauf bei den „Nobiles“ aus. Drei Stunden lang haben wir mitgedacht, mitgeplant und kritisiert. Noch ist die Ideallinie nicht gefunden, aber Argentum sucht jetzt mit.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “North American Railroads”

Als eine „1830“-Variante ohne Strecken stellte Aaron diese Eigenentwicklung von Peer Sylvester vor. Es geht um Aktien von Eisenbahn-Gesellschaften und um den Ausbau ihrer Strecken. Wer dabei am reichsten wird, gewinnt.

Die insgesamt 28 Aktien von fünf Gesellschaften liegen in zufälliger Reihenfolge in vier Spalten zu je sieben Zeilen auf dem Tisch. Wer am Zug ist, darf sich aus der untersten Zeile bedienen. Er wählt davon eine beliebige Aktie aus.

  • Ist von dieser Gesellschaft noch keine Aktie verkauft, so kann er sie für einen beliebigen Preis kaufen und wird damit Präsident der Gesellschaft. Das Geld bekommt die Gesellschaft, um später damit ihr Streckennetz zu finanzieren.
  • Ist von der gewählten Gesellschaft bereits mindestens eine Aktie verkauft, und ist der aktive Spieler selber Präsident dieser Gesellschaft, so kostet die Aktie einen festgesetzten Preis; die Hälfte des Geldes bekommt die Bank, die andere Hälfte die Gesellschaft.
  • Ist ein Mitspieler Präsident der gewählten Gesellschaft, so nennt der aktive Spieler einen beliebigen Preis, den er für die Aktie zu zahlen bereit ist. Der Präsident hat dann die Wahl, die Aktie für den genannten Preis selber zu erwerben, oder er muss sie an den aktiven Spieler verkaufen. In jedem Fall bekommt die Gesellschaft die Hälfte des Verkaufspreises; die andere Hälfte geht an die Bank oder aber an den aktiven Spieler, der als Käufer verschmäht wurde.

Jetzt werden die Städte angeschlossen. Sie stehen ebenfalls in einer zufälligen Auslage von 4 Spalten zu je 7 Reihen zur Auswahl, kosten eine variable Menge Geld und bringen später der Gesellschaft eine ebenfalls variable Menge an Einnahmen. Wie bei den Aktien wählt der aktive Spieler aus der untersten Reihe eine beliebige Stadt und ordnet sie einer der Gesellschaft zu, von der er Aktien hat. Die Stadt gilt sofort als angeschlossen, es werden keine Strecken gebaut oder benötigt.

Als letztes kassiert jede Gesellschaft ein Einkommen, das sich aus den Prämien für die angeschlossenen Städten ergibt. Das Geld wird gleichmäßig unter alle Aktienbesitzer aufgeteilt. Schnell, einfach und einfältig.

Peer hat uns sein Spiel mit der Aufgabe zugeschickt, darin vielleicht eine Killer-Strategie entdecken können. Was ist das? Ist das eine Strategie, die den Gegner killt oder die das Spiel killt? Oder beides zugleich? Setzt „Strategie“ nicht eine gewisse Handlungsfreiheit voraus? In “North American Railroads” müssen wir sowohl bei den Aktien, wie auch bei den Städten eine Karte „aus der untersten Reihe der Auslage“ wählen. Der erste Spieler hat hierbei immerhin eine Auswahl von 1 aus 4. Der zweite Spieler nur noch eine Auswahl 1 aus 3; der vierte Spieler aber nur noch 1 aus 1. Da bleibt nicht mehr viel zu killen übrig. Die geringe Auswahl hat das Spiel von alleine gekillt. Oder haben wir etwas falsch gemacht, lieber Peer?

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

12 Gedanken zu „04.02.2015: Sex, sieben, acht“

  1. Ja, da war meine Regel wohl unpräzise.
    Es kann immer eine der untersten Aktien genommen werden, d.h. man hat immer die Auswahl aus vier Aktien – wird eine weggenommen, kann der nächste Spieler die frei gewordene Aktie nehmen. Entsprechendes gilt für die Stadtkarten. Die Karten rutschen also quasi nach (Ich hoffe das ist jetzt verständlicher.)

