Schon bevor das erste Spiel auf den Tisch kam, fragte Günther: „Welche Spielregel kann Walter partout nicht ausstehen?“
Schnell war Aaron mit einer richtigen Antwort da: „Wenn [in einem ansonsten friedlichen Aufbauspiel] ein Spieler einem anderen etwas wegnehmen darf.“ Das wurde ja gerade letzte Woche wieder im Spielbericht zu „Haithabu“ deutlich.
Doch auch eine zweite richtige Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Wenn ein Spieler seine Züge so spielen kann, dass die Mitspieler nicht – mehr oder weniger selbstverständlich – feststellen können, ob er richtig oder falsch spielt.“ Stellt euch vor, beim Skat (Schafkopf, Bridge) könnte man nicht nachprüfen, ob ein Spieler eine Farbe getrumpft hat, obwohl er hätte bedienen müssen? Ein Unding, ein total anderes Spiel! Aber so etwas kommt vor. Täglich. In jedem Bridge-Turnier. Aber bei Brettspielen scheinen manche Autoren auf so ein wichtiges Grundprinzip keine Designer-Gedanken zu verschwenden. Z.B. in …
1. “Roll for the Galaxy”
Da hat man unter “Etikette” den Hinweis angebracht: “Da es nicht möglich ist, die Handlungen eines Spielers hinter seinem Sichtschirm zu überprüfen, ist es wichtig, dass die Spieler in diesen Schritten sorgfältig sind und keine Fehler machen.” – So ein Spiel wäre NIEMALS in meinen Einkaufskorb gelangt. Der Rest der Westparker nahm es gelassener …
“Roll for the Galaxy” ist eine Variation des bereits 2007 erschienenen, hochgeehrten „Race for the Galaxy” von Tom Lehmann. Beim Vorläufer hatten wir angemerkt, dass das in einer ausgewachsenen Brettspielschachtel daherkommende Spiel eigentlich nichts anderes als ein Kartenspiel ist. Das können wir jetzt nicht mehr sagen. Unübersehbar sind die 111 Spezialwürfel, die 5 bunten Würfelbecher und eine Menge dickkartoniges Spielmaterial.
Jeder bekommt als Startausstattung fünf Würfel, die er pro Runde verdeckt würfelt und verdeckt den Aktionen zuordnet, die er gerne durchführen möchte. (Designschwäche: siehe oben unter Etikette!) Aktionen sind:
- Erkunden, d.h. Aufbauplättchen verdeckt aus einem Säckchen ziehen, mit denen man sich Stück für Stück eine Privatregion zusammenstellt.
- Entwickeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Entwicklung-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Entwickler-Eigenschaften des Plättchen genutzt werden dürfen, z.B. zusätzliche Würfel in den Würfelset aufnehmen, Würfel beliebig verschieben dürfen, und vieles mehr.
- Siedeln, d.h. Würfel zu bereits gezogenen Siedlungs-Aufbauplättchen legen, solange bis die geforderte Anzahl erreicht ist, und die speziellen Produktionseigenschaften der Siedlung genutzt werden dürfen, z.B. mehr Produkte, mehr Erlös, billigere Einkaufspreise, kostenloses Verladen, und vieles mehr.
- Produzieren, d.h. Würfel auf bereits ausreichend besiedelte Siedlung-Plättchen legen, die sich somit in “Waren” verwandeln.
- Verladen, d.h. produzierte Produkte in Geld oder Siegpunkte verwandeln.
Einen seiner Würfel darf jeder Spieler einer frei wählbaren Haupt-Aktion zuordnen; die anderen Würfel müssen genau entsprechend der erwürfelten Aktion zugeordnet werden. Allerdings gibt es beim Zuordnen einige sehr sinnvolle Weichmacher, die das Agieren recht flexibel gestaltet:
- Joker-Aktionen dürfen einer beliebigen Aktion zugeordnet werden.
- Einzelne Würfel dürfen – je nach Entwicklungsstand – ebenfalls zu beliebigen Aktionen versetzt werden.
In der Regel ist niemand durch einen unglücklichen Würfelwurf in seinem Fortschritt blockiert. Nicht einmal unser notorisch schlecht würfelnder Aaron konnte sich über schlechtes Würfeln beklagen.
Wie bei „Race for the Galaxy“ kommt nach dem Zuordnen der Würfel jetzt der Knackpunkt des Spiels: Man darf nur solche Aktionen ausführen, die man selber oder die mindestens ein Mitspieler als Haupt-Aktion gewählt hat. Alle anderen Würfel verfallen. Es ist ein hohes Risiko, hier auf die zufälligen Interessen der Mitspieler zu hoffen. Wer z.B. viermal Erkunden kann und will, der sollte Erkunden auch als Haupt-Aktion wählen.
Was passiert mit den „verbrauchten“ Würfeln? Sie werden in einem Pool gesammelt und müssen zum Würfeln in einer der nächsten Runden daraus freigekauft werden. Nur einen einzigen Würfel bekommt jeder Spieler als Gratisration. Es ist also auch wichtig, sich durch Verkaufsaktionen rechtzeitig mit Geldmitteln einzudecken, damit man in den nächsten Runden auch ausreichend Moos in seinem Würfelbecher hat.
