1. “Discordia”
Sind dem Bernd jetzt die P-Wörter ausgegangen, so dass er seine Spiele jetzt mit „D“ anfangen lassen muss, wo doch „Pax“, „Palmyra“, „Phalanxx“ und viele andere Namen praktisch blind als Eisenstein-Spiele zu erkennen waren. Jedenfalls sind wir zeitlich und örtlich im Römischen Reich geblieben waren und haben uns nur in etwas nördlichere Gefilde begeben. Hermann der Cherusker hatte die Legionen, um die Augustus geweint hat, schon abgeschlachtet und Nero kommt als Kleinkind mit seiner vielseitigen Mutter herbei, um sich die Bescherung anzusehen. Oder so ähnlich. Ist auch wurscht. Das Spiel lebt von klaren Farben in Pöppeln und Würfeln, und trotz des eifrigen Bemühens des Graphikers um römische Symbolik und Szenerie ist der Grundtenor ein abstraktes Spiel um Aufbau und Nutzen einer farbigen Maschinerie, in der wir unsere leider (fast) ständig wachsende „Arbeiterschar“ unterbringen müssen.
Motor sind drei Hexawürfel in den Farben rot, gelb und blau. Einer würfelt für alle und legt die Würfel entsprechend der Augenzahl in zugehörige Spalten auf dem gemeinsamen Spielbrett. Danach darf er sich einen davon aussuchen und alles tun, was in der gewählten Spalte erlaubt ist: seine Maschinerie ausbauen, d.h. Basis- und Aufbauplättchen in den Farben rot, gelb, blau oder weiß in sein privates Spielbrett legen, oder seine farbigen Arbeiter in den entsprechend-farbigen Aufbauplättchen unterbringen. Danach dürfen reihum die anderen Spieler mit den restlichen Würfeln entsprechend verfahren. Wenn ein Spieler es geschafft hat, allen seinen Arbeitern einen Arbeitsplatz zu verschaffen, hat er gewonnen und das Spiel ist sofort zu Ende.
So leicht ist das allerdings nicht. 15 Arbeiter bekommt man zu Spielbeginn und dazu keinen einzigen Arbeitsplatz. Nach fünf Hauptaktionen ist ein „Jahr“ herum und die Natur schustert uns schon wieder eine erkleckliche Zahl hungriger Mäuler zu. Dazu klopfen die bösen Germanen an unsere Türen, und wer nicht genügend Abwehrkräfte mobilisiert hat, dem schieben sie auch noch ein paar Arbeitslose ins Lager.
Unsere Arbeitsplatzbeschaffung wird dadurch erleichtert, dass auf unseren Aufbauplättchen Würfel aufgedruckt sind, und wenn wir einen Würfel nehmen, der in Farbe und Augenzahl mit einem oder mehreren Aufbauplättchen übereinstimmt, dürfen wir überall dort, sofern noch Platz frei ist, ebenfalls Arbeiter unterbringen.
Neben der obligatorischen Hauptaktion dürfen wir, falls unser Würfel zufällig aus der „richtigen“ Spalte für die aktuelle „Jahreszeit“ stammt, auch noch hübsche kleine Nebenaktionen ausführen. Bemerkenswert ist das Platzieren von Sternen auf einem Expeditionspfad und auf einer Entwicklungsleiste, womit wir früher oder später richtiggehende Zugverdoppelungen und Kettenzüge absolvieren können. Doch keine Angst, die Zugauswahl ist begrenzt, ihre Effekte sind überschaubar, alles kann flüssig über die Bühne gebracht werden, und keiner muss ellenlang darauf warten, dass ein Mitspieler seine Planung und Berechnung abgeschlossen hat.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (gefällig, keine Macken, keine Downtime, die anfänglichen einschränkenden Zufallseffekte kann man im Laufe des Spiels ausreichend entschärfen), Günther: 6 (ich fand mich ein bisschen gespielt), Walter: 7 (einschließlich Sympathiepunkte für Bernd und sein Autorentum, spielerisch locker, ein dominanter aber gut funktionierender Würfelmechanismus).