  2. Ja, das ist jetzt verständlicher. Und VIEL besser. Wir haben das Regelheft nach Strich und Faden durchsucht, aber immer nur die “unterste Reihe” gefunden. Wir wollten das auch schon eigenmächtig ändern, weil es uns als Blödsinn erschien, doch beim ersten Mal bemühen wir uns immer, uns eng an die klaren Worte des Autors zu halten. Pech gehabt …

  3. Hallo Peer, es gibt noch ein paar grundsätzliche Betrachtungen, bei denen ich gerne Deine Erfahrung bzw. Einschätzung nachfragen möchte:
    1) Hat der Startspieler nicht einen eindeutigen Spielvorteil? Bei allen Aktien, die in der 4 x 7 Matrix herumliegen, gibt es zweifellos eine beste. Und die kann er sich aneignen, ohne dass die Mitspieler da eingreifen können.
    Eine Verbesserung wäre, dass eine beliebige Aktie (z.B. links-unten) benannt und als erstes versteigert wird. Wer am meisten bietet, ist Startspieler.
    2) Die besten Aktien sind die, von denen in den unteren zwei bis drei Reihen keine weiteren Exemplare mehr liegen. Ja oder nein? Da kann man zwei-drei Runden lang ungestört alleine die Gesellschaftseinnahmen einstreichen.
    3) Sollte man für seine frühen Start-Aktien nicht jede Menge Geld hinblättern, weil das die Gesellschaft liquide macht und sie damit hohe Einkommen erzielen kann. (Natürlich sollte man soviel Geld zurückbehalten, dass man u.U. auch noch die zweite Aktie seiner Gesellschaft erwerben kann.)
    4) Soll man sich an fremden Gesellschaften beteiligen, allein um denen schlechte, d.h. teure Städte unterzujubeln zu können? Oder ist eine solche Taktik eher kontraproduktiv?
    Deine Meinung, lieber Peer!

  4. 1.) “Eindeutig beste” aus meiner Sicht nicht – zu viel hängt davon ab, wie die Mitspieler spielen und welche Städte wie weggehen. Das ergibt sich erst später im Spiel und der Startspieler wechselt. Ich habe jedenfalls noch keinen Zusammenhang zwischen Sitzposition und Endposition ausmachen können :-)
    2.) Eher ja, aber das ist nicht zuletzt von den Mitspielern abhängig. Wenn zwei Spieler zusammen eine Gesellschaft besitzen, können die (genügend Kapital vorausgesetzt) ja zwei Städte pro Runde anschließend und der andere nur eine. Daher ist die Aktie mit zwei Besitzern potentiell (auch wegen der Endsymbole) am Ende mehr wert. Es hängt natürlich auch von dem Kapital der Gesellschaft ab und eine Aktie, die lange nicht kommt, bekommt auch kein frisches Kapital.
    3.) Richtig, da sollte man in der Regel nicht zu viel sparen – allerdings ist es fast tödlich wenn man zu wenig Handgeld übrig hat, denn dann kann man kaum noch Aktien erwerben und sich auch nicht gegen Kaufversuche der anderen verteidigen (also wenn jemand anderes die Aktien kaufen wollen, deren Direktor man ist). Viele Aktien zu haben ist aber immer gut, denn jede Aktie zählt ja am Ende den Wert der Symbole. Hier das richtige Mittelmaß zu finden ist für mich eines der Schlüssel.
    Kleine Anmerkung: Ich habe in den letzten Partien genau das versucht, was du in 2 und 3 schreibst, wurde damit aber immer nur zweiter. Das Spiel geht zu lange, als dass ein guter Start alleine reichen würde und ich scheine nicht gut genug für das Mittelspiel zu spielen ;-)
    4.) Wie immer ist das allgemein schwer zu sagen. Es kann sinnvoll sein, insbesondere, wenn man teure Städte (z.B. Städte mit Geländekarten davor) so aus dem Weg räumen kann und seinen favorisierten Gesellschaften so den Anschluss lukrativerer und/oder billigerer Städte zu ermöglichen.
    Einem Direktor mit mehreren Aktien einen Kauf mit niedrigem (aber nicht zu niedrigem) Preis anzubieten, setzt den immer etwas in Zugzwang: Kauft er dieselbe, bringt er ggf. wenig Kapital in die Gesellschaft und er verliert Cash (siehe 3), um das zu tun, was er eigentlich vorhatte. Nimmt er nicht an, kann man eben genau das tun, was du vorschlägst, es kommt wenig Geld in die Kasse, und man zwackt etwas von ihm ab.
    Durch das Kaufsystem, dass sehr dynamisch und flexibel ist, sind Strategien m.E. nicht so ganz eindeutig. Aber ich bin auch kein “Aktienspezialist”, deswegen habe ich es ja euch geschickt ;-)