Durch geschicktes Würfeln, Agieren, Entwickeln, Siedeln, Produzieren, Geldmittel (für neue Würfel) Besorgen und Siegpunkte Hinheimsen gewinnt man das Spiel. Ganz einfach. Auf die Mitspieler braucht man eigentlich nicht zu achten. Zwar kann man sich von deren gewählter Haupt-Aktion abhängig machen, man kann diese Abhängigkeit aber auch weitgehend reduzieren, indem man pro Zug gegebenenfalls nur eine, und zwar die eigene effizienteste Haupt-Aktion durchführt. Das flexible Handhaben der Würfel erlaubt ein solches Vorgehen. Eindecken mit Aufbauplättchen was die Würfelschwarte hergibt, in der nächsten Runde Aufbauplättchen besiedeln oder entwickeln, was die nächste Schwarte hergibt! Damit verliert man weder Potenz noch Tempo. „Leider“ möchte man fast sagen, denn ohne diese Abhängigkeit ist „Roll for the Galaxy“ doch ziemlich autistisch.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (mir macht das „Maschinenbauen“ [via der Spezialeigenschaften der verschiedenen Entwicklungs- und Siedlungsplättchen] keinen Spaß. [6 Punkte für „Race …“]), Günther: 8 (durch die Würfel wird der Spielablauf bedeutend lockerer als das doch etwas verbissene Originalspiel. [6 Punkte für „Race …“]), Moritz: 7 (es gefällt mir gut, „ich hatte einen Plan“, das Design bekommt 8 Punkte, ein Minuspunkt für das Autistische. [noch keine Punkte für „Race …“]), Walter: 4 (die Flexibilität beim Würfel-Zuordnen ist gut gelungen, die dabei notwendige „Etikette“ ist nicht tragbar, minimale Interaktion. [6 Punkte für „Race …“]).
2. “Peloponnes – das Kartenspiel”
Bernd Eisenstein hat sein 2009 erfolgreich herausgebrachtes Brettspiel gleichen Namens letztes Jahr zu einem Kartenspiel umgeformt. Wie beim Brettspiel repräsentieren wir Zivilisationen, bieten um Plättchen, die jeder Spieler in seine Landschaft einbaut, und damit seine Potenz als Großgrundbesitzer erweitert.
Wie beim Brettspiel gibt es einen Verdrängungswettbewerb beim Ersteigern der Plättchen: ein Spieler darf sein Gebot nicht mehr erhöhen, er kann sich damit nur um ein anderes Plättchen bemühen, dessen Mindestpreis sein aktuelles Gebot nicht übersteigt. Dieses Prinzip ist und bleibt gelungen, hält das Bieten unter einer wohldosierten Spannung, und löst hin und wieder eine konstruktive Schadenfreude bei den Nicht-Betroffenen aus.
Wie beim Brettspiel brechen zu unvorhersehbaren Zeiten Naturkatastrophen aus, die unser Besitztum schmälern. Wir können versuchen, uns dagegen zu schützen, indem wir die richtigen Plättchen in der richtigen Zeit ersteigern; doch sind hierbei natürlich unsere Mitspieler unsere Konkurrenten. Gegen alle Katastrophen gelingt es nicht, so müssen wir uns halt mit ihnen einrichten.
Wer bei Spielende seine Siepunkte-Plättchen und die Bevölkerungs-Plättchen in eine optimale Korrelation gebracht hat, ist Sieger. Wie beim Brettspiel.
Wer bei den verschiedenen Fallen, die es innerhalb des Spielablaufes gibt, nicht aufpasst, kann leicht ins Hintertreffen geraten: keine Landschaft, keine Bevölkerung, kein Einkommen, keine Entwicklung – nur noch Katastrophen. „Selber schuld“ könnte man sagen, aber ein bisschen Barmherzigkeit im Spieldesign hätte hier gut getan. Glücklicherweise muss der arme Tropf nur 45 Minuten aushalten. Selbst am Westpark.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Brettspiel war vom Handling her besser, kein Spannungsbogen. [8 Punkte für das Brettspiel]), Günther: 6 (das Spiel ist OK. [7 Punkte für das Brettspiel]), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert. [noch keine Punkte für das Brettspiel]), Walter: 7 (klar, sauber, hübsche Mechanismen. [9 Punkte für das Brettspiel]).
Warum [für mich] „Peloponnes“ wesentlich besser ist als „Roll for the Galaxy“. Einige Punkte
- Die notwendigen ”Etikette” der Galaxy– darüber sind schon genug Worte gefallen
- Reichlich Interaktion und Konkurrenz beim Aneignen der Peloponnes-Plättchen. Hierzu Fehlanzeige bei Galaxy.
- Mögliche Planung beim Ersteigern der ausliegenden Plättchen bei Peloponnes, gegenüber zufälligem Ziehen aus einem Säckchen bei Galaxy.Einhundertundzehn unbekannte, unüberschaubare Sondereffekt der Plättchen bei Galaxy, die – für den Sieg – zu einer funktionierenden Maschine zusammengebaut werden müssen, gegenüber wenigen überschaubaren Eigenschaften der Landschaftsplättchen in Peloponnes.