05.04.2023: 18xx auf dem Meer

1. “East India Companies”

Nein, dieses Spiel ist keine 18xx-Variante, obwohl fast alle Spielelemente dieser großen Spielefamilie vorhanden sind. Es gibt Gesellschaften, die Transportlinien betreiben, sie haben einen Präsidenten und geben Aktien aus, die gekauft und verkauft werden können. Die Linien der Gesellschaft müssen allerdings nicht explizit gebaut werden, sie sind apriori vorhanden. Sie befinden sich auch nicht auf dem Land, sondern es sind feste Wasserwege zwischen Europa und den fernöstlichen Häfen in Indien, Indonesien und China. Entsprechend kaufen und nutzen wir keine Lokomotiven, sondern Schiffe. Sie haben unterschiedliche Ladekapazitäten und fahren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Spielbrett von “East India Companies”

Wir transportieren keine virtuellen Passagiere, sondern reale Produkte (Holzwürfel), die wir auf dynamischen Märkten in Fernost einkaufen und in dynamischen Märkten in Europa verkaufen. Ziel des Spiels ist es, durch optimalen Einsatz seiner Schiffe in diesem Marktgeschehen am meisten zu verdienen.

Das Spiel läuft in fünf Runden zu je sechs Phasen ab. In der ersten Phase (A) setzen wir unsere drei Pöppel ein, um weitere und bessere Schiffe zu kaufen oder neue Docks für unsere Schiffe anzulegen, um Marktentwicklungen zu studieren oder zu beeinflussen, um Vorteile bei Einkaufs- oder Verkaufspreisen einzuhandeln oder – und das ist das Allerwichtigste – um die Startspielerolle für die folgenden Phasen zu ergattern.

In der nächsten Phase (B) kaufen wir Aktien, entweder von unserer Gesellschaft oder von denen unserer Mitspieler. Pro gekaufter Aktie steigt der Kurs um eine Stufe. Der erste Vorteil des Startspielers: er kauft alle Aktien am relativ billigsten ein.

In allen weiteren Phasen kann jeder Spieler zu jeder Zeit Aktien verkaufen. Danach fallen die Kurse wieder jeweils pro verkauftes Stück um eine Stufe. Es ist ein selbstverständlicher Spielablauf, dass alle Spieler in Phase B ihr Geld vollständig in Aktien anlegen und in Phase C wieder so viele davon verkaufen, wie sie zum Bestreiten ihrer Einkaufsambitionen in den folgenden Epochen brauchen. Man kann bei den hieraus folgenden Kursbewegungen nur gewinnen. Zweiter Vorteil des Startspielers: er kann als Erster Aktien verkaufen und entsprechend höhere Kursgewinne einstreichen.

In Phase C entscheidet jeder Spieler reihum pro eigenem Schiff, wohin es fährt, um Ladung aufzunehmen. Wer sich als Erster für einen definierten Hafen entschieden hat, darf später – bei gleicher Schiffsbeschaffenheit – auch als erster aufladen.

In Phase D wird aufgeladen. Wer zuerst einkauft, kauft am billigsten. Die Einkaufspreise steigen pro eingekaufter Ware nach einem festen Tableau. Dabei sind die Preisdifferenzen krass. In der Regel können die ersten Waren für 1 bis 2 Geldeinheiten pro Stück gekauft werden, für die weiteren Waren müssen Summen bis zu 6 Geldeinheiten pro Stück hingelegt werden. Dritter Vorteil des Startspielers: da er seine Schiffe als Erster am Starthafen positioniert, darf er auch als Erster einkaufen und kann so seine Schiffe für das wenigste Geld beladen.

In Phase E fahren die Schiffe nach Europa und verkaufen dort ihre Ladung. Wer zuerst verkauft, verkauft am teuersten. Die Verkaufspreise steigen pro eingekaufter Ware nach einem festen Tableau. Auch hier sind die Preisdifferenzen enorm. Wer Glück hat, kann die seine ersten Waren in der Größenordnung von 8 und 9 Geldeinheiten pro Stück verscherbeln; die Billigheimer bei vollem Tableau bringen nur noch 3 oder 4 Geldeinheiten. Vierter Vorteil des Startspielers: da seine Schiffe in Europa als erste entladen werden, bekommt er auch die besten Erlöse.

In der letzten Phase (F) kommen wieder die Aktien ins Spiel. Die Kurse steigen in Abhängigkeit des höchsten Gewinns. Und es werden Dividenden ausgeschüttet. Aber wie!?! Für die eigenen Aktien bekommt man nichts, gar nichts! Nur an die Mitaktionäre wird ausbezahlt, bei Spielende sogar erkleckliche Summen.

Kurze Überlegungsfrage: Soll man als taktisches Vorgehen vorzugsweise eigene Aktien kaufen, um keine Dividende auszahlen zu müssen, oder lieber fremde Aktien, um von den Mitspielern eine solche zu kassieren? Diese grundsätzliche Frage ist nach ein- bis zweimaligem Spielen von „E.I.C.“ bei uns noch nicht entschieden. Vielleicht müssen wir dafür eine Modellrechnung anstellen, denn bevor wir das Spiel bei uns noch einmal auflegen, muss diese Frage entschieden sein. Die Modellrechnung dazu wird aber nur angegangen, wenn wir das Spiel noch einmal auflegen werden. Beißt sich hier die Katze in den Schwanz?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Aktienmarkt ist nicht gelungen, das Dividenden-Handling ebenfalls nicht), Günther: 7 (mit einer Änderung der Dividendenzahlung), Walter: 7 (eigentlich ein schönes Spiel mit vielen hübschen, spielerisch-logisch abgestimmten Elementen, aber auch mindestens einem KO-Kriterium: der Vorteil des Startspielers ist untragbar).