„Du gewinnst das Spiel einfacher, wenn du dem Gegenspieler die Meinung läßt, er habe leichtes Spiel mit dir.“ (Willy Meurer, Aphoristiker und Publizist, Member of the Human Race, Toronto)
1. “Quartermaster General”
Wochen, wenn nicht Monate hat Moritz unsere braven und unbraven Worker-Placement-Spiele über sich ergehen lassen, jetzt fühlte er sich berechtigt, uns auch mal wieder ein Spiel seiner Couleur aufzutischen: themenreich, geschichtsbewusst, kämpferisch! Worum geht es? Natürlich um den zweiten Weltkrieg.
Sechs Mitspieler dürfen sich an der militärischen Neugestaltung dieses Weltereignisses beteiligen: Die Achsenmächte mit Deutschland, Italien und Japan gegen die Alliierten aus Großbritanien, Russland und den USA. Jeder Spieler führt eine Nation. Wenn weniger Spieler dabei sind, darf ein Spieler mehrere Nationen führen. Außerdem halten die Spieler der beiden Militärblöcke zusammen. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam, es gibt keinen Einzelsieger, es sei denn, man spielt zu zweit. Insofern steckt sogar eine gewisse Kooperation im Design. Aber nur eine gewisse: Armeen (und Schiffe) eines Paktes dürfen auf dem gleichen Feld stehen und können sich nicht angreifen, ansonsten agieren alle unabhängig voneinander und sammeln lediglich die Siegpunkte auf einem gemeinsamen Konto.
Wie wird agiert, d.h. wie wird der Krieg geführt? Ganz einfach: Mit Hilfe von Aktionskarten, von denen jede Nation ein individuelles Deck besitzt. Sieben Karten dieses Decks hat der Führer einer Nation jeweils in der Hand, eine spielt er als Aktion aus, beliebig viele darf er anschließend zur Verbesserung seiner Kartenhand abwerfen und danach wieder auf sieben Karten auffüllen.
Gemeinsam sind allen Nationen die vier Kartentypen: „Build Army“, „Build Navy“, „Land Battle“ und „See Battle“. Das Neurekrutieren erfolgt von besetzten in unbesetzte Nachbargebiete, die Schlachten erfolgen von besetzten in vom Feind besetzte Nachbargebiete. Karte ausspielen, und schon ist die neue Armee/Flotte platziert oder die Schlacht gewonnen und der Feind vernichtet.
Mächtiger als dieses Standard Gebären bzw. Totschlagen sind Event-Karten, von denen jede Nation eigene Schöpfungen besitzt. Z.B. haben die Deutschen „The Autobahn“, mit der sie eine beliebige eigene Armee auf ein beliebiges freies Feld versetzen dürfen, z.B. vom Balkan nach Australien. Walter, der die Deutschen geführt hatte, hat die Geilheit dieses Zuges total übersehen! Die Geschichte des zweite Weltkrieges wäre total neu geschrieben worden.
Gemeinsam sind allen Nationen auch „Economic Warfare“-Karten, die definierte Gegner zwingen, die obersten Karten ihres Nachziehdecks abzuwerfen. Nachdem man nicht weiß, welche Aktionen mit diesen Karten erlaubt sind, und da jede Nation genügend viele Aktionskarten besitzt, so dass drei Karten mehr oder weniger das Kraut nicht fett machen, hat diese Karte eigentlich kein größeres aggressives Potential. Nur Italien ist in seiner Kartengesamtzahl etwas dünn bestückt. Moritz als Führer von Grossbritanien und den USA wusste das. Immer wieder attackierte er das Kartendeck der Italiener, und siehe da, sechs (von zwanzig) Runden vor Schluss, waren die Italiener pleite, keine einzige Karte mehr auf der Hand. (Spielbare Karten hatten sie schon ein paar Runden vorher nicht mehr auf der Hand!) Sie wechselten jetzt – im Gegensatz zur Geschichte – nicht die Seiten, sondern sie zogen sich lediglich zurück und buchten pro Runde auf dem Konto der Achsenmächte einen Minuspunkt. OK, das ist auch so etwas wie die Seite wechseln.
Aaron durfte die Japaner in den Krieg führen. Zumindest hätte er es gerne getan. Aber für die Japaner hatte der Spieldesigner nicht viel übrig. Ganze vier „Build Army“ Karten hat er ihnen gegönnt und ganze drei „Land Battle“. Wie soll Japan da jemals China erobern und bis zur Brücke am Quai gelangen können. Mit seinen zahlreichen Schiffen dümpelte Aaron friedlich und tatenlos im Pazifik herum. Erst ganz zum Schluss geriet eine Battle-Karte in seine Hand, mit der er endlich zuschlagen konnte. Er wählte dafür nicht das geschichtlich passende, aber mickrige Hawai, sondern zerstörte gleich den Westen der USA von Los Angeles bis zu den Rocky Mountains. Moritz war platt! Seine gesamten Streitkräfte waren unversorgt und mussten das Zeitliche segnen. Glücklicherweise hatte er die Event-Karte „Theater Shift“ auf der Hand, mit den er eine amerikanische Armee aus dem besetzten Szechuan unverzüglich an die Heimatfront verladen und Hollywood wieder spielbereit machen konnte.
