1. “Rituale des Wahnsinns”
Henning Poehl hat mal wieder eine abstrakte Assoziation, die absolut nichts mit Spielen gemein hat – genauso wie sein geschmackloses „Popeln“ oder gar der kriminelle „Hexenhammer“ – , gewaltsam zu einer Spielidee umgeformt. Diesmal geht es um Gestalten aus dem Cthulhu-Mythos. Moritz kannte sie alle und hätte zu jedem eine ganze Geschichte erzählen können. Doch uns am Westpark geht es fast ausschließlich um Spielmechanismen, und da ist es nebensächlich ob wir „Ritualplätze“ entdecken und „geheime Einflüsse“ gewinnen: Im “Wahnsinn” nehmen wir schlichtweg Karten auf die Hand, spielen gleichzeitig und verdeckt jeweils eine davon aus, drehen sie um, legen sie in der Reihenfolge ihrer Ranges auf zulässige Anlegeplätze auf dem Tisch und machen damit Siegpunkte.
Jeder Spieler bekommt zu Spielbeginn einen definierten eigenen Anlegeplatz zugeteilt, den er bei sich „öffnet“. Zusätzlich bekommt jeder Spieler noch 9 Ablegekarten auf die Hand. Jede Ablegekarte besitzt eine Wertigkeit zwischen 1 und 5 und kann an drei verschiedenen, genau definierten Anlegeplätze angelegt werden. Gibt es mehrere geöffnete Anlegeplätze, an denen eine Ablegekarte abgelegt werden kann, so darf der Spieler beliebig einen davon auswählen. Dabei ist es egal, ob der Anlegeplatz dem aktiven Spieler gehört oder einem Mitspieler.
Vier Ablegekarten passen an jeden Anlegeplatz. Ist das Quartett beisammen, wird der Ablegeplatz abgerechnet: die erste Ablegekarte geht leer aus: sie muss sofort bei einem Mitspieler angelegt werden. Die zweite und dritte Karte bringt je einen Siegpunkt pro Wertigkeit. Die vierte Karte wird mit dem Fünffache ihrer Wertigkeit belohnt; im Idealfall hat sie eine Wertigkeit von 5 und bringt dementsprechend allein für sich satte 25 Siegpunkte ein. Jeder Spieler strebt natürlich solche hohen Erträge an. Deswegen liegt es natürlich innerhalb der Ambitionen der Spieler, diese Erträge zu vermindern, indem man z.B. bei diesem Mitspieler schnell mal eben als vierte Karte eine Ablegekarte mit der Minimalwertigkeit von 1 anlegt. Lustig, was?!
Befindet sich für eine ausgespielte Ablegekarte kein zulässiger Anlegeplatz offen auf dem Tisch, darf bzw. muss der Spieler einen geeigneten neuen Anlegeplatz aus dem öffentlichen Reservestapel wählen und zusammen mit der ausgespielten Karte bei sich „öffnen“. Dieser Zug ist auch die einzige Möglichkeit, an neue, lebenswichtige Anlegeplätze heranzukommen, andernfalls muss man seine Anlegekarten notgedrungen bei den Mitspielern loswerden und schustert ihnen auf diese Weise unweigerlich Siegpunkte zu, selbst wenn diese nur gering sein sollten.
In dieser Situation befand sind Moritz über länger als die Hälfte des Spieles: Sein einziger, bei Spielbeginn zugeteilter Anlegeplatz war abgerechnet, und er hatte rundenlang keine einzige Anlegekarte, mit der er einen neuen hätte eröffnen können. Das ist nicht „lustig“, das ist „broken“! Aaron schickte am Morgen danach eine Eilmail, um noch einmal in der Spielregel nachschauen zu lassen, „ob wirklich nirgendwo steht, dass man einen neuen Anlegeplatz nehmen darf, falls man keinen mehr hat. Ich kann gar nicht glauben, dass Henning dieses offensichtliche Problem nicht erkannt haben sollte“. Nein, darüber steht in der Spielregel tatsächlich kein einziges Sterbenswörtchen! Andere Leute haben halt andere Vorstellung von Lustigkeit und Spiel!
Ansonsten besteht der ganze Spielablauf lediglich darin, die insgesamt 27 Ablegemöglichkeiten seiner 9 Ablegekarten danach abzuchecken, an welche der vier bis fünf Anlegeplätze auf dem Tisch man sie hinlegen kann, wo sie am meisten einbringen, wo sie einen Mitspieler am meisten schaden oder ob sie nirgendwohin passen und somit einen neuen Anlegeplatz erlauben. Bei der gegebenen sparsamen Farbgebung eine mühsame Angelegenheit für einen minimalen Spielspaß.
WPG-Wertung: Aaron: 2 (das Spiel hat mir noch in keiner der ca. 6 Varianten gefallen, die ich während seiner Entwicklung kennengelernt habe; das Spiel ist nicht „broken“, aber ich brauche es nicht noch einmal zu spielen), Günther: 3 (nervig, ich finde nichts Spaßiges daran, aber die Regeln stimmen), Moritz: 1 (bizarr, keinerlei Spaß, nichts was interessant ist, eines der schlechtesten Spiele, die ich je gespielt habe, fast eine Parodie auf Aarons „Loot Island“. Poehls „Popeln“ [WPG: 2,5] und „Hexenhammer“ [WPG: 2,0] waren besser), Walter: 3 (unstimmig in der Anforderung, die Ablege-Optionen zu checken und die Analyse daraus einem berechenbaren Ausgang zuzuführen; vielleicht als Idee zu einem Dödelspiel nutzbar).