  5. Hallo Peer,
    mir hatte das Spiel durchaus gefallen – insbesondere wenn man immer auf das letzte Plättchen jeder Spalte Zugriff hat.
    Minimalistische 18xx Spiele können schon ihren Reiz haben (z.B. Railroad Barons)… Vermutlich muss an den Regeln aber noch ordentlich gefeilt werden …
    Ich hoffe, du hast schon selbst einige “Excel-Simulationen” gemacht: Kann es sich tatsächlich lohnen, zu zweit eine Linie zu fördern und auf eine eigene zu verzichten? Warum kann ein Direktor nicht freiwillig mehr als 1000 für eine eigene Aktie zahlen?
    Sind die Vorteile des Direktorpostens nicht zu gering? Muss man immer alles Geld “ausschütten”? Könnte man auch irgendwie Aktien verkaufen?
    Fragen über Fragen …
    Hinweis: Andreas Trieb oder Helmut Ohley wären sicherlich auch wesentlich erfahrerene 18xx Tester!

  6. Nachdem das mit der “unteren Reihe” jetzt geklärt ist, möchte ich auf zwei weitere Fehler hinweisen, die wir gemacht haben:

    1. Wenn der Direktor eine Aktie kauft (für 1000$), gehen 500$ davon in die Bank! Es hat zumindest meiner blauen AG einmal sehr geholfen, dass sie die kompletten 1000$ bekam.

    2. Am Ende der Stadtkarten-Kaufphase wird in jede Spalte der Stadtkartenmatrix eine neue Karte vom Stapel nachgelegt (wir hatten die überzähligen Karten aus dem Spiel genommen). Damit kann das Spiel noch ein paar Runden länger dauern, wenn richtig viel Geld in den AGs liegt. Bei uns wäre das allerdings nicht passiert, weil in der letzten gespielten Runde alle AGs so gut wie pleite waren.

  7. Hallo Aaron, an den ersten Spielfehler kann ich mich nicht erinnern. Nur das GEld der ersten Aktie bekommt die Gesellschaft komplett. Bei jedem weiteren Kauf kassiert die Bank die Hälfte. Das haben wir so besprochen und so gespielt. Wenn Du Deine blaue Linie hier fehlerhaft hast profitieren lassen, dann nur deshalb weil wir bei den Geld-Transaktionen – wie üblich – nicht kontrolliert haben, was die Mitspieler tun.
    Der zweite Spielfehler ist marginal, das Spiel dauert etwas länger. Aber unsere Gesellschaften waren alle voll investiert und hätten sowieso nichts nachlegen können.
    In jedem Fall bin ich der Meinung, dass wir das Spiel nächsten Mittwoch noch einmal auflegen sollten.

  8. Geht denn jetzt NIE das Geld für den Kauf einer Aktie komplett in die Gesellschaft?
    Probleme macht wohl auch die “Pleite” Regelung: Habe ich nur noch 100 Geld, darf ich meine eigene Aktie sogar für 100 kaufen;
    ist keine eigene im Angebot, muss ich für 100 gegnerische Aktien anbieten? Der Gegner kauft diese für 100 gerne … Ich biete dann die nächste für 100 an … Habe ich da was missverstanden?

  9. Hallo Günther, das Geld für die erste Aktien geht komplett in die Gesellschaft. Das steht doch mehrmals da und ist unbestritten!

    Das zweiter Problem, dass Du da andeutest, existiert wirklich. Abhilfe: Anders als bei “1830”: Never keep fully invested!

  10. Hallo Günther, zur Verdeutlichung: Wer die erste Aktie kauft, IST KEIN Präsident, er WIRD es erst!

  11. @ Güther:
    “AUSNAHME 2: Sollte der seltene Fall eintreten, dass der Spieler Direktor aller unteren Aktien ist und keine 1000$ mehr hat, dann wählt er eine Aktie aus und zahlt statt 1000$ so viel Geld wie er kann.”
    Weniger kannst du nur bezahlen, wenn keine anderen Aktie zur Auswahl stehst – was nur sehr selten der Fall ist.
    Zweite Frage :
    “Da der Zugspieler jetzt keine Aktie erworben hat, kann er eine weitere Aktie aus der Auslage versuchen zu erwerben. Er kann seinen Zug auch beenden.”
    Wer nur 100$ hat, vberhilft jemand anderem in den meisten Fällen zu einer billigen Aktie (oder er eröffnet eine neue Gesellschaft, was aber wohl selten sein dürfte). Allerdings wird er danach vermutlich seinen Zug beenden :-)
    Wie ich schon schrieb : Zwar will man möglichst viel Geld in seine AGs pumpen, man sollte aber auch immer twas Cash übrig behalten.

    Und übrigens: Vielen Dank, dass ihr euch so mit dem Spiel beschäftigt! :-)

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