1. “Bücher der Zeit”
Ein bemerkenswerter Titel. Und noch bemerkenswerteres Spielmaterial. Jeder Spieler bekommt drei Bücher (drei kleine Ringbücher) mit ein paar ausgefüllten Seiten, die er mit weiteren Seiten verschiedenster Autoren füllen soll. (Eigentlich sind es Wissenschaftler, von Archimedes über Kopernikus bis zu Madame Curie, die mit Liebe zum Detail im Regelheft eigens über drei Seiten hinweg vorgestellt werden.)
Die Seiten, um die es im Wesentlichen geht, liegen in einer offenen, öffentlichen Auslage, aus der man sich bedienen kann. „Sich bedienen“ heißt, eine Aktion auszuführen, die es erlaubt, eine oder zwei Seite auszuwählen und in die private Auslage einzureihen. Mit einer weiteren Aktion (manchmal auch mit der gleichen) darf man dann eine Seite in das Ringbuch einheften. In der Regel ist das mit Kosten in Form von Ressourcen (Federn und Papier) verbunden. Das Erwerben dieser Ressourcen erfolgt ebenfalls über Aktionen. Daneben gibt es noch eine „Zähleraktion“, mittels der man auf einer von drei Zählleisten verschiedener Kategorien nach oben steigt und dabei vor allem Siegpunkte erhält, in Abhängigkeit vom Füllgrad der verschiedenen Ringbücher und von der formalen Qualität der Seiten.
Was sind Aktionen? Einerseits gibt es Standardaktionen, die man jederzeit ausführen darf, sofern man die ggf. benötigten Ressourcen besitzt. Andererseits gibt es Buchaktionen: am unteren Rand einer jeden Buchseite sind spezifische Kombinationen zum Nehmen und/oder Ausgeben von Ressourcen und zum Hantieren mit Seiten aufgeführt. So eine Buchaktion – aus einer gerade aufgeschlagenen Seite in einem der eigenen Bücher – darf man auswählen und ausführen; sie ist in der Regel lukrativer als eine Standardaktion. Es ist ja gerade die Herausforderung des Spieles, beim Auswählen und Einheften der Seiten sich die „besten“ Kombinationen auszusuchen und diese später dann „optimal“ zu nutzen. (Nach eine Buchaktion wird die betreffende Seite umgeschlagen, so dass man sie nicht zweimal hintereinander ausführen kann.)
Soweit hat alles mit Büchern zu tun und der Titel, das Thema und die Ausstattung des Spiel könnte uns in eine neue Spielewelt versetzen. Tut es aber nicht. Keiner hat sich die Autoren angesehen, die er in seine Ringbücher eingeheftet hat. Caroline Herschel ist nur durch ihr Gebrüder-Grimm-Erzählerin-Kostüm und Mariya Zerova durch ihre Moshammer-Frisur aufgefallen. Eine historische oder zeitliche oder inhaltliche Auseinandersetzung mit den Autoren findet nicht statt.
„Bücher der Zeit“ ist mehr oder weniger eines der vielen Workerplacement-Spiele unserer Zeit. Ein optimales Sequenzieren unserer Aktionen ist gefordert. Dabei sind die wichtigen Buchaktionen unhandlich auf den verschiedenen, in der Regel zugeklappten Seiten unserer Bücher versteckt, müssen gemerkt oder mühsam nachgeschlagen, und noch mühsamer in abrufbare Aktionspositionen gebracht werden.
WPG-Wertung: Günther: 6 (spieltechnisch trägt das bemerkenswerte Material nicht viel bei; das Spiel wurde bereits hochgelobt, aber ich bin noch unschlüssig, wie weit ich mich dem anschließen kann), Moritz: 5 (reine Aktionsoptimierung; lästiges Handling mit dem Einheften und Umblättern der Seiten, keine Spannung, nur Qual, trocken, unsexy), Walter: 6 (das Spielmaterial ist elitär, aber doch nur nebensächlich; die früher oder später möglichen Aktionen sind überwiegend unergonomisch verdeckt und erschweren dadurch Nutzung und Spiel).
Ein Rätsel für Moritz: Er hat alle möglichen Aktionen total übersehen, er hat jeweils die beste Aktion mit maximaler Ausbeute gewählt und war bei den zufällig erscheinenden Bonus-Paketen immer auf der richtigen Seite. Warum hat er trotzdem nicht gewonnen? (Zweiter in einem semi-dichten Feld.) Liegt bei aller höchst kompetenten Planung der Sieg vielleicht doch nur in Fortunas Händen?
War ja nicht dabei und kenne das Spiel nicht. Aber was du beschreibst, hört sich eher nach einem Deck Building (“book building”) – als einem Worker Placement – Spiel an.
Wie sagte schon Goethe: “Name ist Schall und Rauch.”
Ein “Deck” im üblichen Sinne, das dann immer wrap around genutzt wird, bilden wir nicht. Dazu haben die Karten unseres Decks viel zu viel Eigenwert (in den verschiedenen Punkte-Abrechnungen) und werden in der Regel durchschnittlich vielleicht auch nur ein einziges Mal genutzt. Sie stellen, wie auch andere Elemente des Spiels, Aktionsmöglichkeiten dar, die ich pro Zug nutzen kann.
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;