Kleine Einschränkung aus unserer ersten Spielpraxis. Aaron war der einzige Spieler, der im ersten Jahr die Germanen abwehren konnte. Günther bekam dafür kein rotes Aufbauplättchen und Walter keine roten Arbeiter in die Finger. Als Strafe wurden den beiden vier weitere Arbeiter aufgedrückt, während Aaron einen Stern auf der Entwicklungsleiste platzieren durfte und damit mehr oder weniger mit der Nase auf die dort wartenden Mehrfachzüge gestoßen wurde. Er zog davon, und es war nicht erkennbar, wie seine Mitspieler ihn dabei noch hätten einholen können. Zusätzlich waren auch die Würfel, ganz ungewöhnlich für Aarons übliches Spielergeschick, häufig auf seiner Seite. Kann es sein, dass in „Discordia“ etwas zu schnell der Weizen von der Spreu getrennt wird?
2. “Tiletum”
Nein, dieses Spiel haben wir heute nicht anschließend, sondern schon letzte Woche gespielt. Doch Günther hat sein Exemplar wieder mit nach Hause genommen und Walter war zu faul, aus dem Internet die Regeln zusammenzukratzen.
Wir lassen unseren Architekten und unseren Händler durch Westeuropa reisen, handeln, bauen Kathedralen, buhlen um die Kunst des Königs und lassen überall Duftmarken und Form von Häusern und Säulen setzen.
Herzstück ist hier wie in „Discordia“ ein Würfelmechanismus. Allerdings noch mehr Farben und noch mehr Würfel. Gleich 3 Würfel pro Spieler plus 2 „Noagerl-Würfel“ werden pro Hauptrunde ausgewürfelt und nach einem definierten, wechselnden Schema in einem Rondell angeordnet. Reihum nimmt nun jeder Spieler einen beliebigen Würfel aus dem Rondell, bekommt Ressourcen entsprechend der Würfelfarbe und den Würfelaugen. Dann darf er eine Aktion ausführen, die der Position im Rondell entspricht, aus der er den Würfel genommen hat. Ganz raffiniert ist die Idee, die „Potenz“ der Aktion, die man ausführen darf und die Anzahl der bekommenen Ressourcen reziprok zu halten: je mehr von der einen Sorte, desto weniger von der anderen Sorte. Da dürfen scharfe Rechner an die Front, vor allem, weil die auszuführenden Aktionen u.U. weitere Potenz und weitere Ressourcen liefern können.
Wer nach vier Hauptrunden sich an Adeligen, an Wappen und an Königsgunst die meisten Einheiten zulegen konnte, ist Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (schöne Elemente, keine Schwächen, aber die Downtime und die Spieldauer ist zu lang), Günther: 7 (für eine 2-3 Personen-Runde; am Westpark für 4 Personen zu lang, viele Zugmöglichkeiten; die Zufallseffekte könnten problematisch sein), Moritz: 7 (spielerisch sehr interessant, alles funktioniert, die verschiedenen Mechanismen sind in sich fair. Ist es die Zukunft des Spiels, dass man an Material und Regeln jetzt immer wieder und überall noch etwas anfügt?), Walter: 7 (hübsche Designleistung, reichlich viele Restriktionen gut integriert und ausbalanciert, allerdings sind die aus den Nebeneffekten möglichen Kettenzüge gewaltig und inspirieren gerade unsere Geistesgrößen zu Höchstleistungen, deren Ergebnis die Mitspieler nur staunend-anbetend abwarten können).
Danke, für den schönen Spielbericht zu Discordia.
“zu Spielbeginn und dazu keinen einzigen Arbeitsplatz” Man nimmt sich am Anfang allerdings schon ein Stadtplättchen – falls ihr das übersehen habt.
Viele Grüße
Haben wir richtig gespielt und nicht übersehen.