Für die Sprachpuristen: Hier in diesen wenigen kurzen Absätzen kommen 27 mal die Wörter „Anlegeplatz“ bzw. „Ablegekarte“ vor. Meint Ihr, ich fand das beim Schreiben jetzt lustig? Wenn ich stattdessen die Orginal-Terminologie „Ritualplatz“ und „Ritualkarte“ verwendet hätte, wäre das denn lustiger – oder wenigstens verständlicher – gewesen?
2. “Belratti”
Eigentlich müsste das Spiel „Beltracchi“ heißen, nach dem größten Bilderfälscher des 21. Jahrhunderts, der sich mit Hunderten von nachempfundenen Corinths, Marcs, Campendonks und wie sie alle heißen ungezählte Millionen Euros ermalt hat. Aber wahrscheinlich hat der Künstler seinen Namen dafür nicht hergegeben.
Als Team spielen wir die beiden Parteien Maler und Museumsdirektoren und versuchen uns gegen den Fälscher Belratti zu wehren. Gesteuert wird das Spiel über 190 Motiv-Karten, die einfache klare Objekte darstellen: ein Telefon, eine Bratwurst, ein Damenschuh und so weiter. Die Museumsdirektoren geben jeweils zwei dieser Motive vor und möchten von der Künstlergruppe eine bestimmte Anzahl von Gemälden zu diesen Motiven erstehen. Die Künstler suchen aus ihren Gemälden – jeder hat 9 Stück davon auf der Hand – diejenigen aus, die ihrer Meinung nach zu dieser Vorgabe am besten passen. Danach werden noch vier weitere Gemälde vom verdeckten Stapel (die Fälschungen von Belratti) dazugegeben. Die Museumsdirektoren müssen nun herausfinden, welche Bilder von den Künstlern stammen und welche Belratti dazugeschustert hat. Ein hübsches, breit ausdiskutierbares Rätselraten und Philosophieren um die Assoziationsmöglichkeiten, nach denen die Künstler ihre Gemälde wohl ausgewählt hatten.
Nicht erkannte Belratti-Gemälde kommen auf den Negativ-Stapel und führen früher oder später das Spielende herbei. Richtig erkannte und zugeordnete Gemälde der Künstler bringen Siegpunkte. Am Ende haben entweder Museumsdirektoren und Künstler gemeinsam als Team gewonnen, oder Belratti hat sie alle reingelegt.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ein schönes Spiel, man kann es mit jedem spielen), Günther: 7 (nettes, lustiges Kommunikationsspiel; es hat Spaß gemacht. [Wir waren ja gerade erst massiv Spaß-entwöhnt!]), Moritz: 8 (Phantasie erregend, originell, keine große Erklärung notwendig), Walter: 7 (eine Kooperation, bei der man sich gegenseitig ordentlich beraten kann, und wo der Gedankenaustausch beim Beraten ein wesentlicher Beitrag zum Spielespaß ist).
3. “Deckscape: Hinter dem Vorhang”
Gemeinsam müssen wir eine Serie von Rätseln lösen – 54 Stück -, die zum Teil aufeinander aufbauen, im Prinzip aber doch locker – oder auch verkrampft, wenn man es so nimmt – zusammengestellt sind. Mittels Spiegel, Schablonen, Raster, raffinierte Blickwinkel und ähnlichen Techniken sowie einer großen Portion Findigkeit müssen wir die via Bilder und Texten gestellten Fragen beantworten. Falls wir irgendwo nicht weiterkommen, dürfen wir im Hilfeblatt nachschauen, aber das kostet Strafminuten.
Wenn wir alles unter 75 Minuten geschafft haben, sind wir würdig, als neue Meisterschüler aufgenommen zu werden. Wir schafften es in etwa zwei Stunden, kurz vor der vorletzten U-Bahn für Moritz. Summa sine lauda.
Moritz war der einzige, der mit Leidenschaft die Rätsel anging und auf die Zeit drängte. Die anderen wollten eher Rätsel und Lösungswege genießen und vollzogen in Ruhe das nach, was Moritz gerade mal wieder herausgefunden hatte. Walter gefiel sich nach eine Viertelstunde in der Rolle des kontemplativen Betrachters, ohne sich deswegen in den restlichen 105 Minuten zu langweilen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (für mich persönlich nur 4 Punkte, ich tu mir immer schwer mit diesem Spielprinzip, aber das Spiel ist wohlkonstruiert), Günther: 6 (ich löse gerne Rätsel, aber nicht unter Zeitdruck; eine „parallelisierte“ Lösung, wo die Spieler möglichst unabhängig von einander im Akkord jeder an einer anderen Rätselecke arbeiten, macht nicht soviel Spaß), Moritz: 6 (die Rätsel waren – fast alle – fair), Walter: 6 (die Autoren haben sich viel Mühe bei der Erfindung der Aufgaben gegeben, mehr als ich für die Lösung zu opfern bereit bin. Wenigstens war hinterher das Spiel nicht kaputt).