1. “Teotihuacan”
Ein Workerplacement-Spiel der neueren Art. Vieles ist anders, alles ist gut.
Wir laufen mit unseren drei Pöppeln (Würfeln) um das Spielfeld herum, besorgen uns Ressourcen, erhöhen unsere Effizienz, verschaffen uns Privilegien, bauen an der gemeinsamen schönen Stufenpyramide und steigen in der Gunst der Tempelgötter.
Das Besondere, Schöne und Spielerische daran ist der Zugmechanismus. Wir können einen beliebigen unserer Würfel-Pöppel um beliebig 1, 2 oder 3 Felder vorwärts ziehen und dann die Zielfeld-spezifische Aktion ausführen. Eigentlich sind zwei, wenn nicht gar drei Aktionen möglich:
- die Basis-Aktion ist “Kakao ernten”, auf Kapitalisten-Deutsch: Geld einnehmen. Dies ist auf allen acht Feldern möglich.
- die sakrale Aktion ist “beten”: d.h. unsere Potenz in einem der drei Tempel erhöhen und dazu noch einen variablen Profit einstreichen
- die Haupt-Aktion besteht aus Ressourcen-Nehmen, Pyramide-Bauen und den üblichen Workerplacement-Effekten.
Soweit ist alles noch ziemlich normal. Das Ganze wird erst spannend durch eigene und fremde Pöppel, die bereits auf dem Zielfeld stehen. Je mehr verschiedene Mitspieler dort sind, desto höher ist der Kakao-Ertrag. Stehen wir alleine auf einem Feld, gibt es nur eine einzige Einheit. Das wäre dann ein Zug, denn man nur im größten Notfall tun würde. Stehen aber z.B. bereits drei verschiedenfarbige Pöppel dort, dann bekommen wir für unseren vierten Pöppel, der auf dieses Feld zieht, gleich 4 Kakao-Einheiten. Damit können wir schon ein paar unserer weiteren Aktionen finanzieren.
Wollen wir die Hauptaktion ausführen, müssen wir Kakao bezahlen, und zwar abhängig von der Anzahl der verschiedenfarbigen Pöppel, die bereits dort stehen. Falls wir unbedingt eine bestimmte Ressource brauchten, auf dem betreffenden Feld aber einige Mitspieler stehen und stehen und stehen, kann es ganz schön in den Kakao gehen, bis wir hier zum Zuge kommen.
Die Anzahl von Ressourcen (Holz, Stein oder Gold), die wir auf einem Ressourcenfeld bekommen, ist von zwei Faktoren abhängig:
- Von der Anzahl unserer eigenen Pöppel-Würfel, die wir auf dem Feld haben.
- Von der Augenzahl, die unsere Pöppel-Würfel dort haben.
Je mehr Pöppel und je höher die Augenzahl, desto größer die Ausbeute.
Und damit kommen wir zu einem anderen wichtigen Mechanismus in “Teotihuacan”: Mit jeden Zug, den ein Pöppel-Würfel tut, wird seine Augenzahl um 1 erhöht. Mit niedrigen Pöppen auf Ressourcen ausgehen, ist ein ziemliches Pyrrhus-Geschäft. Niedrige Einheiten sind eher zum Beten zu gebrauchen.
Hat ein Würfel die Augenzahl 6 erreicht, so geht er mit großem Pomp in die ewigen Jagdgründe ein und hinterlässt seinen Nachkommen ein erkleckliches Erbe an Siegpunkten, Geld, Tempel-Potenz und ähnlichem. Zugleich ist die Anzahl gestorbener Pöppel ein Faktor, mit dem später in der Eklipsenwertung die ausgeschütteten Siegpunkte multipliziert werden.
Ich will hier jetzt nicht die weiteren Effekte von Tempelbau, Verzierungen und Eklipsen alle aufzählen. Das Regelheft umfasst 24 ausreichend instruktive, intensiv bebilderte Seiten, in denen alles dargestellt wird. Nur zum Spielgefühl: Einerseits spielt jeder für sich, lässt seine Würfel „altern“ und sterben, besorgt Kakao und Rohstoffe und plant, an welchen Felder er kleckern und wo er klotzen will. Andererseits sind Kosten- und Nutzen aller Züge durchaus abhängig von den Positionen der Mitspieler, was zwar manchmal reines Mitspielerchaos sein kann, aber durchaus auch vernünfig kalkulierbar und beherrschbar ist.
Natürlich darf man in „Teotihuacan“ denken, sollte es auch, doch die einzelnen Züge sind leicht, übersichtlich, erfordern wenig Regel-Merkleistung und halten keine unvorhersehbaren Überraschungen bereit. Wenn Aaron es einmal nur vom Nebentisch aus sehen konnte und den Eindruck bekam, „es sah nach viel (Solitär-) Arbeit und Grübelei aus“, so mag das zwar in der Tendenz stimmen, doch auch bei jedem Zug jedes Mitspielers kann man mitdenken und an seiner eigenen Zugplanung feilen, so dass diese fremde Denkzeit nicht als verloren angesehen werden muss.
WPG-Wertung: Günther: 8 (schön, rund, zügig, hohe Variabilität), Horst: 7 (tolles Spiel, gute Autorenleistung, für mehr Punkte müsste man mit den Würfeln aber auch würfeln dürfen …), Walter: 7 (gelungenes, dynamisches Workerplacement-Spiel, für mehr Punkte hätte man ein paar der absolut unnötigen Querwirkungen weglassen müssen, u.a. auch die Richtungsorientiertheit der „Verzierungen“).
Außer Konkurrenz:
Am Wochenende war meine Schwägerin aus Ungarn da. Schon im Vorfeld hatte sie sich ein „Programm“ gewünscht. Gleich am ersten Tag legte ich ihr ein „AZUL“ vor. Wir spielten es – zuerst viermal in einer dreier Runde, dann noch achtmal nur zu zweit – mit wachsender Begeisterung. Sie brauchte kein weiteres Programm, keine Oper und kein Sternerestaurant. Drei Tage lang gierte sie schon gleich nach dem Abendessen auf die nächste AZUL-Session. Zu zweit. Zehnmal pro Abend. Anschließend durfte sie mein Exemplar auch mit nach Ungarn mitnehmen. Ich wünsche ihr dort die gleichen begeisterten Mitspieler.
Ich möchte betonen, daß mein Gedankengang: “für mehr Punkte müsste man mit den Würfeln aber auch würfeln dürfen …, “rein humoristisch gedacht war, der eigentliche Grund für nur 7 Punkte ist der für mich merkwürdigerweise nicht sehr ausgeprägte Wiederspielreiz!
Mach’ Dir keine Sorgen, Horst! So wie unsere Leser alle wissen, dass Moritz alles liebt, was nach Orc riecht, Aaron vehement nach dem Thema fragt, und Günther von einem Spiel zumindest so etwas wie eine Mau-Maus-Herausforderung verlangt, so wissen sie auch, dass Du auf Würfel stehst, und demnach für Dich ein Würfel, den man nicht würfelt, so etwas wie eine Frau ohne … (Fahrrad) ist.