Günther führte die Russen. Ohne große strategische Überfliegerei hielt er die Westfront (der Russen!), blieb auf den siegpunkt-trächtigen Feldern von der Ukraine über Moskau bis Indien und China, (Sibirien ließ er militärisch ganz links liegen!) und sorgte so dafür, dass die Alliierten an Siegpunkten die Achsenmächte einmal überrunden konnten.
WPG-Wertung: Aaron: 3 (das japanische Kartendeck ist das langweiligste, was man sich vorstellen kann), Günther: 5 (mit Tendenz zu weniger, langweiliges Runterspielen eines Kartendecks), Moritz: 8 (I like it), Walter: 4 (kaum Strategie, kaum Handlungsfreiheit, pro Zug spielt man eine der beiden Karten, die in der aktuellen Situation möglich und/oder sinnvoll sind.)
Nachtrag: Was ist der Unterschied zwischen „einfachen Regeln“ und „hohem Spielgewicht“? Die Regeln von „Quartermaster General“ sind zweifellos ganz einfach: Spiele eine deiner sieben Handkarten [von denen du ohnehin nur eine oder zwei spielen kannst]. Diese Einfachheit der Regeln wird bei den amerikanischen Enthusiasten für dieses Spiel immer wieder betont. [Neben der Genialität, mit so einfachen Regeln die Geschichte fast realitätsgetreu nachvollziehen zu können!] Dahingegen ist das „Spielgewicht“ von „Quartermaster General“ recht hoch. Denn es gibt ungezählte Eventkarten mit jeweils unterschiedlichen Effekten, die nur in bestimmten Spielsituation gespielt werden dürfen. Hier müsste man sich die inneren Querbeziehungen im „General“ erst noch erarbeiten. Für diesmal haben wir darauf verzichtet.
Und warum steckt im Namen von „Quartermaster General“ so etwas wie Quartier (= Küche, gutes Essen und Trinken, vom Kuscheln ganz zu schweigen)? Weil Napoleon gesagt haben soll „Eine Armee marschiert auf ihrem Magen!“ – Spielen bildet!
2. “South by South-Ease”
Aaron hat seine frühere Eigenentwicklung „Trawler“ total umgebaut. Wir können nicht nur als erfolgreiche Fischer das Spiel gewinnen, sondern auch als erfolgreiche Händler. Viel Handlungsfreiheit, neue Herausforderungen beim Suchen und Finden der Nischen, in denen wir uns von unseren Konkurrenten absetzen können. Wieder sehr viel Interaktion.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
Nachdem ich deinen Bericht gelesen habe, fällt mir noch einmal auf, wie grottig dieses Spiel wirklich ist. “A day in the life” war der gestrige Abend sicherlich nicht.
Japan zu spielen (oder spielen zu müssen) ist grausam, denn wenn die Karten nicht optimal im Deck verteilt sind, dümpelt alles vor sich hin, was u.a. der Supply-Regel für die Navy geschuldet ist (ohne “Build Army” kann man seine vielen “Build Navy” einfach vergessen). Gut, Japan hat viele Response Karten. Aber um die zu nutzen, müssen erst einmal die Ereignisse darauf eintreten. Wie frustrierend ist es, wenn dann ein wichtiges Ereignisse erst ganz spät im Spiel eintritt (so wie gestern).
Habe eben die Regeln noch mal studiert, um zu schauen, ob wir wirklich alles richtig gespielt haben. Haben wir. Wie der Designer allen Ernstes darauf kommt, in einem 3-Spieler-Spiel einen Spieler Japan spielen zu lassen, einen die U.S.A., UK und Russland und den Dritten Deutschland und Italien, ist mir absolut schleierhaft. Wer Japan spielt, sitzt 1,5 bis 2 Stunden rum und schaut zu. Da Japan die zweitwenigsten Karten hat, hilft noch nicht einmal häufiges Abwerfen von Karten, sonst steht man, wie gestern Italien, nach 3/4 des Spiels ohne Aktionen da.
Okay, eine Möglichkeit sehe ich, das Spiel interessant zu machen für die Achsenmächte: Den Kartenstapel schnell durchspielen in der Hoffnung, ein vorzeitiges Ende durch das Besetzen von 2 Homebases der Gegner zu erreichen. Japan hatte ja schon die gesamten U.S.A. eingenommen (soviel zur “Simulation”). Wären da nicht diese Ereigniskarten der Amerikaner, die Teleportation ermöglichen oder dieses nette “Magic” Event, die dieses Unterfangen extrem risikoreich machen. Aber das ist ja wohl so gewollt: Hauptsache der U.S.A.-Spieler hat seinen Spaß.
Ich kaufe ein G und schenke es der Überschrift.
Entschuldigung, Florian, da hat offensichtlich schon der Brexit zugeschlagen.