1. “Lacrimosa”
Welch ein Wohlklang liegt in den Vokalen dieses Titels. Und welche Wonne zieht durch unser Gemüt, wenn wir an diesen Teil der katholischen Totenmesse denken, insbesondere an die allergrößte, allerbewegendste, allerbekannteste, die von Mozart persönlich komponiert wurde. (Sorry, Moritz, ich weiß, dass Du ebenfalls eine „Messa“ komponiert hast, bei deren Uraufführung ich sogar Zuhörer war; aber sie war nur eine „normale“ Messe, keine Totenmesse, und enthielt dementsprechend auch keine „Sequenz“.)
„Lacrimosa“ ist also eine Sequenz aus Mozarts Requiem, dessen Melodieführung, Harmonierung und Instrumentierung uns heute noch wohlige Tränen in die Augen treiben und uns selber auf Wolke Sieben versetzen kann. Obwohl der Text eigentlich bestürzend ist: „Lacrimosa („tränenreich“) ist jener letzte Tag“, wenn eine „seltsame Tuba“ ertönt und der „schreckliche König“ sein Gericht hält. (Das ist ja das Geschäftsgeheimnis der Katholischen Kirche, dass sie ihre kleinen Dosen von Tröstung in Tonnen von Bedrohung versteckt.)
Warum schreibe ich das in einem Spielbericht? Nun ja, „Lacrimosa“ ist als Titel eines Brettspiels verwendet worden. Ferran Renalias aus Catalunya und Gerard Ascensi aus Andorra haben sich liebevoll und akribisch mit Mozart und seinem letzten Werk beschäftigt und es thematisch ihrem Spiel untergelegt.
Wir sind Mäzene Mozarts bzw. die seiner Witwe und suchen Komponisten, die Mozarts bekanntlich unvollendetes Requiem (eindrücklich dargestellt in dem Filmdrama „Amadeus“ von Miloš Forman) fertigstellen, damit die arme Constanze den Vorschuss von 50 Tausend Gulden nicht zurückzahlen muss.
Als Spielelemente steuern wir Töne verschiedener Instrumente zu den verschiedenen Stücken des Requiems (nicht nur zum „Lacrimosa“) bei. Oder wir erfinden gleich komplette neue (bzw. alte) Kompositionen Mozarts in sakraler oder weltlicher Stilrichtung hinzu, führen sie auf oder verkaufen sie. Dazwischen lassen wir den offensichtlich noch lebenden Mozart (oder ist es nur sein Schatten?) Reisen in die Musikhauptstädte Europas unternehmen und Werbung für sich und seine Kunst machen.
Genug der Musik. In „Lacrimosa“ dreht sich alles nur um Geld und Ressourcen in Form von Tinte, Tickets oder Verleger, mit einem leichten Deck-Building-Charakter. Jeder hat 4 aus 9 Karten auf der Hand, von denen er pro Runde viermal je zwei paarweise als Aktion und als Remuneration ausspielt. Mit den Aktionen steuert er die oben beschriebenen Aktionen und mit der Remuneration sorgt er für einen gewissen Rückfluss an Ressourcen und Geld, die er für seine Aktionen ausgeben muss.
Wie es sich gehört, ist immer irgendetwas knapp, mal fehlt es an Geld, mal an Tinte und mal an Verlegern. Und manchmal hat man leider auch nicht die gewünschte oder benötigte Aktionskarte auf der Hand. Lohnend ist es, sich als „Erinnerungsaktion“ Karten mit gesteigerter Remunerationsleistung zuzulegen. Da muss man am Anfang natürlich kürzer treten, aber wie gewöhnlich zahlen sich solche Investitionen am Ende doppelt und dreifach aus. Moritz hat das als einziger konsequent praktiziert und wurde entsprechend auch Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (eigentlich 8 Punkte, 1 Punkt weniger wegen der Thema-Verfehlung, „Dinosaurier“ wäre als Thema genauso geeignet gewesen, 2 Punkte weniger, weil das Spiel schwerfällig, solitär und extrem repetitiv ist, 1 Punkt weniger für das ergonomisch extrem ungünstig designte Material [WS: falls die Mathematik hier nicht stimmt, dann müssen wir entweder an der 5 oder an der 8 etwas drehen] [AH: die 8 stimmt und die Abzüge auch, das Ergebnis hast du ausgerechnet, nicht ich][WS: Claro, die Mathematik stammt von mir, aber ich wollte dem guten Stück doch nicht nur 4, VIER, Punkte vorn Dir vergeben lassen.]), Günther: 6 (das Regelheft ist voller Mozart, aber das hilft uns beim Spielen leider nicht), Moritz: 6 (aus Sympathie, [WS: eine emotionale Reaktion ob des Sujets war bei ihm nicht zu erkennen], besser als das „Buch-Spiel“ von letzter Woche, aber kein Tempo, keine Spannung, kein Mozart), Walter: 6 (eigentlich würde ich auch gerne 8 Punkte vergeben, schon für das Engagement unserer beiden westeuropäischen Autoren für unser osteuropäisches (na ja, ostmärkisches) Musikgenie, die Enttäuschung für so wenig Requiem und Lacrimosa und für so viel nackten Geschäftssinn im Spielablauf muss ich erst verkraften; wie gut hätten hier Salieri, der Erzbischof von Salzburg und Kaiser Franz II ein bisschen Pfeffer hereinbringen können).