1. “Arche Nova”
“Arche Nova” ist kein „Terra Nova“ und auch kein „Terraforming Mars“, obwohl einige Stimmen eine Ähnlichkeit mit letzterem behaupten und das Handhaben mit Entwicklungskarten sowie Merkmale von deren Design das nahelegen. Doch Vorgehen und Spielgefühl sind absolut anders: es ist eine um Potenzen mächtigere Maschinerie zu konstruieren und zu nutzen.
Jeder Spieler hat eine in Hexagons eingeteilte Grundfläche vor sich liegen, einen Zoo repräsentierend, in der er sukzessive Tiergehege einbauen und sie mit Tieren bevölkern soll. Die Tiergehege bedecken 1 bis 5 Hexagons, und abhängig von ihrer Größe müssen für den Bau entsprechende Geldsummen hingeblättert werden. Ansonsten liegt Wahl und Auswahl der Gehege absolut frei dem Belieben eines Spielers.
Die Tiere sind nur virtuell vorhanden. Sie werden durch Karten repräsentiert, von denen 212 (zweihundertzwölf!) vorhanden sind. Jeder Spieler hat eine (sehr limitierte) Anzahl davon auf der Hand und zieht sporadisch-gezielt welche nach. Um ein Tier in seinen Zoo zu bringen, muss ein Spieler ein passendes freies Gehege haben und einen – teilweise sehr hohen – Preis dafür bezahlen.
Getrieben werden die Aktionen eines Spielers durch 5 Aktionskarten, die neben den Basisaktionen 1) Gehege bauen, 2) Tier kaufen und 3) Tierkarten nachziehen noch zwei Sonderaktionen enthalten 4) Sponsoren beteiligen und 5) Verbandsarbeit betreiben.
Diese Aktionskarten liegen auf 5 Kartenplätzen der Stärke 1 bis 5, und von der Stärke abhängig kann man größere Gehege bauen, mehr Tiere kaufen, mehr Tierkarten nachziehen oder ertragreichere Sponsoren- oder Verbandsleistungen in Anspruch nehmen. Nach dem Nutzen einer Aktionskarte wird sie auf den Kartenplatz der Stärke 1 geschoben, die anderen Aktionskarten rücken entsprechend hoch. Es ist eine der Herausforderungen guten Spiels, hier seine Aktionskarten in der richtigen Reihenfolge einzusetzen.
Aber es gibt noch eine ganze Latte weiterer Herausforderungen, die zu meistern sind.
- Beim Bau werden auf der Zoo-Grundfläche einzeichnete Bonusfelder überbaut, die dabei Geld und andere Spielvorteile einbringen. Diese Vorteile müssen in einer für die Entwicklung optimalen Reihenfolge genutzt werden.
- Manche Tierkarten fordern vor ihrem Kauf den Besitz einer Reihe anderer Tierkarten oder Zoo-Eigenschaften. Grundsätzlich sind Mittel und Möglichkeiten, eine Tierkarte aus der Hand zu kaufen und auszulegen, sehr begrenzt. Hier heißt es, die „richtigen“ Tierkarten zu ziehen, zu behalten und im gegebenen Moment zu kaufen.
- Über „Verbandsarbeit“ werden einerseits Bonusfelder freigelegt, die uns a) sofort und b) Runde für Runde verschiedenerlei Vorteile einbringen, und andererseits kurzfristig Ansehen und Kaufkraft unseres Zoos stärken sowie mittelfristig nützliche Entwicklungsstufen erklimmen lassen. Auch hier muss man für den Sieg nicht nur ein glückliches, sondern auch ein gut rechnendes Händchen haben.
Günther war in seinem Element. Geld zu erwirtschaften, seine Zoofläche zielgerichtet zu bebauen, geld- und siegpunktträchtige Tiere zu kaufen, effiziente Verbandsarbeit zu leisten und die angebotenen Entwicklungsfortschritte in optimaler Reihenfolge und Quantität zu nutzen, das ist sein Metier. Es brachte ihn vom ersten Augenblick an in Führung, die ihm auch vom Spiel-Design her immer stärker begünstigte, so dass seine Mitspieler zwar solitär an ihren eigenen Vorhaben arbeiten konnten, es aber ausgeschlossen war, ihm nochmal irgendwie irgendwo an den Wagen zu pinkeln. Ich persönlich vermisse hier so etwas wie die Dieselloks von „1830“, die einem überlegenen Besitz zu einem bestimmten Zeitpunkt des Spiels noch einmal eine besondere Planungsleistung abfordern.
Hinter “Arche Nova” steckt zweifellos eine sehr gelungene Autorenleistung. Hut ab vor Mathias Wigge und seinem zoologischen Engagement. Als Nicht-Günther finde ich aber doch einige Haare in der Suppe.
- Von den 212 vorhandenen Tierkarten bekommt jeder Spieler nur einen winzigen Bruchteil in die Hand. Die Auswahl ist viel zu gering, als dass damit eine akzeptable Planung möglich ist. Manche Karten sind zu teuer, die kann man sich ohnehin erst in den letzten Runden leisten. Manche Karten erfordern ein großes Gehege, das ebenfalls erst in späteren Runden zur Verfügung steht, und für manche Karten gibt es Voraussetzungen, die man erst einmal – einige Runden lang – mühsam erfüllen muss, bevor man sie auslegen darf. Von den 2 bis 5 Tierkarten, die ein Spieler in der Regel auf den Hand hat, kann er sich zuweilen – oft – keine einzige leisten. Und wenn man hoffnungsvoll einen Streichelzoo anfängt, aber bis zum Spielende kein einziges Streicheltier mehr bekommt, dann hat man wohl auf das falsche Pferd gesetzt.
- Verbandsarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für den Sieg. Dazu braucht man aber einen Verbandsarbeiter. Zu Beginn besitzt jeder Spieler genau einen. Wenn sich ein Spieler nicht unverzüglich dran macht, weitere Verbandsarbeiter loszueisen – dazu sind mehrere gezielte Entwicklungsschritte nötig – , dann vergammelt die schöne Aktionskarte „Verband“ unnutzbar auf dem hochwertigen Kartenplatz der Stärke 5 und blockiert diese Position für die anderen Aktionskarten.
- An „Partnerzoos“, „Universitäten“, „Artenschutz-Projekten“ und nicht zuletzt an den vielen Tierkarten gibt es so viel Erbsenzählerei, dass ein Günther (und vielleicht ein Moritz) seine helle Freude daran haben kann, womit aber den aus dem Gefühl heraus Spielenden nur lauter Bäume vor den Wald gestellt werden.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (mir geht es hier wie bei „TM“: von Mal zu Mal habe ich weniger Spaß daran), Günther: 8 (ich habe es schon ein paarmal mit großer Freude gespielt, es ist ein sehr schönes Aufbauspiel; auch thematisch ist es stimmig, aber das ist für mich eh nicht so wichtig), Walter: 6 (für die Solo-Variante würde ich 8 Punkte vergeben, die topologischen Aufgaben im Zoo und das Handhaben der Aktionskarten sind gut gelungen; aber für 3 Stunden Spielzeit am Westpark erwarte ich mehr als ein solitäres Aufbauspiel).